Tichys Einblick
Bildungs-Kluft als tiefere Ursache

Hunderte Raketen auf Tel Aviv – Hightech-Land vs. fast mittelalterliche Strukturen

Hamas will die Oberhand in der Westbank gewinnen, den längst amtsmüden Fatah-Führer Abu Mazen aufs Altenteil schicken und so mit Hamas-Kräften näher ans Geschehen in Jerusalem rücken. Israel muss und wird alles tun, dieses Bestreben zu verhindern.

IMAGO/Zuma Wire

Noch vor wenigen Tagen war die Beteiligung israelischer Araber an einer Regierung in Jerusalem realistisch. In den letzten 24 Stunden jedoch kam es zu Straßenkämpfen zwischen Juden und Arabern auch in der israelischen Stadt Lod unweit von Tel Aviv. Nirgendwo können verheerende Folgen falscher politischer Entscheidungen so unmittelbar beobachtet werden wie in Israel. Noch gibt es ein Leben mitten im Krieg.

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Ich wohne 13 Kilometer nördlich vom Stadtzentrum Tel Aviv entfernt und konnte zum ersten Mal am Nachthimmel des Nahen Ostens den Unterschied zwischen einem hochmodernen High-Tech-Staat und einer rückwärtsgewandten Macht mit fast mittelalterlichen Strukturen beobachten. Israels Algorithmen, IRON DOME genannt, holten Raketen zielsicher vom Himmel. Wir hörten mehrmals den dumpfen Knall, es blitzte kurz auf – und vorbei war es. Eine geradezu unheimliche Leistung der israelischen Technologie des 21. Jahrhunderts, aber leider keine langfristige Lösung der Nahost-Probleme. Denn jede Technologie hat Ausfälle und Mängel und so primitiv die Raketen aus Gaza sein mögen, einige bringen noch immer Tod und Verderben auch in hochzivilisierte Regionen. Letzte Nacht im Zentrum Israels in einer sternenklaren Nacht erlebbar.

Die Bildungs-Kluft zwischen den Menschen in der Region ist die Ursache. Sie zu schließen ist die schier unlösbare Aufgabe. In Israel wächst der Bildungsgrad kontinuierlich an neun Universitäten, Dutzenden von Fachhochschulen und Ausbildungseinrichtungen der Israel Defence Forces. Zugänglich ist höhere Bildung aber nur für einen geringen Teil der Bevölkerung verfügbar:
• es fehlt an der Finanzierung,
• weite Teile der Bevölkerung lehnen moderne Bildung aus religiösen Gründen ab,
• nicht alle Menschen sind für eine höhere Bildung befähigt. Denn Menschen sind nicht gleich, lassen sich auch nicht gleichmachen.

Und dann gibt es noch die unterschiedlichen Geschäftsmodelle. Israels Technologie lockt auch in Pandemiezeiten enorme Investitionen ins Land. 1. Quartal 2021: 5,37 Milliarden US-Dollar in Start-ups, 89 Prozent mehr als im letzten Quartal 2020. (Quelle IVC Research Center)

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Geschäftsmodell Nr.2: Werfe möglichst viele Raketen auf Israel, unterstütze in der Region Terror und Unruhen. Dann zahlen Gutmensch-Gesteuerte mit einem anerzogenen schlechten Gewissen hunderte Millionen US-Dollar jährlich in vermeintlich soziale Kassen, die die Täter fürstlich entlohnen und todbringendes Material ausreichend finanzieren. Und die Zahler sind auch noch stolz darauf. Die Kluft zwischen beiden Geschäftsmodellen bildet den Hintergrund aller Nahost-Politik in mindestens den letzten fünf Dekaden.

Was ist der Unterschied zwischen dem Englischen Garten in München und dem Damaskus-Tor in Jerusalem? In beiden Fällen wird Gewalt gegen Polizei und Sicherheitskräfte angewandt. Die Anlässe sind verhältnismäßig banal, dennoch ernst zu nehmen. Die Auswirkungen sind unübersehbar.

Laut Presseberichten (BILD München) hat ein 16jähriger irakisch-stämmiger Junge im Englischen Garten in München eine 14-Jährige begrapscht. Daraufhin kam es zu tätlichen Auseinandersetzungen. Die Polizei griff ein, wurde aber von der Menschenmenge nicht etwa willkommen geheißen oder gar unterstützt. Es flogen Fäuste und Flaschen. 19 Beamte wurden verletzt, die Polizei meldet: „Sechs Personen wurden festgenommen. Wir ermitteln wegen Körperverletzung, Widerstand und tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte und Landfriedensbruch.“ Bayerns Innenminister Herrmann findet markige Worte: „Die Ausschreitungen im Englischen Garten und die Gewaltbereitschaft gegen Polizeibeamte machen mich fassungslos. Es ist erschreckend und völlig inakzeptabel, dass diejenigen, die uns schützen, selbst verletzt werden. Das dürfen und werden wir nicht dulden.“ Wenn ein israelischer Politiker die gleiche Aussage trifft, wird er zumindest missverstanden.

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Beispiel: Zur gleichen Zeit meldet die internationale Presse Unruhen in Jerusalem ausgehend vom Damaskus-Tor, das eines der Zugänge zur 3.000-jährigen Altstadt bildet. In dieser Gegend gibt es weniger minderjährige Grapscher, dafür umso mehr verhetzte, terroristische Akteure, die 73 Jahre nach der Gründung Israels und 54 Jahre nach der Wiedervereinigung Jerusalems immer noch nicht begriffen haben, dass mit Gewalt nichts, aber auch gar nichts Vernünftiges zu erreichen ist. Daran ändert auch die Eskalation mit über 1.000 Raketen innerhalb von 24 Stunden, abgefeuert aus Gaza in Richtung Israel, nichts.

