Eine Woche ist es nun her, dass die Italiener anders wählten, als von der EU und deren Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erwünscht. Die Androhung von „Orsola“ (wie sie von manchen Italienern genannt wird) gegen Italien dieselben Instrumente anzuwenden wie gegen Ungarn und Polen, sollten die Wahlen nicht nach EU-Gusto ausfallen, nahmen Italiens Bürger als Ansporn, es der deutschen EU-Kommissionspräsidentin nun erst recht zu zeigen.
Andere Genossen und Genossinnen verstehen unter der Aufarbeitung und dem Wundenlecken des desaströsen Wahlergebnisses auch eine Woche später mit Schlamm und Dreck nach anderen zu werfen: nach den Wahlsiegern – aber noch deutlich schwerwiegender: nach den Wählern, indirekt auch nach den Bürgern außerhalb des eigenen Milieus.
Da kolportierten linke Politiker und Medien, der Vater Melonis, der die Familie früh verlassen habe – Giorgia Meloni war noch ein Kind, knapp anderthalb Jahre alt – und die Mutter zur Alleinerziehenden machte, solle ein Drogenkurier und Abhängiger gewesen sein. Selbst wenn es so gewesen sein sollte, waren sich zum Beispiel die an sich kontrovers zueinander stehenden Moderatoren Giuseppe Cruciani und David Parenzo (Sendung des Zeitungsradios von Il Sole 24 ore, La Zanzara, ‚Die Stechmücke‘) einig, was spiele das denn jetzt für eine Rolle? Seien nun etwa kleine Kinder für die Vergangenheit der Eltern verantwortlich?
Und überhaupt, so die Moderatoren unisono (La Zanzara del 30 settembre 2022) – Cruciani eher ein Regierungskritiker, Parenzo dagegen auf EU-Linie – Giorgia Meloni habe sich den Wahlsieg verdient. Parenzo fügte hinzu, sie müsse nun aber liefern, und Cruciani listete dafür auf: „Fünf Tage ist die Wahl nun her, und nirgends etwas vom Faschismus zu sehen“, den die Linke in Italien sowie in halb Europa herbeigeredet und -geschrieben habe.
Nirgends der Zwang Melonis Porträt eingerahmt in die Klassenzimmer zu hängen, so Cruciani. Nirgends die Änderung des Gesetzes auf das Recht für Abtreibung in Sicht. Weiterhin zählt Cruciani folgend auf: „das ‚Sie‘ als Höflichkeitsform für Alle wurde auch noch nicht eingeführt“. Weder würden die Züge plötzlich überpünktlich ankommen, im Gegenteil, sie haben weiterhin Verspätung, das könne er selbst bezeugen, zudem, so der Moderator ironisch (in Deutschland wäre solch eine Sendung, obwohl politisch ausgewogen, nicht möglich): „Vor den Bahnhöfen lungern immer noch Migranten herum – auch Schwule und Lesben werden immer noch interviewt“ – SO also sehe er aus, der neue Faschismus! Und es seien auch nirgends Schwarzhemden auf den Straßen unterwegs, davon könne sich jeder überzeugen.
Das letzte gesichtete ‚Schwarzhemd‘ in Italien war ausgerechnet der ehemalige deutsche Außenminister und Vorgänger von Annalena Baerbock, Heiko Maas, der wohl vor seiner Abreise durchweg schlecht beraten wurde und dabei in Florenz bei einem offiziellen Besuch in den Uffizien kleidungstechnisch wie ein Vertreter längst vergangener Zeiten aufgefallen ist.
Unterdessen bekam die designierte Premierministerin stehenden Applaus auf der Agrar- und Landwirtschaftsmesse, und zwar von den geladenen Unternehmern und regionalen Landesfürsten in der Lombardei. Italien, so Meloni, müsse wieder seine eigenen Stärken und Interessen verfolgen.