Eigentlich hätte das Journalisten neugierig machen müssen. Wie fliegt ein israelischer Ministerpräsident begleitet von seinem Geheimdienstchef und seinem Nationalen Sicherheitsberater mindestens zwei Stunden durch den feindlichen arabischen Luftraum? So geschehen am vergangenen Donnerstag, als Benyamin Netanyahu auf dem Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv startete und tags darauf am Freitag von Omans Hauptstadt Maskat wohlbehalten zurückkehrte – rechtzeitig vor Beginn des jüdischen Shabat, der vorgeschriebenen 26stündigen Wochenendruhe.
Keine alltägliche Reise. Israels Ministerpräsident und sein Land stehen auf der Abschussliste von Millionen extremistischen Moslems, angeführt von den Ayatollahs im Iran, unterstützt von Terrororganisationen wie Hamas, Hezbollah und Islamic Jihad. Sultan Quabus ist der auf Lebenszeit selbst ernannte absolutistische Herrscher des ölreichen Sultanats Oman, immerhin Mitglied des Golfrates (GCC), dem Saudi-Arabien, Kuwait, Bahrain, Quatar und UAE angehören,
allesamt keine natürlichen Freunde des drei Flugstunden entfernten Israel.
Die alte politische Faustregel, der Feind meines Feindes könnte mein Freund werden, hat die beiden gegensätzlichen Kontrahenten zusammengeführt. Vor einem Viertel Jahrhundert besuchten bereits Israels führende Politiker Itzchak Rabin und Shimon Peres den fortschrittlichsten aller GCC-Herrscher, aber seither sind viele Wüstenstürme über die Region gefegt. Seit dem Frühjahr 2015 wird der Jemen, der südliche Nachbarstaat Omans, der zweitgrößte Staat der arabischen Halbinsel mit über 25 Millionen Einwohnern von einem rücksichtslosen Bürgerkrieg heimgesucht. Dabei unterstützt Saudi-Arabien die geschwächte Hadi-Regierung in der Hauptstadt Sanaa gegen die vom Iran bewaffneten und finanzierten Huthi-Rebellen. Das vorläufige Ergebnis: tausende von Toten, über zwei Millionen Flüchtlinge, Zerstörung und eine Hungersnot von unvorstellbarem Ausmaß. Die Leidtragenden wie immer: Kinder und Alte. Aussicht auf friedliche Besserung: sehr gering.
Der Sultan im Oman ist kein aktives Mitglied in der blutigen Auseinandersetzung im Jemen, aber unzweifelhaft ein unterstützender Partner im Golfrat, der nach der Revolution im Iran und der Machtübernahme durch die shiitischen Ayatollahs 1981 gegründet wurde. Die mehrheitlichen Sunniten haben sich damals zusammengeschlossen und bieten seither Teheran die Stirn. Oman, wasserarm und von den ölreichsten der Ärmste in der Region, lavierte sich klug durch alle Krisen und Kriege der letzten Jahrzehnte. Sultan Quabus investiert lieber in sein Sultanat und machte es laut UN-Berichten zum erfolgreichsten Land in der Region. Der Analphabetismus ist fast besiegt, das Royal Opera House in Maskat war bis vor kurzem ein Unikat in der arabischen Welt, die Maskat Hochschulen pflegen schon seit langem enge Beziehungen zur westlichen Welt und der Sultan berief schon 1990 eine Frau in den machtlosen Ministerrat. Der gesichtsverhüllende Schleier ist im Oman eher Seltenheit.
