Die Jugend Deutschlands rostet vor der italienischen Küste vor sich hin. Eigentlich heißt „Jugend“ auf Latein Iuventus, aber „Iuventa“ ist nah genug dran. Es ist der Name jenes unglücklichen NGO-Schiffes, das am 2. August 2017 von den italienischen Behörden beschlagnahmt wurde. Seitdem wächst der Rost. Die Jugend aber sitzt auf der Anklagebank, weil die sizilianischen Staatsanwälte nun keinen Spaß mehr verstehen wollen, wo es um die Einschleusung von illegalen Migranten geht. Die Staatsanwaltschaft wirft der deutschen NGO „Jugend rettet“ und vier Mitgliedern der „Iuventa“-Crew vor, in mindestens drei Operationen zum Komplizen libyscher Schleuser geworden zu sein.
Insgesamt sind 21 Personen (davon 16 Aktivisten), eine Reederei und zwei Nichtregierungsorganisationen wegen des Vorwurfs angeklagt, mit Menschenschleppern zusammengearbeitet zu haben. Unter den Beklagten sind auch zwölf Aktivisten von „Ärzte ohne Grenzen“ und „Save the Children International“, die ebenfalls mit zwei Schiffen an den zweifelhaften Rettungsaktionen mitwirkten. Den Angeklagten drohen bis zu 20 Jahre Haft für die Einschleusung von illegalen Migranten. Die „Iuventa“-Einsätze sollen vorab mit den libyschen Schleppern abgestimmt worden sein. Das beweisen angeblich auch Photos. Sogar die Außenbordmotoren der Migrantenboote sollen die „Iuventa“-Leute den Schleppern wieder überlassen haben, obwohl das Gegenteil vom Gesetz verlangt wird. Außerdem seien die „geretteten“ Menschen gar nicht in Seenot oder Lebensgefahr gewesen, weshalb auch keine Rettungspflicht gegeben war.
Daneben gibt es Aussagen von einem Sicherheitsmann, der auf der „Vos Hestia“, einem weiteren NGO-Schiff, engagiert war, ohne das Treiben der Aktivisten unbedingt gutzuheißen. Er entpuppte sich als ein Anhänger Matteo Salvinis. Zudem setzte die italienische Polizei einen verdeckten Ermittler ein, der 40 Tage auf der „Vos Hestia“ zubrachte. Und abhören ließ man die NGO-Aktivisten durchaus munter. Angeblich wurden sogar Gespräche mit Journalisten und Rechtsanwälten mitgeschnitten, was deutschem Rechtsempfinden widerspricht. Ist es auch in Italien verpönt oder illegitim? Anscheinend nicht oder nicht mehr, seit die deutschen NGOs in Süditalien jedes Maß vermissen lassen und ihr halbseidenes Treiben immer weiter ausdehnen.
Die mediale Agitation durch die NGOs – ihr Hauptzweck?
Im zentralen Mittelmeer kreuzt derzeit knapp zwei Handvoll „Rettungsschiffe“ diverser NGOs. Viele von ihnen sind in Deutschland beheimatet und werden von deutschen Kommunen und Kircheninitiativen bezuschusst und unterstützt. So zahlte die Stadt Regensburg der dort ansässigen NGO Sea-Eye e.V. einen Startzuschuss von 3.000 Euro. Dieselbe Summe spendete die Gemeinde Tutzing einem dort ansässigen Unterstützerkreis der beiden großen Kirchen. Die Gemeinde am Starnberger See sitzt so mit im Boot, wo es um die halblegale „Rettung“ von illegalen Migranten geht, die sich darauf verlassen können, kurz hinter der libyschen Küste von Offshore-Versorgern wie der „Ocean Viking“ aufgelesen zu werden.
