Es war eine erstaunlich gute Woche für Giorgia Melonis Migrationspolitik. Da war zuerst das Aufgeben der NGO „Ärzte ohne Grenzen“, was bestätigte, dass sich ihre Maßnahmen auszahlten. Dann schmiedete die italienische Premierministerin am Donnerstag beim EU-Gipfel eine Allianz der Willigen bei der Abschiebungsfrage; angeführt von ihr, sowie Mette Frederiksen aus Dänemark und Dick Schoof aus den Niederlanden – Zypern, Tschechien, Griechenland, Ungarn und Schweden stießen dazu.
Am Freitag, dann die vermutlich wichtigste Nachricht: Freispruch für Ex-Innenminister Matteo Salvini. Ihm waren Amtsmissbrauch und Entführung für seine rigide Migrationspolitik im Sommer 2019 vorgeworfen worden, als er das NGO-Schiff „Open Arms“ nicht hatte anlegen lassen. 6 Jahre Haft hatte die Staatsanwaltschaft gefordert.
Salvinis Triumph ist eine Niederlage für die NGOs; eine Niederlage für die linke Justiz, die Recht machen will, statt es durchzusetzen; und eine Niederlage für diejenigen, die behaupten, dass eine Politik, die sich dem Schutz der Grenzen widmet, rechtswidrig sei.
Für Meloni ist das ein Aufschlag. Denn ihr Albanien-Projekt ist damit wieder aktuell. Anders, als es manche Medien dargestellt haben, ist es nicht gescheitert; es geht lediglich darum, ob einige Herkunftsländer von Migranten sicher sind oder nicht. Die Richter, die den Plan torpedierten, Migranten nach Albanien zu bringen und dort über deren Asylanträge zu entscheiden, haben das „Albanien-Modell“ also nicht zum Einsturz gebracht.
Bereits im November hatte Italien deswegen Migranten auf die andere Seite der Adria gebracht, trotz Gerichtsbeschluss. Die Ministerpräsidentin hatte nach dem Entscheid kurzerhand entschieden, dass die Erstellung der Liste von sicheren Herkunftsstaaten von nun an in ihrem Amt entscheiden werde.
Der Fall Salvini ist deswegen so wichtig, weil er bestätigt, dass der italienische Staat bei der Durchsetzung seiner Verpflichtungen einen größeren Spielraum hat, als man bisher zugestehen wollte. Und während zu Salvinis Zeiten Brüssel im Clinch mit Rom lag, und jeder Vorstoß skeptisch beäugt wurde, hat sich Meloni so unerlässlich gemacht, dass sie mit Ursula von der Leyens Segen agieren kann, wie es den italienischen Regierungen zuvor nur wenig gegönnt war.
Es gibt in der Albanien-Frage daher gleich zwei Punkte. Der erste besteht daraus, dass sich Italien auf rechtlichem Fundament befindet, und die Querschüsse demnach politisch und nicht juristisch motiviert sind. Sinngemäß erklärte Meloni: Die Richter können in Einzelfällen entscheiden; sie können aber mit Einzelfallentscheidungen nicht die Migrationspolitik als Ganzes bestimmen.
Der zweite Punkt betrifft die EU. Gleich mehrere Länder haben ein Interesse daran, dass Meloni mit ihrer Hotspot-Idee einen Präzedenzfall setzt. Nicht nur Ungarn und die Slowakei haben in der Vergangenheit für solche Asylzentren außerhalb der EU plädiert. Hotspots gibt es zwar bereits, jedoch häufig an der EU-Grenze oder in Zentren in EU-Mitgliedsländern. Auch Meloni eher misstrauisch gesonnene Regierungen, wie die von Emmanuel Macron, sind an den Ergebnissen einer solchen Strategie interessiert. Angeblich soll ein dutzend EU-Staaten mit dem Albanien-Modell liebäugeln, so die Tageszeitung Giornale.
Im Grunde hat die EU-Kommissionspräsidentin der italienischen Ministerpräsidentin mehrere Signale gesendet, dass die EU das Albanien-Modell austesten möchte. Das muss aber nichts heißen angesichts juristischer Entscheidungen, wie sie bereits in der Vergangenheit geschehen sind. So steht das Urteil des EuGH noch aus. Meloni beruft sich jedoch auf das Urteil des Kassationsgerichtshofs, das ihr freie Hand bei der Bestimmung von sicheren Herkunftsländern einräumt.
Meloni scheint sich ihrer Sache so sicher zu sein, dass sie wie im November Fakten schafft. Ab der zweiten Januarwoche sollen italienische Schiffe wieder Migranten nach Shëngjin und Gjadër bringen. Es geht um 2025 Migranten. Meloni erklärte bereits letzte Woche, dass, sollte der EuGH das Albanien-Modell verhindern, dann „würde das die Gefahr einer Beeinträchtigung der Rückführungspolitik aller Mitgliedsstaaten bedeuten“, zumindest bis zur vollständigen Umsetzung der Asylvorschriften im Jahr 2026.
Meloni hat dabei irreguläre Migration auch als von Russland gewollte Unterminierung europäischer Stabilität „geframed“ – und damit ein geschicktes Narrativ gewoben, gegen das auch Brüssel schwer gegenargumentieren kann.