Es hätte die Bundeshauptstadt geschmückt, wenn die Friedens- und Sicherheits-Konferenz zu Nahost in diesen Tagen nicht in Warschau, sondern in Berlin stattgefunden hätte. Aber dafür hätte das außenpolitische Fadenkreuz der Bundesregierung, eingebettet in abendländische Werte, neu justiert werden müssen. Die zentrale Frage, die über dieser Konferenz schwebt, lautet: wer ist die größere Gefahr für den Frieden in Nahost – Israel oder Iran?
Springen wir kurz zurück in die 30er-Jahre. Können wir uns vorstellen, dass es damals auch nur den Ansatz einer Diskussion gegeben hätte, ob Nazi-Deutschland oder Großbritannien eine größere Gefahr für den Frieden sei? Der Vergleich ist erlaubt, denn Nazi-Deutschland war damals für das Vereinigte Königreich, was der Iran heute für den Nahen und Mittleren Osten ist. Und zwar völlig unabhängig davon, wie Israel bewertet wird. Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrein haben in Warschau Teheran schärfer kritisiert als der nicht gerade zurückhaltende Ministerpräsident Israels.
Wer ist die größere Gefahr in Syrien und Jemen? Israel oder der Iran? Die Antwort darauf kann und darf sich hinter keiner diplomatischen Floskel verbergen. Der Iran ist der Kriegstreiber in Nahost und Israel verteidigt sich und wurde zur Ordnungsmacht auch im überlebenswichtigen Glacis rund um den Judenstaat. Das begreifen inzwischen auch immer mehr lernfähige arabische Nachbarländer, wie der Reisekalender israelischer Spitzenpolitiker in den letzten Monaten beweist.
Der Platz der Bundesregierung in Warschau, wo immerhin 60 Staaten durch 30 Präsidenten und Aussenminister vertreten waren, hätte in der erste Reihe sein müssen, neben den USA , Israel und osteuropäischen EU-Staaten. Umso mehr als sich Berlin weltweit um den Frieden, um Millionen von „Flüchtlingen”, um das Klima, um das Abschmelzen der Pole und um die Sauberkeit der Weltmeere sorgt und dafür Milliarden an Steuergeldern verteilt. Aber dort, wo die Bundesregierung eine historische Verantwortung trägt, sich als bester Freund Israels in Europa geriert, die Sicherheit Israels als deutsche Staatsräson unermüdlich propagiert, stellen wir eine fast schamhafte Zurückhaltung und widersprüchliche Aktivitäten fest.
Statt des Außenministers sitzt ein untergeordneter Stellvertreter, Staatsminister Niels Annen, am Tisch in Warschau. Ausgerechnet der Mann, der vor wenigen Tagen am Berliner Botschafts-Empfang des Teheraner Terror-Regimes zum 40jährigen Jubiläum der iranischen Revolution kritiklos teilnahm. Heiko Maas ließ es sich dagegen wenige Tage zuvor nicht nehmen, nach Bukarest zu reisen, um gemeinsam mit Frankreich und Großbritannien eine INSTEX zu gründen, die Iran einen Zahlungskanal vorbei an den internationalen Banken eröffnet. Damit wird Teheran die Möglichkeit gegeben, den Wirtschaftsboykott der USA zu umgehen. Es gab einmal eine Zeit im Auswärtigen Amt, da galt der unumstößliche Grundsatz: die Wirtschaft folgt der Fahne. Und: Schwarz-Rot-Gold hat sich seit der Wiedergründung dem Frieden in Freiheit verschrieben.
Die Fakten liegen für jeden sichtbar auf der Hand: „UN Watch“ hat sie zum Weihnachtsfest 2018 wieder einmal veröffentlicht:
- Der Iran vollstreckt kontinuierlich weltweit pro-Kopf gerechnet die meisten Todesurteile
- Kinder sind von Exekutionen nicht ausgeschlossen, mindestens 9 in den letzten zwei Jahren
- „Wegen Feindschaft gegen Gott“ sind 2016 25 Sunniten hingerichtet worden.
- Iran wurde mit 84 zu 30 Stimmen wegen Verfolgung und Unterdrückung ethnischer Minderheiten wie Araber, Baluchis, Kurden, Azeris, Anhänger der Bahais, konvertierte Christen, sunnitische Muslime, Sufi-Muslime und Yarasanis verurteilt.
„Reporter ohne Grenzen“ haben wenige Tage vor der Warschau-Konferenz eine Studie veröffentlicht, die auch von der exil-iranischen Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi unterstützt wird. Darin heißt es: „Mit Hilfe dieser Datei können wir endlich nachweisen, dass das iranische Regime über Jahrzehnte die Weltöffentlichkeit belogen hat. Wir wissen jetzt, dass es hunderte Journalisten und tausende politische Gefangene inhaftiert und viele von ihnen gefoltert und ermordet hat. Über Jahrzehnte hat die iranische Regierung sie auf perfide und unbarmherzige Weise für ihre Überzeugungen oder ihre unabhängige Berichterstattung verfolgt“.
Die regelmäßigen Freitags-Aufrufe in iranischen Moscheen zur Auslöschung des Staates Israel sollen hier nicht unerwähnt bleiben.
Die aktuelle Reaktion aus Berlin: ein Landeverbot für die iranische Fluggesellschaft MAHAN, die vier Flüge pro Woche in Düsseldorf und München auf ihrem Programm hat. Und selbst diese läppische Maßnahme kam nur durch Druck der USA auf das Bundeskanzleramt zustande.
Was ist geschehen seit Konrad Adenauer, Ludwig Erhard, Helmut Kohl und selbst Gerhard Schröder, dass eine CDU/CSU-geführte Bundesregierung eine kontra-USA-Politik betreibt, von der die Linke bis in die 90er Jahre nur träumen durfte? Was geht da vor sich, dass ein Bundesaußenminister einen Modeberater hat, der ihn mitunter einkleidet, als ginge es um einen Auftritt beim SHOPPING-QUEEN -Wettbewerb?
Niemand im Auswärtigen lässt aber sichtbar Warnsignale aufleuchten, niemand in der CDU/CSU – (Ausnahme: CDU-MdB Johann Wadephul) – erhebt hörbar seine Stimme gegen eine Nahost- und USA- Politik ohne jeden Realitätsbezug, losgelöst von einer durchaus erfolgreichen deutschen Nachkriegsgeschichte.
Wenn es wenigstens Sinn machen würde und einen finanziellen Vorteil brächte. Die Wirtschaft wird sich erklärtermaßen hüten, INSTEX zu nutzen. Das große Geschäft der deutschen Industrie läuft noch immer mit den USA.
Was geht in den Köpfen der Bundesregierung vor? Der Koalitionsausschuss in dieser Woche hat dazu keine Stellungnahme veröffentlicht. Die Rechnung, bevorstehende Wahlkämpfe in EU-Europa und in vier Bundesländern durch Schweigen bestehen zu wollen, wird 2019 auf den Tisch kommen. Eher unwahrscheinlich, dass durch Stummheit und mediale Ablenkungsmanöver die Ex-Volksparteien ihr (Stimm-)Volk zurückgewinnen.