Doch zurück zur rostenden „Iuventa“: Am Samstag gab es die erste Anhörung im Fall gegen die Berufsjugendlichen von „Jugend rettet“. Erst an deren Ende entscheidet sich, ob der Prozess eröffnet wird. Diese „Phase“ kann laut einem betetiligten Anwalt Monate in Anspruch nehmen. Am Samstag fand eine Protestaktion vor dem Gerichtsgebäude statt, wie Amnesty International berichtet.
Wie die Zeit berichtet, kamen bis Mitte Mai rund 15.000 illegale Migranten von Tunesien und Libyen nach Italien. Nicht alle werden von NGO-Schiffen hinübergefahren worden sein, tatsächlich könnte das sogar nur eine Minderheit aller Anlandungen betreffen, denn so viel Platz haben selbst die größeren Schiffe nicht. Die „Ocean Viking“ der Tutzinger Kirchenleute schafft im Monat nur eine Anlandung in italienischen Häfen, wenn man dem schiffeigenen offenen Logbuch trauen mag. Dabei kommen bald 550, bald auch nur 200 oder 128 Migranten nach Europa. Freilich ist der Offshore-Versorger der NGO „SOS Mediterranee“ nicht allein. Aber man darf schon fragen, ob dort mit hohem finanziellen Aufwand wirklich so viel für die Menschenrechte im Mittelmeer getan wird oder nicht vielmehr viel heiße Luft erzeugt wird, die dann in Deutschland zu neuen Spenden führt und vor allem zu einer öffentlichen Stimmung für das Auflesen von Migranten aus windschiefen Booten im zentralen Mittelmeer führen soll. Die Operation der oft mit Laien und Dilettanten besetzten Boote ist vor allem eine mediale und propagandistische für den hehren Zweck, der bei Lichte besehen eben gar nicht mehr so heldenhaft ist.
Einblicke ins Innere der „Alan Kurdi“
Einen Einblick in dieses Geschäft, das man aus unternehmerischer Sicht nur mit dem Begriff Reinbuttern charakterisieren kann, gab jüngst die Journalistin und Buchautorin Sally Hayden, die im Dezember 2019 für einige Zeit auf der „Alan Kurdi“ sein konnte, jenes anderen berüchtigten NGO-Schiffs, das die Regensburger NGO Sea-Eye betrieb und das ebenfalls von deutschen Kirchenleuten generös finanziert wurde (neben dem schon erwähnten kommunalen Startkapital von 3.000 Euro).
Der Betrieb der „Alan Kurdi“ kostete laut Hayden im Monat 60.000 Euro. Das Schiff war in der DDR unter verschiedenen Namen zu Forschungszwecken genutzt worden. Es war ein Schiff, auf dem man Weihnachten auch zu NGO-Zeiten nach deutscher Sitte am 24. Dezember feierte. In rund 20 Monaten Einsatz will das Team der „Alan Kurdi“ 927 Menschenleben gerettet haben. Die Finanzierung stammte auch hier vor allem von deutschen Kirchen und ihren Unterstützern. Inzwischen wurde die „Kurdi“ an eine italienische Organisation verkauft, angeblich aus Geldmangel. „Die Blockade der zivilen Rettungsschiffe durch die italienischen Behörden habe Sea-Eye finanziell schwer belastet“, wird der Sea-Eye-Vorsitzende Gordon Isler in der Süddeutschen zitiert. Den Ex-Besitzern in Regensburg bleibt der etwas größere Offshore-Versorger „Sea-Eye 4“, wobei die Inbetriebnahme dieses Schiffes allein schon fast eine Million Euro gekostet haben soll.
In einem Artikel in der amerikanischen Kultur- und Modezeitschrift Vanity Fair schildert Hayden eine „Rettungsaktion“ im pittoresken Detail: Ein Hartschalenboot aus Glasfaser wird von den deutschen Alan-Kurdi-Aktivisten entdeckt, nachdem sie von einer anderen NGO darüber informiert wurden. 2.000 Dollar zahlte jeder der Passagiere, vom Säugling bis zum Greis, für den Platz auf einem Schlepperboot. Als Grund der Reise gibt Sally Hayden an: „Sie waren Libyens überdrüssig geworden und fragten sich, wie sie Rettung finden könnten.“ Es ist also der Überdruss, vor dem die Migranten fliehen und Rettung suchen.
