Tichys Einblick
Gaza-Krieg

Israel evakuiert Waisenkinder aus dem Gazastreifen

Israel hat in seiner Geschichte immer wieder Krieg führen müssen. Der Krieg gegen die Terroristen in Gaza zählt bereits jetzt zu den schwersten. Die humanitäre Frage stellt sich dabei immer wieder neu - etwa bei den 68 evakuierten palästinensischen Kindern.

IMAGO

Israel kämpft im Gazakrieg einen Kampf, der zu den schwersten seiner Geschichte zählt. Im Unabhängigkeitskrieg war das Land mit einer Invasion von allen Nachbararmeen und weiteren Soldaten konfrontiert, im Sechs-Tage-Krieg kämpfte es gleichzeitig an drei Fronten, im Jom-Kippur-Krieg wurde es an seinem höchsten Feiertag von einem Überfall Syriens und Ägyptens überrascht. Nun sieht sich der jüdische Staat mit einer Terrorgruppe auf einem winzigen Territorium konfrontiert, die zwar international aufgerüstet und finanziert wird, aber weder über Panzer, noch über Kampfjets noch über eine große Zahl steuerbarer Raketen verfügt.

Und trotzdem dauert dieser Krieg jetzt schon mehr als fünf Monate; ein Ende ist nicht in Sicht. Das liegt vor allem an der Asymmetrie der Auseinandersetzung. Eine Armee steht einer Terrormiliz gegenüber, die Guerilla-Techniken anwendet, sich ohne Rücksicht auf Verluste mitten in der Zivilbevölkerung verschanzt und dabei keinerlei Rücksicht auf irgendwelche Regeln der Kriegsführung nimmt.

Den Krieg gegen die Terroristen kann Israel dabei zwar gewinnen, nicht aber den um die internationalen Sympathien. Denn an den jüdischen Staat werden moralische Maßstäbe angelegt, die an die Hamas von vornherein nicht gestellt werden und für die sich die Terroristen auch gar nicht interessieren. Daher ist Israel permanent gezwungen, auf einem extrem schmalen Pfad zu wandeln: den humanitären Anspruch zu erfüllen, ohne aber dadurch den Kriegszielen und der eigenen Bevölkerung Schaden zuzufügen.

Gibt es da überhaupt den einen, „moralisch“ richtigen Weg, wie uns westliche Politiker weismachen wollen, wenn sie Israel in Permanenz zu mehr humanitären Gesten mahnen. Ein Beispiel: Am Montag wurde bekannt, dass Israel die Ausreise von 68 palästinensischen Kindern aus dem Gazastreifen ermöglicht hat. Sie wurden aus einem SOS Kinderdorf in Rafah, an der Grenze zu Ägypten, evakuiert. Die israelische Armee will demnächst mit einer umfassenden Bodenoperation in Rafah einrücken. Mit den Kindern reisten elf Angestellte und deren Familien aus. Alle sollten nach Bethlehem im Westjordanland gebracht werden. Laut der Online-Plattform Mako setzte die israelische Armee „starke Kräfte“ ein, um die Fahrt der Busse durch Israel zu sichern.

Die Aktion ging maßgeblich auf Betreiben Deutschlands zurück: „Wir sind erleichtert, dass unsere Bemühungen erfolgreich waren“, teilte die deutsche Botschaft in Tel Aviv anschließend mit. In Israel war der Vorgang lange unbekannt geblieben: Premierminister Benjamin Netanjahu ermöglichte die humanitäre Aktion am Kabinett vorbei – andernfalls wäre sie wegen des zu erwartenden Gegenwinds womöglich komplett geplatzt. Das zeigt, wie weit der Regierungschef bereit ist zu gehen, um den Krieg humanitär abzufedern und Staaten wie Deutschland zu besänftigen.

Doch war die Entscheidung wirklich richtig? Gut ist ohne Zweifel, dass so viele Kinder gerettet werden konnten. Mehrere israelische Medien betonten aber zu Recht, dass sich Israel auf diese humanitäre Geste „ohne eine Gegenleistung“ der Hamas eingelassen habe: „Die Hamas ist nicht bereit, uns auch nur Namen und Zahlen der noch lebenden Geiseln zu nennen“, merkte etwa Mako an. Auch zahlreiche Politiker äußerten Kritik: So sprach der rechtsreligiöse Finanzminister Bezalel Smotritsch via X von einem „unmoralischen Befehl“ angesichts der Tatsache dass „unsere Geiseln und deren Kindern immer noch in der Haft des Feindes“ sind.

Ist es wirklich moralisch, die Zivilbevölkerung des Feindes zu retten, während die eigene Zivilbevölkerung noch von diesem Feind in Geiselhaft gehalten wird, höchstwahrscheinlich unter widrigsten Umständen? Ist das richtig? Ist das falsch? Was allerdings außer Frage steht, ist, dass israelische Entscheidungsträger und die israelische Bevölkerung tagtäglich mit diesen äußerst schwierigen Fragen konfrontiert sind. Und dass sie dazu keine hochnäsigen Ratschläge von Politikern brauchen, die weit weg in bequemen Sesseln sitzen, ob in Berlin oder Paris, Brüssel oder Washington.

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