Die Antwort der Bürger in Kanada: Kommt ein Bank-Run oder gleich der Bankenboykott?
Matthias Nikolaidis
In Kanada hat die Regierung Trudeau durch ihre Maßnahmen gegen die protestierenden Trucker einen relevanten Teil der Bürger gegen sich aufgebracht. Der angekündigte Zugriff auf Konten könnte zu massenhaftem Geldabheben führen – noch mehr Protest also.
Rund um die Inkraftsetzung des Notstandsgesetzes durch die Regierung Trudeau hat sich eine neblige Korona verschiedenster Aktionen gebildet. Schon bevor Premierminister Justin Trudeau zu seinem letzten oder vorletzten Mittel griff, war am Wochenende die Crowdfunding-Website GiveSendGo gehackt worden. Namen und E-Mail-Adressen von tausenden Spendern waren damit öffentlich zugänglich. Ein Funktionär der in der Provinz Ontario regierenden Partei, der 100 Dollar an den Freedom Convoy gespendet hatte, wurde zum Rücktritt bzw. Jobverzicht gedrängt. Daneben hat das kanadische Staatsfernsehen CBC die geleakten Daten sogleich für Recherchen über die Spender genutzt – all das, obwohl die Daten durch illegales Handeln an die Öffentlichkeit gekommen waren.
Viele Kanadier sind nicht damit zufrieden, von ihrer Regierung implizit wie Terroristen behandelt zu werden und fragen sich, wo die entschiedenen Aktionen der Regierung Trudeau waren, als im Sommer 2020 die BLM- und Antifa-Proteste nach Kanada überschwappten. Doch ja, Trudeau war einst als Superliberaler gestartet, der für die Straßenblockaden der Kleinbauern in Indien eintrat und der Auffassung war: „Wenn eine Regierung damit beginnt, andere Auffassungen zu canceln oder zu vermeiden, dann verliert sie ihre moralische Autorität.“ Es war ein Satz seines Vorgängers Stephen Harper, den Trudeau vor zehn Jahren noch pompös zitierte.
Der zurückgetretene „progressive“ Polizeichef von Ottawa – Peter Sloly ist Afroamerikaner – hält in einer Presseerklärung fest, dass er seine Aufgabe seit Beginn der Demonstration vor allem darin gesehen hatte, die Sicherheit der Stadt zu erhalten. Das scheint auch gelungen zu sein, obwohl Sloly ein zu weicher Umgang mit den Truckern vorgeworfen wurde. Der zuständige Minister für Katastrophenschutz, Bill Blair, zeigte sich betrübt über den Abgang. In dem nun ausgerufenen Notstand können öffentliche Versammlungen untersagt und die Bewegungsfreiheit von Bürgern eingeschränkt werden, auch wenn Trudeau behauptet, dass das nicht sein Ziel sei.
Auf Twitter formiert sich derweil eine einfache Antwort auf den Griff der Regierung nach den privaten Bankkonten der Kanadier. „Zeit, euer Geld abzuheben“, schreibt ein Nutzer lapidar. Andere wollen zumindest einen Teil ihres Guthabens abheben, um ein Zeichen zu setzen. Die politische – oder eher ideologische – Ausrichtung von leitenden Angestellten wird thematisiert: Würden Sie dem Zugriff des Staates nachgeben oder eine Zusammenarbeit verneinen? Eine Bank, die sich auf solch eine Aktion einlässt, erscheint vielen nicht mehr vertrauenswürdig. Über diese Einzelmeinungen hinaus, gibt es die generelle Erwartung eines Ansturms auf die Bankschalter, der in den kommenden Tagen kommen werde.
Einige Nutzer kritisieren auch das ausbleibende internationale Echo auf Trudeaus Griff nach dem Notstandsgesetz. Wie glaubwürdig werden demokratische Regierungen in Zukunft sein, wenn sie anderswo auf die Einhaltung von Meinungsfreiheit pochen?
Derweil bleibt unklar, ob die Regierung das Notstandsgesetz gemäß den im Gesetz dargelegten Bedingungen überhaupt anwenden darf. Die Kanadische Vereinigung für bürgerliche Freiheiten (CCLA) kann keinen hinreichenden Grund dafür erkennen. Die erweiterten Befugnisse dürfen nur dann genutzt werden, wenn „das Leben, die Gesundheit oder die Sicherheit der Kanadier“ gefährdet ist. Aber durch den Protest und die Blockaden der Trucker sind weder Menschenleben noch die Gesundheit der Bürger gefährdet. Auch die Regierung behauptet das nicht, vielmehr gehe es ihr darum, wirtschaftliche Schäden zu vermeiden.
Bei den Banken selbst ist man sich laut Bloomberg unsicher, wie man das „Einfrieren“ der Konten überhaupt umsetzen soll. Auch staatliche Entschädigungszahlungen scheinen ein Thema in den Gesprächen zwischen Regierung und Banken zu sein. Insofern dürften Meldungen, dass die Proteste sich auflösen, verfrüht sein.
Allerdings sind erste Konten bereits eingefroren worden – so etwa das Privatkonto eines Spendensammlers für die Trucker. Es handelt sich um den Gründer und Herausgeber der Nachrichten-Website Druthers. Daneben soll die Regierung Finanzdienstleistern in einem vertraulichen Schreiben untersagt haben, mit 34 Krypto-Wallets zusammenarbeiten. Das sind Konten für Kryptowährungen wie Bitcoin. Wenn auch nur ein Teil dieser Nachrichten zuträfe, würde es ein gleißendes Licht auf den möglichen Durchgriff einer Regierung auf das Finanzsystem werfen.
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