Tichys Einblick
Korruptionsverdacht

Israel: Drei deutsche U-Boote – viele Fragen

Die Begeisterung für die militärische Unterstützung Israels nimmt in Berlin ab. Der Anteil der deutschen Finanzierung für neue israelische U-Boote geht zurück. Der Deal mit Thyssenkrupp wird von Korruptionsverdacht überschattet.

Demonstration in Jerusalem nach Bekanntwerden möglicher Korruption bei U-Boot-Beschaffung, 23. Januar 2022.

IMAGO / ZUMA Wire

Der 20-Uhr-Tagesschau und den folgenden Tagesthemen war es kein Wort wert. Die ZDF-HEUTE-Sendung brachte eine Meldung ohne Bilder, die mehr verschleiert als erklärt. Es geht immerhin um einen nicht alltäglichen Drei-Milliarden-Deal für drei deutsche U-Boote an die israelische Marine. Die Details enthalten jede Menge politischen Sprengstoff.

Israels Ministerpräsident Naftali Bennett bedankte sich diplomatisch-höflich bei seiner „Freundin Angela Merkel und seinem Freund Olaf Scholz“, nachdem die Unterschriften unter das Waffengeschäft in Tel Aviv trocken waren. Aber hinter den Kulissen brodelt es kräftig. Es geht um nicht weniger als um Israels Sicherheit, die bekanntlich „deutsche Staatsräson ist“. Daran hat auch der Neue im Bundeskanzleramt nichts verändert. Zumindest bisher nicht.

Der U-Boot-Deal, der jetzt festgezurrt wurde, geht auf das Jahr 2017 zurück. Allerdings ist der Preis um 1,2 Milliarden auf drei Milliarden Euro gestiegen. Der deutsche Anteil ist allerdings von 33 Prozent auf 20 Prozent gesunken, weil der Rabatt den Mehrkosten nicht folgt. Die Formulierung von der deutschen Staatsräson drückte sich bisher immer noch in Zahlen aus. Berlin finanziert 1/3 der Boote über und unter dem Wasser: vier Korvetten und neun U-Boote. Der erste Vertrag geht noch auf die Ära Helmut Kohl zurück, der die ersten zwei U-Boote als politischen Ausgleich kostenfrei an Israel abwickelte, nachdem bekannt wurde, dass deutsche Firmen Iraks Saddam Hussein mit waffenfähigem Material beliefert hatten, darunter auch verbesserte Zieleinrichtungen. Im zweiten Golfkrieg 1991 flogen 39 Scud-Raketen in Richtung Tel Aviv. Es gab Schäden und Israel hatte Tote zu beklagen.
Aus dieser Zeit stammt auch die Vereinbarung, dass Israel einen 33-Prozent-Nachlass bekommt. Damit ist es jetzt offenbar vorbei.

Israel ist zum Glück auf Almosen nicht mehr angewiesen. Das Pro-Kopf-Einkommen liegt in der oberen Hälfte der OECD-Länder, die Wirtschaft boomt. Auch in Corona-Zeiten. Darum geht es in der Hauptsache auch nicht. Im Bundeskanzleramt und in den Ministerien geben seit Anfang Dezember 2021 SPD-Politiker und Grüne den Ton an, deren Geschichtsbewusstsein grundsätzlich anders gestrickt ist als das von Helmut Kohl und Hans-Dietrich Genscher.

Von „pacta sunt servanda“ haben die Ampel-Politiker allen voran die „Völkerrechtlerin “Annalena Baerbock vermutlich noch nie etwas gehört. Dafür praktizieren sie auch aktuell im köchelnden Russland-Ukraine-Konflikt den sinnfreien Satz: keine Waffen in Kriegsgebiete. Wohin denn sonst, bitte? Die friedvolle Steiermark, das malerische Oberengadin oder auch die verträumte Insel Tonga brauchen weder Raketen noch U-Boote.

Israel muss zum Überleben und zur Abschreckung hochgerüstet sein, weil im Nahen Osten der Lehrsatz gilt: Schaffen die Araber ihre Waffen ab, gibt es Frieden, werfen die Israeli die ihrigen ins Meer, fliegen sie hinterher. Der wohlklingende Satz von einer diplomatischen Lösung geht locker von den Lippen. Problem: er hat die letzten knapp 74 Jahre keine empfangsbereiten Ohren auf der palästinensisch-arabischen Seite gefunden. Gleichgültig von welcher Seite die aktuelle Lage begutachtet wird: der süße Duft eines umfassenden Friedens liegt nicht in der Luft.

Die Mehrkosten für die U-Boote bringen Israel nicht um. Ein Bankrott droht auch nicht. Der Milliarden-Mehrbetrag verteilt sich auch auf fast ein Jahrzehnt. Das erste der drei neuen U-Boote soll 2031 in Israels Marine-Hafen Haifa eintreffen. Aber Jerusalem stellt sich schonmal auf kältere Zeiten ein. Eine lokale Zeitung titelte bereits: Ändert sich der Wind aus Berlin? Israel kann sich keine Träumer leisten. Die Bennet-Regierung kennt ihre „Freunde“ an der Spree. Noch sind die unmittelbaren Geschäftspartner Thyssen-Krupp verlässlich und wohlgelitten. Man kennt und schätzt sich seit Jahrzehnten. Israel weiss auch um seinen Wert als größter Marine-Kunde im Großraum Kiel, der Arbeitsplätze sichert und wertvolles Wissen mitbringt. Thyssen-Krupp und Berlin wissen aber auch, dass es in Asien ebenfalls moderne, leistungsfähige Schiffswerften gibt. Israel verfügt über beste Beziehungen zu Süd-Korea.

Der jüngste Vertragsabschluss ist überschattet vom Verdacht einer Bestechungsaffäre für frühere U-Boot-Käufe. Die Bennett-Regierung hat eine Abstimmung zur Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses um eine Woche verschoben. Die Vertragsunterzeichnung mit Thyssen-Krupp sollte atmosphärisch nicht gestört werden. In diesen Tagen ist es allerdings soweit: das Parlament muss entscheiden, was der Verteidigungsminister Gantz für eine „nationale Notwendigkeit“ hält. Ex-Ministerpräsident und jetziger Oppositionsführer Benjamin Netanyahu ist von den Ermittlungen nicht betroffen. Dafür einige aus seinem Umfeld. Thyssen-Krupp hat der israelischen Staatsanwaltschaft eine umfassende Zusammenarbeit zugesagt.

Ein Passus im neuen Kaufvertrag zeugt von gegenseitigem Respekt. Die deutsche Seite verpflichtet sich, in den nächsten 20 Jahren Elektronik, Software aus der Algorithmen-Schmiede Israel im Wert von 850 Millionen Euro zu erwerben. Eine Klausel, die vor wenigen Jahren noch undenkbar war. Jerusalem und Berlin begegnen sich spätestens ab 2022 auf Augenhöhe.

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