Tichys Einblick
Mit Renzi die Rolle rückwärts?

Italien, Open Arms und Orsola

Schon wird über eine Koalition "Ursula", oder "Orsola", gemunkelt und spekuliert. Fünf Sterne, die PD, Italiens Sozialdemokraten und Forza Italia haben nämlich innerhalb der EU für Ursula von der Leyen als EU-Kommissionschefin gestimmt.

Marco Ravagli / Barcroft Media via Getty Images

Wie lange Staatspräsident Sergio Mattarella benötigen wird, eine neue Regierung zu formieren, wagt keiner vorherzusehen, aber Beobachter meinen, binnen der nächsten zehn Tage würde der Staatschef alle Möglichkeiten ausloten und sich zum weiteren Verfahren mitteilen. Premier Giuseppe Conte gab gegenüber Mattarella bekannt, seine Regierung sei beendet, jetzt liege alles in seinen Händen. Wobei sich Mattarella, wie er nochmals selbst bestätigte, eher als Notar sieht, und abwarten möchte, ob sich andere Koalitionsmöglichkeiten fänden.

In Italien ist immer was los, gestern das Rücktrittsgesuch, und gleichzeitig das Management am Hafen von Lampedusa mit dem Schiff Open Arms und den letzten verbliebenen Migranten darauf.

Gegen ein Uhr in der Früh, wurden die letzten 83 „Schiffbrüchigen“ auf dem Schiff der spanischen NGO an Land abgesetzt. Nach einer kurzen medizinischen Untersuchung übernachteten sie im Hotspot-Lager auf der Insel. Die Migranten wurden von Aktivisten und ein paar Touristen willkommen geheißen, und eine andere Demonstrantengruppe skandierte gegen die OpenArms-Crew.

Nach der Ankunft des bekannten Staatsanwalts von Agrigent, Luigi Patronaggio, der die Beschlagnahme des Bootes angeordnet hatte, lief das Schiff dann ein. Patronaggio hatte das Schiff inspiziert, und die Staatsanwaltschaft hat ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt, wegen Unterlassung und Ablehnung von amtlichen Gesetzen und Vorschriften eingeleitet.

Ein anderer, der wohl auch wieder ein Verfahren zu erwarten hat, ist Noch-Innenminister Matteo Salvini selbst, und er sagt: „Wahrscheinlich werde ich eine weitere Anzeige erhalten, weil das Gericht in Agrigent eine Akte wegen Amtsmissbrauchs gegen Unbekannte eröffnet hat“, zuckt der Innenminister mit den Achseln.

Matteo Salvini erläuterte dann in der Früh den Journalisten etwas süffisant, „Madrid“ sei etwas spät aufgewacht, und zeigte quasi erst nach 17 Tagen ihre Bereitschaft auf, in Spanien das spanische NGO-Schiff zu empfangen. Auch Frankreich muckte auch die ganze Zeit nicht, aber plötzlich, nun wo das Schiff in Lampedusa läge, teilte Innenminister Cazeneuve mit, Paris habe sich zusammen mit Berlin bereit erklärt, einen Teil der durch Open Arms „geretteten“ Migranten aufzunehmen.

Ganz neue Teilwende
Salvini kritisiert mangelnde Unterstützung durch Conte
So lange er, Matteo Salvini, noch als Innenminister fungiere, zählen Recht und Ordnung, geschlossene Häfen und die umgehende Verteilung der Migranten auf andere Staaten. Er werde bis zuletzt die Souveränität Italiens verteidigen. Natürlich muss der Innenminister die Bürger nimmer direkt aufklären, was auf Italien zukommen könne, wenn sich eine andere Koalition ohne die Lega zusammenschmieden würde. Er spricht es nicht aus, aber jeder weiß, was Salvini meint, eine Invasion der illegalen Migranten von überall her, aus den Porti chiusi, würden schnell wieder die offenen Häfen, mit der PD von Renzi im Koalitionsboot.

Wie das, obwohl Fünfsterne und PD eigentlich nicht miteinander können und sich, ja, hasserfüllt bekämpften und beleidigten? Schon wird trotzdem in Italien über eine Koalition „Ursula“, oder „Orsola“ spekuliert. Fünf Sterne, die PD, also italienischen Sozialdemokraten und Forza Italia haben nämlich innerhalb der EU für Ursula von der Leyen als EU-Kommissionschefin gestimmt.

Der 80-jährige Professore und ehemalige Premier, Romano Prodi, ein roter, hatte der PD dazu geraten, mit den Cinque Stelle ein Bündnis einzugehen. Als Meinungskommentar im Il Messaggero, machte Prodi Werbung für dieses Bündnis – das definitiv nicht in der Gunst der Italiener weit oben stünde.

Außerdem ist es bigott, dass ausgerechnet Romano Prodi gegen die Politik Salvinis Stimmung machte, während sich Romano Prodi einst selbst, Ende der 90er Jahre, für eine Meeresblockade gegen die zahlreichen Migranten aus Albanien aussprach (1997 nämlich), es wurden gar italienische Schiffe entsendet, wobei es auch zu einem tragischen Unfall mit über 80 Toten und 27 Vermissten auf dem Meer kam.

Noch heute erinnern sich viele an den Unfall mit dem albanischen Boot, Katër i Radës, zwei Tage, nach dem PD-Prodi als Regierungschef das Dekret „blocco navale“ erließ. Auch bei den Sozialdemokraten in Italien vergisst man recht schnell die eigenen Verantwortlichkeiten in der Politik.

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