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Wahlen in Italien

Italien: Das will die Rechte nach dem Wahlsieg

Umbau der Verfassung in Richtung Präsidialsystem, Steuererleichterungen für Familien und Unternehmen, Entbürokratisierung, Ukraine-Hilfe, mehr Rente, weniger Migration - das italienische Mitte-Rechts-Bündnis hat die Eckpunkte seines Programms vorgestellt.

IMAGO / ZUMA Wire

Noch nie in der italienischen Nachkriegsgeschichte könnte den Parteien rechts der Mitte ein solch klarer Sieg bevorstehen wie am 25. September. Zugleich scheint allen Vertretern bewusst zu sein, was auf dem Spiel steht: Nachdem sie in den letzten drei Jahren gesellschaftlich linke Projekte wie das Homo- und Transphobiegesetz, Klimawandelgesetze und nicht zuletzt das ius soli im Staatsbürgerrecht verhindern konnten, muss die Rechte nun vorbauen, um die in anderen Ländern auf Hochtouren laufende „Transformation“ zu verhindern.

Laut übereinstimmenden italienischen Medienberichten haben die rechten Parteien um Giorgia Meloni (Fratelli d’Italia), Matteo Salvini (Lega) und Silvio Berlusconi (Forza Italia) die Eckpunkte ihres Programms festgelegt. Während sich die linken Parteien als Erben und Fortsetzer der Politik von Mario Draghi stilisieren wollen, setzt das Mitte-Rechts-Bündnis eigene Akzente.

Meloni setzt sich in der ukrainischen Frage durch

Eine wichtige Richtungsentscheidung: Das rechte Lager stellt sich im Ukraine-Krieg klar hinter Kiew. Damit setzen sich die Fratelli d’Italia (FdI), die bei der letzten Parlamentswahl nur 4,3 Prozent der Stimmen bekamen, gegen die in Abgeordnetenhaus und Senat deutlich stärker vertretene Forza Italia (FI) und Lega durch. Salvini hatte man in der Vergangenheit seine Verbindungen zu Moskau ebenso zum Vorwurf gemacht wie Berlusconis Männerfreundschaft zu Putin. Die FdI haben aus ihrer anti-kommunistischen Vergangenheit heraus nicht nur ein historisch kritisches Verhältnis zu Moskau, sondern gelten auch als transatlantisch ausgerichtet – in den 1980er Jahren stützte sich Premierminister Bettino Craxi auch auf die Stimmen der Vorgängerpartei Movimento Sociale Italiano (MSI), um gegen die eigenen Parteigenossen den Pershing-Beschluss durchzudrücken.

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Zudem nimmt das Trio damit dem linken Partito Democratico (PD) den Wind aus den Segeln. Deren Anführer Enrico Letta will sich seit Monaten über einen klaren Pro-Ukraine-Kurs definieren und insbesondere die Lega und die FI damit „moralisch“ stellen. Dieser Kurs kann nur deswegen als glaubwürdig gelten, weil die Medien dieses Narrativ befeuern – obwohl der postkommunistische PD genügend ältere Vertreter hat, die noch selbst in Moskau gelernt haben. Ohne die Ukraine-Karte verpufft das Argument, gelten doch die FdI als deutlich glaubwürdiger angesichts eines geradlinigen Kurses seit Jahrzehnten. Salvini und Berlusconi haben diese wahltaktische Option erkannt – und überlassen offenbar die außenpolitischen Themen den „Brüdern Italiens“. Dazu zählt auch die Aufstellung einer schnell einsatzbereiten „Task-Force“ von 100.000 Soldaten an Europas Grenze.
Stärkung des Präsidenten, mehr Autonomie für die Regionen

Zudem treiben alle drei Kräfte ein altes Projekt an: die Direktwahl des italienischen Staatspräsidenten. Noch nie hat es ein Staatsoberhaupt aus den Reihen der drei Parteien gegeben. Seit Jahren warnen Politik und Medien des gegnerischen Lagers vor einer Aufweichung der Verfassung – die Rechte strebe den Übergang zum Präsidialsystem an. Tatsächlich haben insbesondere die FdI nie einen Hehl aus diesem erklärten Ziel gemacht und Lega wie FI mit dieser Änderung geliebäugelt. Meloni, die bereits seit einigen Jahren Slogans und Programmfragmente der alten Gaullisten übernommen hat, ist durchaus zuzutrauen, dass sie eine Entwicklung in Richtung des französischen Systems bevorzugt.

