In Neapel gibt es den Witz, dass die Dreifaltigkeit nicht aus Gottvater, Gottsohn und Heiliger Geist, sondern aus Christus, der Madonna und Padre Pio besteht. Wer auf Autobahnen fährt, kommt nicht an ihnen herum: die LKWs, auf deren Rückseite der Heilige aus Pietrelcina einen anlächelt. Für die meisten Italiener ist Padre Pio schlichtweg die größte katholische Gestalt des 20. Jahrhunderts – inklusive der Päpste.
In eben jenem Pietrelcina entzündet sich ein Streit, der an Geschichten aus der Po-Ebene der 40er und 50er Jahre denken lässt. Denn dort trifft der Zeitgeist auf eine Mentalität, die man für ausgestorben hielt: Ein katholischer Geistlicher stellt sich einer vermeintlich progressiven Ideologie entgegen. Statt eines Landpfarrers steigt mit Felice Accrocca allerdings gleich ein Erzbischof in den Ring.
In einem Brandbrief wehren sich Erzbischof Accrocca und der Kapuziner-Provinzial Francesco Dileo gegen das Projekt. Die Windkraftanlage berücksichtige nicht das Potenzial der Gegend und ignoriere die „negativen Auswirkungen auf das Gebiet selbst und seine Bevölkerung“. Gegenüber der Tageszeitung Corriere della Sera bekräftigte der Erzbischof, dass es sich um einen „Schlag in die Magengrube“ handelt, um einen „Schaden“ für das Gebiet, so sehr er den Wunsch nach „Erneuerbaren Energien“ auch verstehe.
Der Sänger Adriano Celentano, so Accrocca, habe einst von 30 Stockwerke hohen Bäumen gesungen. Nun entstünden dagegen 70 Stockwerke hohe Windräder. „Wir fragen uns, warum sie in einem Gebiet geschaffen werden, das aufgrund von Fehlern der Vergangenheit bereits arm an Infrastruktur ist, dessen einzige Möglichkeit der Wiedergutmachung gerade im Reichtum der Landschaft, des Essens und des Weins und des religiösen Tourismus liegt, die mit dem Heiligen Pater Pio verbunden sind.“
Accrocca beließ es aber nicht nur bei diesem Territorium, sondern bezog sich auch auf andere, bereits zerstörte Landschaften. Er erinnerte an „die vielen von Windkraftanlagen entstellten Orte, die sich alle in einem kleinen Umkreis konzentrieren: der kleine See von Decorata, die Landschaften von Fortore, die Gebiete von Alto Tammaro. Wenn ich abends reise, sehe ich die roten Lichter oben auf den Klingen und es sieht für mich aus wie ein Friedhof. Ich habe den Eindruck, dass diesem Gebiet die letzte Ölung gegeben wird“.