Tichys Einblick

Wenn israelische Ärzte palästinensische Terroristen retten

Nur wenige wissen, was Israel alles im Sinne des Kriegsvölkerrechts unternimmt, teils unter schwierigsten Umständen – zum Beispiel palästinensische Terroristen ärztlich behandeln, bisweilen sogar in zivilen Krankenhäusern mitten in Israel.

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Viel ist derzeit davon die Rede, Israel müsse das humanitäre Völkerrecht in seinem Krieg gegen die Hamas beachten. Die Mahnungen und Warnungen werden immer lauter, auch aus Deutschland. Kommentiert wird dabei stets aus dem gemütlichen heimischen Sessel, von Leuten, die noch nie etwas mit Krieg zu tun hatten. Dabei wissen nur wenige, was Israel tatsächlich alles im Sinne des Kriegsvölkerrechts unternimmt, teils unter schwierigsten Umständen – zum Beispiel palästinensische Terroristen ärztlich behandeln, bisweilen sogar in zivilen Krankenhäusern mitten in Israel.

Bereits in den ersten Tagen nach dem Hamas-Terrorüberfall vom 7. Oktober hatten israelische Medien berichtet, dass neben zahlreichen Israelis auch Terroristen in israelische Krankenhäuser eingeliefert worden seien.

Anfang November erzählte zum Beispiel Eres Birnbaum, Chef des Assuta-Krankenhauses in Aschdod (gut 30 Kilometer Luftlinie vom Gazastreifen), dem Magazin Globes (hebräische Ausgabe): „Sie schickten Terroristen zu uns. Wir haben sie gemäß ärztlichem Eid untersucht und dann zur weiteren Behandlung an Schabak-Einrichtungen (Inlandsgeheimdienst) übergeben.“

Auch in der vergangenen Woche sorgte ein entsprechender Vorgang wieder für Aufsehen: Mehrere israelische Medien berichteten übereinstimmend, dass ein Terrorist in einem Krankenhaus in Petach Tikva östlich von Tel Aviv ärztlich behandelt worden sein soll. Demnach war der Mann im Kampf gegen israelische Soldaten im Gazastreifen verletzt worden. Glaubt man dem israelischen TV-Kanal Kan, wurden bislang insgesamt 12 Terroristen während des Krieges in zivilen israelischen Krankenhäusern versorgt.

Die israelische Ärztevereinigung schreibt in einem Fragen- und Antworten-Katalog zu medizinethischen Fragen des Krieges auf ihrer Website, israelische Ärzte seien den internationalen Konventionen verpflichtet: „Trotz der barbarischen Hamas-Taten werden die Ärzte die notwendigen Behandlungen durchführen. Die Terroristen werden dann später bestraft, wie es in einem Rechtsstaat üblich ist.“

Dem Nachrichtenportal Ynet (hebräische Ausgabe) sagte ein leitender Arzt einer Intensivstation, der einen Terrorist zu behandeln hatte, bereits Mitte Oktober: „Es ist keine Frage der Auswahl oder Bequemlichkeit. Wir haben die Pflicht, jeden Patienten zu behandeln. Wenn Terroristen zu uns kommen, muss die Entscheidung eindeutig sein: behandeln. Möge später ein Gericht entscheiden, was mit ihm zu tun ist.“

Von der medizinethischen und völkerrechtlichen Dimension abgesehen, kann die Behandlung von Terroristen auch im israelischen Eigeninteresse liegen. So merkte die Zeitung „Ma’ariv“ in ihrem Artikel zum aktuellen Fall in Petach Tikva an, Inlandsgeheimdienst und Armee hätten den betroffenen Terroristen als Zeuge vernehmen wollen. Für einen etwaigen Austausch von palästinensischen Gefangenen gegen israelische Geiseln sind zudem nur lebende Terroristen von Wert.

Trotzdem ist die Sache in Israel nicht unumstritten: Kann es wirklich moralisch geboten sein, einen genozidalen Gegner in einem zivilen Krankenhaus zu behandeln, unter einem Dach mit jenen, die er erklärtermaßen auslöschen will? Es gibt Berichte von mehreren zivilen Krankenhäusern, die es bereits abgelehnt haben, Terroristen bei sich aufzunehmen.

„Während unsere Kinder und Lieben ihr Leben für die Verteidigung des Landes und unserer Sicherheit riskieren, können wir diese abscheulichen Mörder nicht behandeln, deren einziges Ziel es ist, uns zu ermorden“, schreiben laut dem Nachrichtenportal Arutz Scheva auch mehrere Ärzte aus dem aktuell betroffenen Krankenhaus in Petach Tikva. Selbst sie nehmen demnach aber lebensrettende Maßnahmen von ihrer Weigerung ausdrücklich aus.

Israels Gesundheitsminister Mosche Arbel hatte schon im Oktober erklärt, die Aufgabe der medizinischen Versorgung der Terroristen liege bei der Armee und dem Inlandsgeheimdienst. Hamas- und andere Kämpfer sollten also besser in nicht-zivilen Einrichtungen versorgt werden.

Israel hat eine besonders schlechte Erfahrung mit der Behandlung von Terroristen gemacht: In den 2000er Jahren, so erzählen es israelische Medien, entfernten Ärzte in einem Krankenhaus einem gewissen Jachja Sinwar einen Hirntumor. Auch die palästinensische Nachrichtenagentur Ma’an berichtete 2005, eine Komplikation in Sinwars Kopf sei in einer mehrstündigen Operation behoben worden.

Sinwar saß seinerzeit mehrere lebenslange Haftstrafen ab. Später kam er in einem Gefangenenaustausch frei. 2017 wurde er Hamas-Chef im Gazastreifen – und am 7. Oktober 2023 dirigierte er dann den Terrorgroßangriff auf Israel mit 1.200 Toten allein am ersten Tag.

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