Italiens 67. Nachkriegsregierung. Nach allen Konsultationen ging es dann doch recht schnell, um keine weitere Zeit zu verlieren. Der ehemalige EZB-Chef Mario Draghi hat ein Regierungsteam aus parteilosen Experten und Mitgliedern etlicher Parteien mit Abgeordneten sowie Ministern zusammengestellt.
Wie es dazu kam? Nun, die kontinuierlich an Zustimmung verlierende Partei Fünfsterne mit Außenminister Giuseppe Di Maio will um jeden Preis an der Regierungsmacht bleiben. Die Fünfsterne, Movimento Cinque Stelle, einst aus Wut gegen das politische Establishment angetreten, haben in der Zwischenzeit Überzeugungen über Bord geworfen, ließen ihre knapp über 74.000 Mitglieder auf der digitalen Plattform „Rousseau“ online abstimmen, ob die Fünfsterne denn auch unter Mario Draghi dabei sein sollten. Die mit Spannung erwartete Abstimmung zeigte im Ergebnis dann fast 60% für eine Regierungsbeteiligung an.
So strahlte Silvio Berlusconi wieder einmal umso mehr, als er vom knapp einstündigen Gespräch mit Draghi vor die Medien und Kameras trat und verkündete: „Wir sind mit Forza Italia wieder auf der Bühne, um in der Politik eine Linie vorzugeben … “, und gab an, dass das Gespräch mit Draghi von echter gegenseitiger Wertschätzung geprägt gewesen sei. Das müssen viele erstmal sacken lassen.
Nonchalant wie immer gab Berlusconi an, dass „Totgesagte länger leben“, und damit meinte er wohl sich selbst, der eine Covid-Infektion, eine Herzinsuffienz sowie ein paar Operationen in der Vergangenheit gut überstanden hat. Auch inkludieren kann man unter diese Aussage sicherlich zahlreiche Gerichtsverfahren, wohlgemerkt. Aber Berlusconi wäre nicht der, für den man ihn hält oder belächelt, würde er nicht weiterhin die italienische Politik aufmischen.
„Draghi-Regierung: Durchschnittsalter 54, ein Drittel Frauen, 75 Prozent aus dem Norden“, berichtet „La Repubblica“ und stellt die neuen Minister vor.
Ausgerechnet der weiter an Zustimmung verlierende Außenminister wird weiterhin Luigi Di Maio von der linksliberal und populistischen Fünf-Sterne-Bewegung bleiben. Auch das Innenressort bleibt bei der parteilosen Spitzenbeamtin Luciana Lamorgese.
Auch im Justizministerium war kein Platz für Ex-Premier Giuseppe Conte, der mit allen Ehren verabschiedet wurde. Stattdessen heißt die neue Justizministerin Marta Cartabia, die ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofes. Neuer Finanzminister ist Daniele Franco, der stellvertretende Gouverneur der Notenbank.
Als weitere Experten ohne Parteizugehörigkeit firmieren die Unternehmer Vittorio Colao als Minister für Innovation und Digitalisierung, Roberto Cingolani für Umwelt und ökologischen Wandel und der Ökonom Enrico Giovannini für Verkehr und Infrastruktur Schlüsselposten im Kabinett Draghi. Gleich drei Ministerien gehen an Berlusconi und dessen Forza Italia, die als pro-EU und contra-Salvini gelten.
Draghi versuchte offensichtlich, allen Richtungen und Bestrebungen in Italien irgendwie gerecht zu werden. Sogar die Lega von Matteo Salvini wurde bei der Postenverteilung berücksichtigt: Innerhalb der Lega wurde zwar sehr kontrovers diskutiert, letztendlich zeigte sich Salvini aber nicht als Politikverhinderer, sondern erkämpfte drei wichtige Ministerien für seine Partei, mit denen sich gut punkten lässt, wenn andere Regierungsmitglieder Vorhaben torpedieren lassen.
Matteo Salvini selbst wird zwar kein Ministerium innehaben, kann aber Strategie und Tempo vorgeben. Die wichtigen Ministerien der Lega sind die Bereiche Tourismus, ebenso wie das Ressort wirtschaftliche Infrastruktur und Weiterenentwicklung. Und auch das Ministerium für Inklusion und Menschen mit geistigen wie körperlichen Einschränkungen (Disabilität), verantwortet eine Politikerin der Lega, Erika Stefani.
Das Mitterechtsbündnis lag in Umfragen zuletzt bei stabilen 48%. Allein Giorgia Meloni (Fratelli d‘ Italia) erteilte einer Regierung unter Draghi eine Absage.
Von Mario Draghi wird nichts weniger erwartet, als diese Vielparteien-Regierung gut zu moderieren und unter ihnen zu vermitteln. All das, was Conte am Ende nicht einmal mehr unter zwei Parteien und Lagern geschafft hat.