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Bei so viel Sehnsucht nach dem starken Staat kommen solche Ideen mit einer Einschränkung, die wiederum von der Lega stammen dürfte: Die Autonomie der Regionen soll im immer noch zentralistischen Italien ausgebaut werden. Die FdI drängen bereits, dass dieses Mammutprojekt der Umgestaltung Italiens schon im ersten Jahr der Legislatur in Angriff genommen werden soll – und die FI hat ihre Zustimmung signalisiert. Solche konstitutionellen Pläne sind keine Wunschträume. In den Umfragen erreichen die rechten Parteien 45 bis 50 Prozent der Stimmen. Je nach genauem Wahlausgang winken damit rund 60 Prozent der Sitze.
Steuererleichterungen für Familien und Unternehmen

Die von den Linken geforderte Vermögenssteuer lehnt das Rechtsbündnis ab. Vonseiten der FI erhärtet sich die Forderung nach einer Flat-Tax von 23 Prozent für Familien und Kleinbetriebe; der Grundfreibetrag für Beschäftigte soll nach Berlusconis Vorschlag auf 13.000 Euro (derzeit: 8.174 Euro) erhöht werden. Die Rente soll nach 41 Jahren Arbeitszeit möglich sein; Mütter und Großmütter sollen zudem eine Mindestrente von 1.000 Euro im Monat bekommen.

Unternehmensgründungen sollen massiv erleichtert, die Bürokratie zurückgebaut werden. Auch soll es wieder erlaubt werden, mit bis zu 10.000 Euro in Bargeld zu bezahlen – die Regierungen Conte und Draghi hatten den Bargeldverkehr in Italien immer mehr eingeschränkt, zuletzt waren nur noch Barzahlungen mit 1.000 Euro möglich. Die Regierung begründete dies mit Anti-Mafia- und Anti-Schwarzgeld-Maßnahmen.

Zusätzlich will die Regierung aufgrund der Energiekrise die Atomfrage wieder auf den Plan bringen. Alle drei Parteien zeigten sich offen für Kernkraftwerke der Vierten Generation. Italien produzierte von 1967 bis 1990 Kernenergie in fünf Kraftwerken, die aber aufgrund ihres Alters und eines Referendums 1987 geschlossen wurden. Ein Referendum im Jahr 2011 bekräftigte neuerlich den Atomausstieg. In der italienischen Bevölkerung bestehen erhebliche Bedenken aufgrund der ausgeprägten Erdbebengefahr auf der Apenninhalbinsel.

Bislang keine offizielle Kandidatenkür

Auch bei der Migrationsfrage haben die bürgerlichen, konservativen und nationalen Kräfte eine klare Linie. Insbesondere Salvini machte am Wochenende neuerlich klar, dass die letzten beiden Regierungen unkontrollierte Anlandungen und Einreisen zugelassen hätten. Das italienische Staatsbürgerrecht, das noch kürzlich auf der Kippe stand, dürfte bestehen bleiben.

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Die Parteien teilten mit, dass sie sich bei ihrem Programm zu „80 Prozent“ einig seien. Das Paket soll in einer Woche festgezurrt werden. Was noch offen steht: die Kandidatenkür. Obwohl bereits über die Namen einiger Minister spekuliert wird – Meloni hat ihr eigenes Schattenkabinett schon vor zwei Wochen vorgestellt –, bleibt die Frage nach dem Ministerpräsidenten. Nicht nur Melonis Partei, auch ihre persönlichen Umfragewerte sind derzeit die besten. Berlusconi zeigte sich hingegen noch zögerlich – der „Cavaliere“ hat offenbar noch Vorbehalte. Und Salvini? In einem Interview antwortete er auf die Frage, ob er ins Innenministerium zurückkehrte, dass dies die Italiener entschieden – wer als erster abschneidet, soll auch als Regierungschef das Land führen. Derzeit liegt die Lega 10 Prozent hinter den FdI.
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