Die Tage Topthema auf allen Kanälen, ob im Fernsehen oder Radio, die Nachricht, dass dem Innenminister Matteo Salvini nun doch nicht der Prozess gemacht werde, den der Lega-Chef aber teils selbst herbeisehnte, um allen zu zeigen: seht her, Italiener, ich tue nur, was gut für unser Volk ist.
Und dann wiederum, ein wahres Gerichtsurteil, niederschmetternd für den ehemaligen Ministerpräsidenten und PD-Chef Italiens, Matteo Renzi, das festhielt, Renzis Eltern werden angeklagt und stehen unter Hausarrest.
Klar, dass die Medien und auch Emotionen hochkoch(t)en. Hier, die Lega und Cinque-Stelle als Regierungskoalition Mitte-Rechts, die eine rigorose Sicherheits- und Migrationspolitik fährt, und dort, die „Braven“ und Unschuldigen von der Demokratischen Partei um Renzi, die ein anderes Italien, und plötzlich auch eine andere Gerichtsbarkeit möchten. Einem Silvio Berlusconi waren die Justizbeamten stets zu links, den linken „Allianzen“ samt der PD um Renzi, nun etwas zu sehr mediengesteuert.
Aber der Reihe nach: In einem Land, in dem nichts als unmöglich gilt, wurde der Innenminister und Vize-Premier Salvini vor Monaten und weitere Male vor Wochen angezeigt. Er sollte vor Gericht. Notfalls seiner Ämter enthoben werden.
Dem in Italien momentan omnipräsenten und beliebten Lega-Chef wurden von der Staatsanwaltschaft Catania Menschenraub sowie „Erpressung im Zusammenhang mit Festhalten von Geiseln” und “Amtsmissbrauch“ zur Last gelegt. Heftige Vorwürfe und ziemlich harter Tobak. (Man stelle sich nur einmal vor, in Deutschland hätte eine Landesregierung nach dem Terroranschlag von Anis Amri in Berlin oder aber nach der massenhaften unkontrollierten Einwanderung von Flüchtlingen, den Innenminister Thomas de Maiziére angezeigt und angeklagt – und dem wäre stattgegeben worden!).
Fast wäre es in Italien auch dazu gekommen, aber eine Art Tribunal „dei Ministri“, der Minister, sollte dann ausgerechnet das Verfahren führen, das das Ziel hätte, die Abgeordneten des Parlaments und Senats müssten in einem ersten Schritt die Immunität des Innenministers und der Politiker aufheben.
Matteo Salvini kokettierte teils auch mit dem möglichen „Processo“ gegen ihn, im Wissen, dass die Mehrheit der Bürger diesen „Wahnsinn“ nicht begreifen würde, wenn einer wie Salvini Gefahren und Leid von den Bürgern abwehren will, und, ja, wenn dadurch auch die Anzahl der Toten auf dem Mittelmeer letztendlich zurückgingen.
Italien und auch Juristen stritten sich über Wochen darüber, wie der Fall des Küstenwachschiffes „U. Diciotti“ eingestuft würde, als Salvini die meisten Flüchtlingsmänner zuerst nicht aufnehmen wollte, dann doch einlenkte, (Kranke sowie Mütter und Kleinkinder in der Minderheit, wurden sofort aufgenommen), und wo sich danach ein paar afrikanische männliche Geflüchtete, selbst aus ihrer kirchlichen Asylunterkunft nach drei Tagen weiter auf den Weg (gen Norden?) machten.
Salvinis Koalitionspartner, die Bewegung Cinque-Stelle (M5S), ganz neutral und transparent wie es Di Maios und Beppe Grillos Partei immer propagierte, startete eine Mitgliederbasis-Befragung, quasi eine Online-Petition.
Mit einem Ergebnis von 59 Prozent dieser Basisbefragung konnte ein strafrechtliches Verfahren gegen Innenminister Salvini abgelehnt werden. Salvini nahm es trocken und gelassen zur Kenntnis. „Angst hatte ich nie“, er hätte sich dem Tribunal gestellt. Die Regierung scheint damit zwar auch gerettet, doch die Bewegung M5S ziemlich gespalten. Kurz vor den EU-Wahlen suchen die 5-Sterne wieder nach einer Daseinsberechtigung neben Salvini.
Es gibt aber auch etliche Kritiker der Mitgliederbefragung, wie z. B. den Senator Gregorio De Falco, der sich sofort zu Wort meldete. Ein sachlicher Hardliner, und bekannt geworden beim Crash der “Costa Concordia”, wo er als Hafenkapitän von Livorno per Funk Klartext sprach und die Notlage koordinierte, erklärte die Online-Abstimmung für nicht legitim. »„Abgeordnete des Parlaments“ seien der italienischen Verfassung und ihrem Gewissen verpflichtet, eine innerparteiliche Abstimmung ist im parlamentarischen Prozess nicht vorgesehen“«, so die meisten Kritiker.
Matteo Salvini selbst, derzeit auf Werbetour durch ganz Italien, wie zuletzt auch in Sardinien, wo die Regionalwahlen am Sonntag anstehen, sieht sich gestärkt, und die Bürger nehmen es ihm ab, stets nur das Beste für die Italiener im Sinn zu haben.
Einen Nackenschlag, just vorgestern, musste der andere Matteo, nämlich Renzi, hinnehmen. Zwar eher ein privat-familiäres Problem, doch es ist klar, dass das Urteil gegen Renzis Eltern auch auf ihn selbst und die PD ausstrahlt. Ab sofort stehen diese nämlich unter Hausarrest. Vielleicht auch das Gesamtproblem der italienischen „Sozialdemokraten“, wo sich zu oft Nepotismus und familiäre Interessen bis hinein in die Banken verankerten – nicht nur wie im Fall Renzi.
Die Vorwürfe und Beweise sind schon hart: Die Staatsanwaltschaft von Florenz wirft dem Vater, Tiziano Renzi und Mutter Laura Bovoli, betrügerischen Bankrott und das Erstellen fingierter Rechnungen vor. Zudem wurden in Firmen und Stiftungen „Strohmänner“, auch „Flüchtlinge”, eingesetzt.
Matteo Renzi ließ sich in den Medien so zitieren: „Als Vertreter der Institutionen verteidige ich den Rechtsstaat. Als Sohn tut es mir leid, dass meine Eltern eine derart ungerechtfertigte Demütigung erleben müssen“, und auch diese Erklärung des ehemaligen Premiers lässt tief blicken.
Giovanni Deriu, Dipl. Sozialpädagoge, Freier Journalist, ist seit 20 Jahren in der (interkulturellen) Erwachsenenbildung tätig.