Und was hat das alles mit Israel zu tun? Der Sultan beobachtet scharfsinning, wie sich der Judenstaat seit 70 Jahren erfolgreich gegen eine arabische Übermacht verteidigt und sucht kontinuierlich die Nähe zu Tel Aviv und Jerusalem, ohne seine muslimischen Nachbarn und Partner zu verprellen. Im Jahr 2000 hat er seine Beziehungen zum Judenstaat wegen der aufkommenden Intifada offiziell unterbrochen, aber nie ganz abkühlen lassen. Irans Streben nach einer shiitischen Vormachtstellung im Nahen und Mittleren Osten hat ihn dazu veranlasst, die Fühler nach Israel wieder verstärkt auszustrecken. Klugerweise hat der Sultan wenige Tage vor dem Eintreffen Netanyahus unbestätigten Meldungen zufolge den PLO-Vorsitzenden Mahmud Abbas aus Ramallah empfangen. Damit will er den Eindruck erwecken, er könnte als Friedensvermittler wirken.
In der arabischen Welt sind Signale manchmal wichtiger als Fakten. Das weiß auch Netanyahu und hat mit seinem Besuch in Maskat dem Feind in Teheran unmissverständlich signalisiert: wir haben gute Beziehungen zu den muslimischen Nachbarn auf der anderen Seite des Persischen Golfes, den die GCC-Staaten arabisches Meer nennen. Der israelische Ministerpräsident hat aber auch Fakten zu bieten. Es hat sich bis nach Maskat herumgesprochen, dass Israel in der Welt der Digitalisierung, bei der sicheren Nutzung des internets, in der Entwicklung der Technologie von Morgen für alle Lebens- und Geschäftsbereiche von Gesundheit über Landwirtschaft bis zur Trinkwassergewinnung und der Kommunikation zu den führenden Adressen gehört. Allein in den letzten fünf Jahren haben Industriefirmen aus aller Welt 45 Milliarden US-Dollar in israelische start-ups investiert und über 300 Forschungslabors eingerichtet. Dem Oman und seinen reichen Nachbarn ist auch nicht entgangen dass Israel mit „Iron Dome“ die weltweit einzige erfolgreiche Raketen-Abwehr praktiziert. Die dafür notwendigen Algorithmen sind im Großraum Tel Aviv geschrieben worden. Die Tatsache, dass in Netanyahus Privatmaschine der israelische Geheimdienstchef und der Nationale Sicherheitsberater saßen, legt die Vermutung nahe, dass Omans Einladung an Netanyahu ein ernster Versuch ist, an Israels Sicherheitsfrüchten teilzuhaben.
Der Golfrat ist ein Zusammenschluß von 45 Millionen Arabern, die über 30 Prozent der weltweiten Ölvorkommen verfügen. Wenn es aber um Fragen der Sicherheit und Verteidigung geht, agiert jedes Mitglied gerne eigenständig. Die gemeinsame militärische Eingreiftruppe mit 5.000 Soldaten hat wohl eher symbolischen Charakter.
Israel unterhält seit langem direkte Beziehungen zu Mitgliedern des Golfrates, allen voran zu dem volk- und ölreichsten Staat in der Region, Saudi-Arabien. Die Beziehungen, geprägt durch den gemeinsamen Feind Iran haben durch die Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi in der Botschaft Riads in der Türkei Schaden genommen. Der weltweite Aufschrei in Richtung des saudischen Kronprinzen Muhammad Bin Salman hat einen berechtigten Anlass. Dennoch steht der Fall in keinem Verhältnis zu den fortlaufenden kriminellen Handlungen Teherans, die laut UN Watch seit Jahren täglich durchschnittlich zwei bis drei Regime-Kritiker und Oppositionelle ohne rechtstaatliche Gerichtsverfahren teilweise öffentlich hinrichten.
Oman könnte zumindest vorübergehend eine Lücke füllen und sich als Brückenbauer zwischen Israel und den GCC-Mitgliedern gerieren. Jedenfalls ist sichtbar positive Bewegung in die jahrzehntelange Feindschaft zwischen Israel und seinen entfernter gelegenen Nachbarn gekommen, die der regionalen Ordnungsmacht Israel, unterstützt durch die Wertegemeinschaft mit den USA, neuen Schwung verleiht. Bleibt abzuwarten, ob sich diese Entwicklung auch bis nach Brüssel und Berlin herumspricht.