Die terroristischen Akteure in Gaza und Ramallah benötigen die TV-Bilder. Damit wird wieder frisches Geld in dreistelliger Millionenhöhe jährlich zum Beispiel in Brüssel und Berlin für terroristische Zündler in Gaza und Ramallah locker gemacht. Solange Schein-Außenminister Heiko Maas die verbale Äquidistanz zu Jerusalem und Gaza pflegt, wird sich daran nichts ändern. Sein Aufruf zur Mäßigung an beide Seiten ist eine Verhöhnung der Opfer und Zeichen seiner absurden Geschichtslosigkeit. Daran ändert auch sein verspäteter Aufruf zum Bombenstopp aus Gaza nichts.

In jeder Bibliothek in fast allen gängigen Sprachen ist es nachzulesen: Der explizite Auftrag an Großbritannien durch den Völkerbund 1920 war es, dass im gesamten Mandatsgebiet Palästina, Gaza und Transjordanien ein jüdischer Staat entstehen sollte. Großbritannien trennte fast 80 Prozent des Mandatsgebietes ab, übergab es der Haschemiten-Dynastie aus Saudi-Arabien, die dort völkerrechtswidrig Jordanien gründete. Der Landraub am künftigen Staat Israel ging weiter, als Jordaniens Armee 1948 trotz einer eindeutigen UN-Entscheidung Judäa, Samaria und Ostjerusalem eroberte und die gesamte jüdische Bevölkerung vertrieb.

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Erst als Israel im 6-Tag-Krieg 1967 einen weiteren Angriff der arabischen Armeen zurückschlagen konnte, wurden Judäa, Samaria und Jerusalem von der Besetzung durch Jordanien befreit. Seither gibt es kein „Ost-Jerusalem“ als halbstaatliches Gebilde mehr, sondern allenfalls einen östlichen Stadtteil in Jerusalem, der vorwiegend von Arabern bewohnt wird, die sich seit den 60er Jahren Palästinenser nennen. Bis dahin gibt es kein einziges international anerkanntes Dokument, das von arabisch-stämmigen Palästinensern spricht.

Die arabischen Besatzer haben zwischen 1948 und 1967 den Jahrhunderte alten jüdischen Stadtteil Jerusalems „Shimon Hatzadik“ in „Scheich Dscharrah“ umbenannt und gegen geltendes Recht konfisziert, die jüdischen Bewohner vertrieben. Für Shimon Hatzadik gibt es zwei unumstössliche Quellen: Er lebte zur Zeit des Zweiten Tempels und wird im Talmud und vom jüdisch-römischen Geschichtsschreiber Titus Flavius Josephus als geistiger Führer detailliert erwähnt. Jahrhunderte bevor der Islam gegründet wurde.

Damit hat Israel das Recht auf Restitution, ebenso wie Juden ihr Recht auf Rückgabe von Immobilien und langfristigen Wertsachen nach der Nazi-Zeit zugesprochen bekamen und ausübten. Ob es klug ist, jetzt in einer aufgeheizten Stimmung dieses Recht auszuüben, steht auf einem anderen Blatt. Die Tatsache, dass es unter Juden im heutigen Israel zahlreiche machtvolle Vertreter gibt, die zeigen wollen, wer Herr im Hause Jerusalem ist, erleichtert die Lösung aktueller Probleme nicht.

Solange die vorwiegend jugendlichen Täter – inzwischen in der dritten Generation – von ihren Rädelsführern in Ramallah und Gaza, sei es Fatah oder Hamas, bildungsfern gehalten werden, sind Friedensversuche aller Art zum Scheitern verurteilt. Die in finsteren Bildungslöchern gehaltenen zahlreichen Jugendlichen ohne Zukunftsaussichten werden rücksichtslos als Werkzeug für ein Geschäftsmodell missbraucht, das seit Jahrzehnten funktioniert, weil Organisationen wie z. B. UNWRA und EU viel Geld, letztere allein 600 Millionen Euro jährlich, an palästinensische Schein-Organisationen überweisen, die vorgeben, einen palästinensischen Staat aufbauen zu wollen. Eine unrealistische Behauptung, die seit einem halben Jahrhundert immer mehr an Substanz verliert. Die ganze Welt weiß und beobachtet es seit Jahrzehnten täglich: Steuergelder aus Europa, USA und aus den begüterten arabischen Bruderländern kommen nicht den notleidenden Menschen zugute, sondern vorwiegend Terror-Unterstützern.

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Welches Problem sollte zuerst gelöst werden? Der Terrororganisation Hamas muss der Schneid abgekauft werden. Darauf bereitet sich Israel jetzt vor. Hamas will die Oberhand in der Westbank gewinnen, den längst amtsmüden Fatah-Führer Abu Mazen (85) bestenfalls aufs Altenteil schicken und so mit Hamas-Kräften näher ans Geschehen in Jerusalem rücken. Israel muss und wird alles tun, dieses Bestreben zu verhindern.

Und wichtig ist zu beobachten, was in Nahost bisher nicht geschehen ist: Der Libanon mit einer starken Hisbollah-Fraktion, die ebenso wie Hamas vom Iran unterstützt wird, verfügt über Tausende von Raketen, hält aber bisher still. Ein Zwei-Fronten-Krieg mit Unruhen in der Westbank und in arabischen Städten innerhalb Israels wäre für den jungen Judenstaat der absolute GAU, dann wäre Krieg mitten im nahöstlichen Leben.


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