Heftige Klatsche für Giorgia Meloni – oder eher ein Bumerang? Die Entscheidung des Gerichts, dass Migranten aus „unsicheren Herkunftsländern“ von Albanien nach Italien zurückgeschickt werden müssten, erwischt die Regierung in der Woche, in der die Überstellungen begannen.
Allein das hat bereits Misstrauen geschürt, wie politisch motiviert das Urteil sein könnte, denn schließlich ist nahezu ein Jahr seit der Vereinbarung mit Albanien vergangen. Ägypten zudem ein unsicheres Herkunftsland? Ministerpräsidentin Giorgia Meloni ist derzeit auf Auslandsreise im Libanon und kann deswegen erst am Montag eine dringliche Kabinettssitzung einberufen.
Justizminister Carlo Nordio, früher Staatsanwalt, hat die Entscheidung als „abnorm“ bezeichnet. Staatspräsident Sergio Mattarella, eigentlich kein Freund der Rechten, zeigte sich verwundert. Er bekräftigte: Italien steht hinter dem getroffenen Abkommen mit Albanien.
Während medial vor allem die Aussage im Vordergrund steht, das Gericht habe nach EU-Recht entschieden, wird in Italien vornehmlich eine Intrige dort vermutet, wo die Linke ihre letzten Gewährsleute hat: in der Justiz und in der EU. Dass nach dem Spruch die linken Oppositionsparteien direkt in Brüssel nachfragten, welche Sanktionen Italien denn jetzt zu erwarten habe, kam dabei nicht nur bei den Rechtsparteien alles andere als positiv an.
Die „Giudici“ haben in Italien schon länger keinen guten Ruf mehr. Insbesondere nicht im Lager rechts der Mitte, wo die Prozesse gegen Silvio Berlusconi sich in den letzten Jahren vermehrt als Luftnummern entpuppten, und damit als politische Schauprozesse wahrgenommen wurden. Die Verhinderung des Albanien-Plans fügt sich dabei in das Muster eines anderen Falles ein: den von Matteo Salvini.
Salvini hat in seiner Amtszeit als Innenminister mit seiner Politik der „geschlossenen Häfen“ die nationale wie internationale Linke gegen sich aufgebracht, die mit Carola Rackete schnell eine Gegenfigur schufen. Noch immer will man dem „Capitano“ daher am liebsten im Gefängnis sehen. Sechs Jahre Haft forderte die Staatsanwaltschaft von Palermo im September. Wegen „Freiheitsberaubung und Amtsmissbrauch“.
Der Vorgang passt also in nicht ganz unbekannte Handlungsmuster. Fraglich ist, ob diese Strategie nach mittlerweile 30 Jahren nicht an ihre Grenzen kommt. Die italienische Regierung hat noch einige Karten in der Hand – und selbst Ursula von der Leyen und Emmanuel Macron haben Interesse am albanischen Experiment, um dessen Wirkung abzuschätzen.
Es ist also nicht auszuschließen, dass sich der politische Gegner in der Robe dieses Mal verhebt. Denn eine Justizreform steht bereits seit längerer Zeit auf der Agenda der rechten Parteien. Die Düpierung Italiens durch ein eigenes Gericht könnte dazu Anlass bieten.