Merkwürdig sind manchmal die Koinzidenzen. In Deutschland beschließen grüne, rote und gelbe Koalitionäre ein Programm zur Flutung der Bahnsteige mit meist jungen Reiselustigen, die den normalen Preis eines Nahverkehrstickets vermutlich nicht kannten, aber jetzt ins große Abenteuer starten wollten. Was folgt, ist ein Nahverkehrsinfarkt, der die Menschen einmal mehr daran erinnert, dass es gut ist, ein Auto zu haben.
Unschöne Szenen gab es auch in Peschiera del Garda am gleichnamigen See im Norden Italiens. Die 10.000-Seelen-Gemeinde ist ein klassisches Reiseziel am Südostufer des Gardasees, in der Umgebung gibt es mehrere Themen- und Freizeitparks. Über den Bahnhof ist Peschiera direkt an die Bahnlinie Turin-Mailand-Venedig angeschlossen und liegt damit an einer der wichtigsten Eisenbahntrassen des Landes. Aus den großen Zentren des Nordens kommt man hier schnell in den Urlaub. Dank der dort ausgegrabenen bronzezeitlichen Pfahlbauten hat der alte Fischerort seinen Namen der „Peschiera-Zeit“ gegeben. Jetzt kommt die neue Peschiera-Zeit.
Am Donnerstag gegen 18 Uhr waren auch die Bahnsteige in Peschiera überfüllt von hunderten vor allem männlichen Jugendlichen, häufig noch nicht volljährig, die meisten von ihnen nordafrikanischer Herkunft – viele von ihnen ohne Bahnticket. Am 2. Juni feiert Italien den Tag der Republik, es ist Feiertag und die jungen Leute verabredeten sich über die sozialen Medien – vor allem TikTok – zu einem Tanz- und Musikfest am Strand von Peschiera. Gespielt wurde Trap, ein jüngerer Ableger des Hiphop. Motto: „Afrika in Peschiera del Garda“. Bürgermeisterin Orietta Gaiulli berichtet von einem wiederkehrenden Ereignis: „Im ersten Jahr waren es 200, im Jahr danach 500 und gestern 2.000.“
Es blieb aber nicht bei Musik und Tanz. An ihre Stelle trat eine heftige Prügelei. Angeblich begann alles mit einem gestohlenen Portemonnaie. Am Ende wurden auch Messer gezückt. Die Polizei griff mit Aufstandsbekämpfungskräften (deutsch meist Bereitschaftspolizei genannt) ein. Dutzende junge Männer wurden identifiziert. Sie stammen aus dem Veneto und der Lombardei, insbesondere aus Mailand.
Regionalpräsident: Es kann nicht sein, dass Mädchen in unserer Region belästigt werden
Sechs Mädchen zwischen 16 und 17 Jahren, die den Tag im Freizeitpark Gardaland verbracht hatten und auf der Rückreise nach Mailand waren, wurden im Zug von jungen Nordafrikanern belästigt. Die jungen Frauen suchten verzweifelt nach einem Schaffner in dem überfüllten Zug. „Wir waren umzingelt. Sie lachten und sagten: ‚Weiße Frauen steigen hier nicht ein‘“, erzählt eines der Mädchen. Einige der Mädchen seien ohnmächtig geworden. „6 Mädchen umringt, sexuell belästigt, begrapscht und beschimpft“, fasst es sehr deutlich ein Südtiroler Seite stol.it zusammen.
Viele Geschäfte hatten vorsorglich geschlossen. Der Bürgermeister des Nachbarortes Castelnuovo del Garda sagte, dass man Episoden, wie die nun erlebten, schon kenne. Dank des „Tamtams“ in den sozialen Medien sei man vorgewarnt gewesen, auch über die große Zahl der Jugendlichen, von denen viele ohne Papiere seien. Auch die Polizeikräfte waren vorsorglich verstärkt worden. Es half allerdings nichts.
Luca Zaia, der Präsident der Region Veneto sagte: „Es kann nicht sein, dass Mädchen in unserer Region belästigt oder angegriffen werden. Ich appelliere an die Polizei, keine Toleranz walten zu lassen und alles zu tun, um die Verantwortlichen zu finden.“ Und weiter: „Wir Veneter sind an einen sozialen Umgang gewöhnt, der auf dem Respekt vor Menschen und Regeln beruht.“ Vorfälle wie in Peschiera dürften nicht „alltäglich werden“, man dürfe sich nicht daran gewöhnen. „Wir haben uns noch nicht einmal daran gewöhnt, Alarmanlagen in unseren Häusern anzubringen und uns in ihnen einzuschließen. Ich wiederhole: null Toleranz.“
Nicht ganz unsinnig scheint es, die Forderungen des Regionalpräsidenten neben jene der EU-Innenkommissarin zu legen, die sich ebenfalls für den Schutz junger Mädchen aussprach. Dabei müsste freilich eine ganz andere EU-Migrationspolitik herauskommen, als wir sie heute haben.
— Stefano Tagliacollo (@stagliacollo) June 4, 2022