Tichys Einblick
Kein Konsens, keine Mehrheit

Irische Regierung verzichtet auf sogenanntes „Hassrede“-Gesetz

Nach Protesten aus dem In- und Ausland zieht die irische Regierung das Gesetzesvorhaben gegen „Hassrede“ zurück. Die Präsenz von X und Meta auf der grünen Insel könnte damit zu tun haben. Aber gerade deshalb ist es ein internationaler Sieg für die Meinungsfreiheit.

picture alliance / NurPhoto | Artur Widak

Es wird kein Gesetz gegen die sogenannte „Hassrede“ in Irland geben. Die konservativ-grüne Regierung hat diesen Teil eines Gesetzesprojekts zurückgezogen. Elon Musk hatte dagegen mobil gemacht, ebenso ein irischer Atheistenverband. Es ging angeblich um die „Aufstachelung zum Hass“ (incitement to hatred), die man in Irland nicht mehr dulden wollte, und das klingt wahrlich nicht gemütlich. Vorgesehen waren bis zu fünf Jahre Haft für die Verbreitung von „Material, das zu Hass in Irland führen kann“.

Fragt sich nur, was unter all dem zu verstehen ist. Denn hier scheiden sich die Geister, und zwar meist sehr rasch. Was für den einen eine legitime Auffassung ist, bildet für den anderen eine „falsche“ Meinung und daher „Hass“. Aber die Art, wie sich dann der andere gegen den einen wendet, ihn vom normalen Gespräch ausschließt, ist ihrerseits für den einen eine subjektiv erlebte Form von „Hass“, für den anderen sein quasi gottgegebenes Recht, „ungeeignete“ Meinungen aus dem politischen Kampf zu entfernen.

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Dieser Teil des Vorhabens soll also ruhen, vielleicht sehr lange ruhen, bis man ihn ganz vergessen hat. Grund: Es gibt keinen „Konsens“ dazu, also keine Mehrheit im Parlament. Den anderen Teil der Gesetzgebung will Justizministerin Helen McEntee aber weiterführen, und darin geht um „Hassverbrechen“ (hate crime). An dieser Stelle will die Ministerin „unnachgiebig“ und felsenfest bleiben. Andere sehen auch diesen Gesetzesteil kritisch. Und auch ihre persönliche Meinung zum Hassrede-Projekt hat sie nicht geändert.
Shellenberger: In Panik versetzte Elite will offenes Gespräch ersticken

Der Verzicht auf den Hassrede-Teil ist ein Gewinn für die Meinungsfreiheit, vor allem nach den Geschehnissen in England, wo Bürger, die eine Spekulation teilten, die vielleicht auch ihre Meinung zur jahrzehntelangen Transformation gewisser Viertel durch die Zuwanderung entweder auf der Straße oder online ausdrückten, wmit Polizeibesuch und Festnahmen rechnen mussten – nur wegen Worten, wobei einige nicht einmal wussten, womit sie angeblich Anstoß erregt hatten.

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Die Gesetzespläne zu Hassrede und Hasskriminalität wurden vor zwei Jahren erstmals ins Parlament eingebracht und diskutiert. Im vergangenen November erhielt das Projekt weiteren Auftrieb, als der Messerangriff eines polizeibekannten Algeriers (seit zehn Jahren irischer Bürger) gegen kleine Mädchen vor einer Dubliner Schule zu einer Nacht heftiger Unruhen in der Hauptstadt führte (TE berichtete).

Es war in der Tat eine seltsame Vorwegnahme der englischen und nordirischen Unruhen nach den Mädchenmorden von Southport. Justizministerin Helen McEntee forderte, den Einsatz von Gesichtserkennungssoftware zu erlauben. Der inzwischen zurückgetretene Ministerpräsident Leo Varadkar wollte hart gegen Unruhestifter vorgehen. Sein Nachfolger Simon Harris hörte nun auf den vielfachen Rat, das Gesetz zu vergessen.

Atheist Ireland: Von gefühlsbetonten Begriffen wie „Hass“ absehen

Denn die Pläne riefen zahllose Kritiker hervor. So schätzte der US-Journalist Michael Shellenberger (unter anderem mitverantwortlich für die „Twitter Files“), das irische Gesetz hätte „das gesamte Internet zensieren“ können. Im Juni stellte Shellenberger fest: „Es gibt keine Hasskrise in Irland.“. Nur eine in Panik versetzte Elite wolle das offene Gespräch zwischen den Iren ersticken. Aber das Gesetz hätte leicht Einfluss über die Insel hinaus gewinnen können.

Die Plattformen X (ehemals Twitter) und Facebook haben neben anderen IT-Unternehmen ihren europäischen oder EU-Sitz in Irland. Für sie hätte ein solches Gesetz direkte Folgen gehabt, weil sie durch ihre Repräsentanten verklagbar geworden wären. Deshalb hatte Elon Musk schon vor einiger Zeit angekündigt, jeden Rechtsstreit, der sich gegen das geplante Hassrede-Gesetz richten würde, zu finanzieren.

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Am Ende wandte sich auch die große Oppositionspartei Sinn Féin von dem Plan ab, der darauf manch einer den Verrat an linken Prinzipien vorwarf. Auch der ehemalige Justizminister kritisierte es. „Atheist Ireland“ hieß die Aufgabe des Gesetzesplans laut der Irish Times willkommen. Man hatte befürchtet, dass das Gesetz zu einem Blasphemie-Verbot geführt hätte. Denn „Religion“ war eines der „geschützten Kennzeichen“, von denen der Entwurf sprach. Der Kriminalität, die mit Vorurteilen zusammenhängt, solle man durch das normale Strafrecht begegnen, aber die „auf menschenrechtlichen Prinzipien und Standards beruhende“ Redefreiheit schützen, so der Atheisten-Verband Irlands. Gesetze, die auf zweideutigen oder gefühlsbetonten Begriffen wie „Hass“ basieren, könnten dies nicht leisten.
Aljazeera fand den Plan gar nicht so schlecht

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Es gibt offenbar keine juristisch wasserdichte Definition der Sache. Das hielt auch Lorcan Price von der Alliance Defending Freedom (ADF International) fest: „Das vorgeschlagene Gesetz über ‚Hassrede‘ wäre eines der schlimmsten Beispiele für Zensur im modernen Westen. Der Gesetzentwurf gibt vor, ‚Hassrede‘ auszumerzen, versäumt es aber, zu definieren, was ‚Hass‘ ist, und erlaubt den Behörden, jede Rede zu zensieren, die der Staat ablehnt.“

Es ist übrigens immer interessant, die Position der Nachrichtenseite Aljazeera in diesen Fragen zu betrachten. Das Medium aus Doha (Katar) bewahrt eine abwägende Haltung und meint, das Projekt habe auch „starke Unterstützung“ erhalten. Man interessiert sich anscheinend auf der arabischen Halbinsel für Maßnahmen, die kritische Meinungen („Hass“) etwa auch wegen Religion, Kultur und Ethnizität unter Strafe stellen.

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