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Italienische Parlamentswahl

Italien: Vor dem Duell bleibt die Linke auf der Strecke

Die heiße Phase des Wahlkampfs in Italien hat begonnen. Vor dem Duell am Montagabend liegt Giorgia Meloni mit dem rechten Bündnis fast 20 Punkte vor dem linken. Rivale Enrico Letta kämpft dagegen nicht nur mit Umfragewerten, sondern auch mit seinem E-Auto, das vor einer Veranstaltung schlappmacht.

IMAGO / ZUMA Wire

Es hatte eine besondere Veranstaltung werden sollen. Enrico Letta, der Spitzenkandidat des linken Partito Democratico (PD), wollte mit einem blauen Van auftrumpfen. Das Elektrofahrzeug sollte an die ökologischen Ideale im Rest Europas anknüpfen. Der 56 Jahre alte Ex-Premier wollte zu einer Kundgebung am Wochenende nach Turin fahren und damit den Slogan bekräftigen, dass die Rechte nur in die Vergangenheit, die Linke in die Zukunft schaut. Letta kündigte auf Twitter seine „Öko-Wahltour“ an. Zitat: „Für ein demokratisches und progressives Italien. Und ein ökologisches!“

Doch daraus wurde nichts. Denn der Mercedes-Sprinter hatte seine Tücken. Auf dem Weg von der Lombardei ins Piemont stellte sich heraus, dass die Batterie nicht ausreichte. Für eine Hin- und Rückfahrt fehlte der Saft. Letta musste mit einem anderen Auto abgeholt werden. Natürlich bestand der Parteichef auf ein weiteres Elektro-Auto. Letta kam zu seiner eigenen Veranstaltung in Turin mit deutlicher Verspätung. Italiens Linke blieb auf der Strecke – buchstäblich.

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Natürlich versuchte der schärfste Rivale der konservativen Spitzenkandidatin Giorgia Meloni die Blamage in Wahlkampfmunition zu verwandeln. Der Vorfall zeige doch erst recht, welchen Rückstand Italien im Bereich der E-Mobilität aufweise, sagte Letta. Es sei in Italien „sehr kompliziert“, wenn man ein E-Auto benutzen wolle. Die Öko-Tour sei also auch eine Beschwerde darüber, welche Schwierigkeiten man in Italien habe, wenn man nachhaltig leben wolle.

Bedenkt man, dass Lettas eigene Partei seit 2011 jeder italienischen Regierung – sieht man vom kurzen Intermezzo aus Lega und Fünf Sternen zwischen 2018 und 2019 ab – angehört hat, muss man den Vorwurf allerdings als Selbstanklage werten. Doch so weit muss man gar nicht denken. Für Spott war in den sozialen Medien schon genügend gesorgt. Auch der linksliberale Spitzenkandidat Carlo Calenda, der früher noch mit Letta koalieren wollte, machte sich über das „hässliche“ Fahrzeug lustig, dass so aussähe, als hätte man ihm die „Felgen gestohlen“.

Symbolischer kann man nicht ausdrücken, was gerade im italienischen Wahlkampf passiert. Die Linken und ihre Ideen erweisen sich als Rohrkrepierer. Letta hofft auf die rund 40 Prozent der italienischen Wähler, die sich bisher noch unentschlossen zeigen, welcher Partei sie am 25. September ihre Stimme geben wollen. In dem Zusammenhang macht eine andere Ansage Lettas hellhörig. Es fehlten „nur 4 Prozent“ mehr für das linke Lager, dann könnte man es dem rechten Lager schwerer machen – weil es dann weniger als 55 Prozent erreiche. Damit hätte man einen wichtigen Erfolg verbucht.

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Selbst der Spitzenkandidat des PD rechnet also nicht mehr mit einem Wahlsieg. Es geht nur noch darum, wie hoch das Ergebnis für Meloni, Salvini und Berlusconi ausfällt. Schadensbegrenzung ist das Stichwort. Denn je nach Konstellation und Sitzverteilung reichen bereits 45 Prozent, um eine absolute Mehrheit zu erreichen. Zusätzlich dürften es einige Kleinparteien und Wahlbündnisse nicht ins Parlament schaffen. So rangiert etwa die eurokritische Partei Italexit im hohen 2-Prozent-Bereich – Wahlausgang ungewiss. Für Einzelparteien gilt eine 3-Prozent-Klausel.

Zwei Wochen vor der Wahl ist die Veröffentlichung von Umfragen untersagt. Am Freitag durften Zeitungen und Institute daher ein letztes Mal die Stimmung in der italienischen Wählerschaft abbilden. Im rechten Lager hat dabei die Lega von Matteo Salvini leicht verloren, die Fratelli d’Italia von Giorgia Meloni dazugewonnen. Im linken Lager gab Lettas PD Prozentpunkte ab, die Fünf Sterne/Movimento 5 Stelle (M5S) gewannen hinzu.

Es sind Schwankungen, die am Gesamtbild wenig ändern: Seit mehr als einem Monat zeichnet sich der Trend ab, dass die Fratelli d’Italia rund 25 Prozent erreichen, der PD bei 21 bis 22 Prozent schwankt. Lega und M5S erreichen beide rund 13 Prozent, mit leichtem Vorteil für den M5S. Die Forza Italia von Berlusconi hat sich bei etwa 8 Prozent eingependelt, die Linksgrünen bei 3,5 Prozent. Dazu kommt eine Vielzahl von Kleinparteien, die in den großen Wahlbündnissen die Endergebnisse leicht verbessern.

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Wer ist Giorgia Meloni?
Der Durchschnittswert in allen Umfragen liegt für das rechte Lager bei rund 47 Prozent. Der Durchschnittswert für das linke Lager liegt bei rund 28 Prozent. Der M5S erreicht in den letzten Tagen bessere Werte und liegt mit 13 Prozent wieder deutlich im zweistelligen Bereich. Der „dritte Pol“ aus linksliberalen Parteien steht bei rund 6 Prozent. Doch die nackten Zahlen sind nicht gleichzusetzen mit den Parlamentssitzen. Die Rechte würde sich demnach in umstrittenen Wahlkreisen klar durchsetzen – und damit eine komfortable Mehrheit erreichen.

Das Menetekel der Schweden-Wahl steht auf der Wand der italienischen Linken. Statt eines knappen Kopf-an-Kopf-Rennens steht jedoch eine krachende Niederlage bevor, von der sich Lettas Partei so schnell nicht erholen dürfte. Auch die Fünf Sterne würden auf eine Art und Weise dezimiert, dass ihnen nur noch ein Drittel bis Viertel der einstigen Sitze zusteht. Aufseiten der Rechten steht die Lega unter Druck, die an die populäre Meloni verliert, die im Soge des zu erwartenden Sieges mehr Wähler denn je anzieht. Heute um 18 Uhr steht das direkte Duell zwischen Meloni und Letta an. Es könnte die letzte Chance für Letta sein, um den erwarteten Knock-Out in ein blaues Auge mit schweren Blessuren abzumildern.

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