Daneben sind ihre Smartphones „ein winziges Fenster zur großen Welt“ für die Migranten, und natürlich wollen sie gerne Dinge erlangen, die sie zunächst „nur vom Bildschirm kennen“. Bei manchen der Migranten, die Hayden traf, ging es auch um eine Art Familiennachzug. Einer der Insassen hatte größere elektronische Geräte schon an die in Frankreich lebenden Verwandten geschickt, bevor er das Glasfaserboot bestieg.
Sorgsam achten die „Flüchtlinge“ darauf, die libyschen Gewässer hinter sich zu lassen, bevor sie eine NGO namens „Alarm Phone“ informieren, um von anderen NGOs aus ihrer vorgeblichen Seenot „gerettet“ zu werden. Das sind keine neuen Erkenntnisse. Schon aus diesem Detail ergibt sich, dass diese Seenot – wie unzählige andere – nicht echt, sondern inszeniert ist. Es geht um die alltägliche, absichtlich herbeigeführte Nicht-Seenot. Bei der Abfahrt rüsteten die Schlepper ihr Boot mit zwei großen Kartons mit Croissants aus, daneben Datteln, Nescafé – und genug Zigaretten für vier Tage.
Deutsche Spender teilen sich Schlepperkosten mit Migranten
Sally Hayden kommt zu dem Schluss, dass die Kosten der illegalen Einreisen etwa hälftig zwischen den Migranten und den meist deutschen Spendern aufgeteilt werden, die hinter den NGO-Schiffen stehen. Eines der merkwürdigsten Puzzleteile, das sie den Lesern mitteilt, ist allerdings das folgende Erlebnis: Einige der Aktivisten beklagten sich, dass das Schicksal der Migranten für die NGOs nicht im Vordergrund stehe. Eigentlich gehe es den Schiffsbetreibern darum, „unausgebildeten Europäern“ eine „Erfahrung“ zu schenken. Die Rettung von Migranten in Seenot sei eher ein zusätzliches Element der Unterhaltung als das eigentliche Ziel der Fahrten. Dieselben scheinen nur organisiert zu werden, so ein Crewmitglied, „die Zahl derjenigen zu maximieren, die so etwas erfahren können“.
Das NGO-Rettungsgebaren scheint eines der letzten Residuen des Abenteuers in der post-heroischen Gesellschaft Westeuropas und einen Teil seiner Jugend zu sein. Um Kompetenz beim Segeln und im Umgang mit Recht und Gesetz geht es dabei offenbar weniger. Das zeigt auch der anlaufende Prozess gegen die „Iuventa“. Das Boot der natürlich grünennahen oder doch von den Grünen geliebten Organisation „Jugend rettet“ war das erste Opfer der Verschärfung der italienischen Migrationspolitik im Sommer 2017 durch den damals frisch ins Amt gekommenen Matteo Salvini.
Inzwischen sitzt mit Julian Pahlke sogar ein „Iuventa“-Veteran im Bundestag, der entsetzt darüber ist, dass nun auch die italienische Staatsanwaltschaft vom „Sogeffekt“ der NGOs ausgeht und die finanziellen Interessen der NGO-Mitglieder hinterfragt. „Die Schiffe“ im Mittelmeer sieht Pahlke als „den letzten Baustein, den Rechte und Konservative stillegen“ wollen. Die Schiffe verdienten „unsere ganze Unterstützung“, so Pahlke dann wieder, wobei man bemerkt, dass hier auch einer um Unterstützung für sich trommelt, um sein ansonsten schwach begründetes Bundestagsmandat zu rechtfertigen.