Tichys Einblick
Italien/Catania

Prozess gegen Salvini: Conte drückt sich, Toninelli kann sich an nichts erinnern

In Catania war die Voranhörung für einen möglichen Prozess gegen den früheren Innenminister Italiens, Matteo Salvini. Das Gericht hatte auch Regierungschef Conte vorgeladen, der nicht anreisen konnte und um einen Termin mit dem Richter bei sich in Rom gebeten hat. Und der ebenfalls geladene Danilo Toninelli, ehemaliger Verkehrs- und Minister für Infrastruktur, konnte sich vor Gericht an gar nichts mehr erinnern.

picture alliance / AP

So richtig ‚brutta figura‘, eine miserable Figur, machte jüngst einmal mehr der Premier Italiens Giuseppe Conte sowie der ehemalige Verkehrs- und Minister für Infrastruktur Danilo Toninelli von den Cinque Stelle (Fünfsterne Bewegung). Toninelli gehört der Regierung zwar nicht mehr an, sollte aber wie der Premier selbst, in Catania dem Gericht Rede und Antwort stehen, um gegebenenfalls Matteo Salvini, der sich ja im Fall des Marineschiffs „Gregoretti“ immer noch der Freiheitsberaubung etlicher Migranten von 2019 rechtfertigen und verantworten muss, die er damals nicht an Land gehen lassen wollte, freizusprechen oder noch tiefer hineinzureiten.

Damals, als Salvini noch als Innenminister einer recht kohärenten Regierung Verantwortung trug, waren sich alle drei Politiker einig, die Migranten an Bord zu lassen, natürlich bei bester Verpflegung und medizinischer Betreuung, bis die EU etwaige Nationen und einen Verteilungsschlüssel nennen würde.

Dennoch hagelte es gegen Matteo Salvini und dessen rigorosen Kurs Anzeigen, und seine einstigen Mitstreiter hoben Salvinis Immunität auf.

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Dass Matteo Salvini, Oppositionsführer der Lega (die momentan wieder im Aufwind ist und mit einem Mitterechtsbündnis bei knapp über 42% landen würde) immer noch hoch im Kurs steht, liegt daran, dass ein Großteil der italienischen Bürgerschaft exakt dessen Sicherheitspolitik zurückhaben möchte. Denn diese, so scheint es, werde derzeit in der Pandemie von den Fünfsternen und den roten Neo-Sozialisten der PD, Partito Democratico, nur gegen die eigene Bevölkerung angewandt, während immer noch Boote und Schiffe gen Italien unterwegs sind, um meist junger Maghrebiner und Männer aus Subsahara, an Land zu bringen, die sich später weder an die Ausgangsregelungen noch an Wohnsitzauflagen halten und denen kaum noch beizukommen ist.

Es scheint auch immer mehr so, als klammere sich diese Regierung ähnlich der in Deutschland (die Italiener orientieren sich ja sowieso an Deutschland) auch Dank der in der Not erlassenen Gesetze an die Macht. Das Volk murrt und die Pandemie ist das Instrument der Machthaber.

Jedenfalls sollten sich also Conte und Toninelli vor dem Regionalgericht in Catania treffen, um darüber auszusagen, was und wie es denn damals gewesen sei im Fall „Gregoretti“ oder auch später mit dem Spanischen NGO Schiff, der Open Arms.

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Giuseppe Conte, der einst so smarte und auch von Salvini ins Amt gehobene Premier, wirkt nun eher wie ein Advokat der deutschbestimmten EU, devot und aalglatt, ist um sein Ansehen in Brüssel sehr bemüht. Ein Premierminister vor Gericht? Sich womöglich noch in Lügen oder auch nur Falschaussagen verwickelnd? Das wäre ja desaströs. Dann schon lieber ablenken auf die Pandemie und das anhaltende Infektions- und Notstandsgesetz wegen des grassierenden und tödlichen Virus‘. Nein, er, Conte, könne ganz sicher nicht vor Ort erscheinen und aussagen.

Danilo Toninelli wiederum, ein an sich intelligenter sowie eloquenter Lombarde wie Salvini, erschien zwar vor Gericht, war aber ganz plötzlich von einer Art schwerem Gedächtnisverlusts befallen.

Gefühlt fünfzig Mal, die Medien zählten mit und der mediale Shitstorm brach danach aus, meinte Toninelli, er könne sich nicht mehr „erinnern“, und schob die Schuld allein auf dessen ehemaligen Kompagnon, Regierungsfreund Salvini. Obwohl sich beide über alle Vorgehensweisen abgesprochen hatten. Die Anwältin Giulia Bongiorno, Verteidigerin von Salvini meinte, das sei also der Mann (Toninelli), der sich aktiv auf Facebook und anderen sozialen Medien als Verteidiger von Italiens Grenzen ausgab? Ja, an der Seite des Innenministers Salvini, konnte man anno 2019 noch Punkte sammeln.

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Derzeit schrumpft das Ansehen der Fünfsterne weiter und weiter, die einst aus Wut gegen das in ihren Augen verkommene Parteien-Establishment gegründet wurden. Mit einem lauten ‚Va fan culo …‘, das ihnen momentan von Menschen und allen Seiten nur so um die Ohren fliegt. Es sei angemerkt, die Cinque Stelle waren es auch, die zum Beispiel für Ursula von der Leyen im EU-Parlament stimmten, obwohl Matteo Salvini mit seiner Lega und den Souveränisten gerade 34% bei der Europawahl 2019 geholt hatten. Das war dann auch für Salvini zu viel, er verließ die Koalition ja etwas später (Alles auch im Buch des Autors beschrieben, und bei TE erhältlich, „Reizfigur Salvini“).

Ein anderer ganz großer Freund von ‚Orso-la‘ (angelehnt an Bärin) von der Leyen, der in die EU hinein gelobten Kommissionspräsidentin, ist Giusepppe Conte. Dieser „Giuseppi“ (ein Versprecher von Trump, in Italien nun despektierlich genutzt) hört aber auch darauf, was Angela Merkel sagt und meint. Conte jedenfalls, so denken nicht wenige Italiener, regiere derzeit quasi nur noch aus dem Bunker und nur noch mit Maßnahmen – gegen das Volk, und Hilfsgelder fließen immer noch nur spärlich.

Was also geschieht? Natürlich muss auch ‚Giuseppi‘ Conte noch aussagen.

Der Premier wird nicht in Catania antreten. Nein, Catania und die Richter kommen nach Rom, an den Regierungssitz, dem Palazzo Chigi.

Am 28. Januar 2021, werde der „Regierungssitz Palazzo Chigi also in einen Bunker verwandelt… “, resümierte Salvini auch gegenüber der Zeitung Il Giornale trocken ironisch. Es sei Contes Wahl, fügte der Legachef hinzu. Ob dies aber auch eine gute sei, ließ er offen.


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