Iran-Konflikt: Untersuchungen zur Absturzursache laufen

Auf Twitter tauchten eine Reihe von Fotos und Videos auf, die offenbar von Anwohnern aufgenommen wurden.

AFP/Getty Images

Es war vermutlich ein schrecklicher Fehler. Das Pentagon und der irakische Geheimdienst sind sich laut Bild sicher, dass die Boeing 737 der Ukraine International Airlines (UIA) nahe bei Teheran nicht aufgrund eines technischen Defektes abstürzte. Eine Boden-Luft-Rakete schoss die Boeing 737-800 ab – mit 176 Passagieren an Bord.

Die Maschine sollte den Flug PS752 übernehmen und startete am Mittwochmorgen um 02:42 UTC (06:12 local time) von Startbahn 29R vom Teheraner Imam Khomeini International Airport. Ziel: Kiew. Der Steigflug verlief zunächst normal, die Flughafenkontrolle (ATC) hatte die Maschine an die Streckenkontrolle übergeben.

Doch die Maschine hatte 8.200 Fuß Flughöhe (ca 2.500 m) erreicht und wollte weiter auf Reiseflughöhe in Flugfläche 260 steigen, als sie plötzlich vom Radarschirm verschwand.

Sie machte offenbar noch eine leichte Rechtskurve in Richtung zurück zum Flughafen, doch schlug um 2:48 UTC (6:18 Ortszeit) im Teheraner Vorort Parand in einer gewaltigen Explosion auf und hinterließ ein breit gestreutes Trümmerfeld. Das liegt zehn Meilen östlich von jener Position, von der das letzte Transponder-Signal kam. Notrufe der Besatzung gab es nicht. Die iranischen Rettungskräfte meldeten keine Überlebenden.

Erstaunlich schnell meldeten iranische Behörden, dass die Maschine aufgrund eines Motorschadens abstürzte. Das lässt sich in der Regel erst nach aufwendigen Untersuchungen bestätigen.

Am Mittwochabend wurden dann die beiden Blackboxen gefunden, die einmal technische Flugdaten und zum anderen Cockpitgespräche aufzeichnen. Vertreter der iranischen Zivilluftfahrtbehörde CAO erklärten, sie wollen die Boxen selbst auswerten, nicht in die USA schicken und keine amerikanischen Experten zulassen. Mittlerweile erging eine offizielle Einladung an amerikanische Experten zur Teilnahme an der Untersuchung, wie die amerikanische Flugsicherheitsbehörde FAA am Donnerstag mitteilte. Das Prozedere von Flugunfalluntersuchungen ist im Chicagoer Luftfahrtabkommen festgelegt.

Üblich ist, dass auch Vertreter des Flugzeug-Herstellers, in diesem Fall Boeing, hinzugezogen werden. Eingeladen wurden bereits Ermittler aus der Ukraine, die am Mittwochabend in den Iran reisten. Ukrainische Medien berichteten unter Berufung auf ein Mitglied des Teams, dass iranische Beamte kooperierten und nichts zu verbergen scheinen. Die Version eines Triebwerksausfalles allerdings könne bisher nicht bestätigt werden.

US-Präsident Donald Trump erklärte, es sei eine tragische Sache, jemand auf der anderen Seite könne einen Fehler gemacht haben: »Ich habe das Gefühl, dass etwas sehr Schreckliches passiert ist, sehr verheerend.« Der kanadische Ministerpräsident äußerte, dass nach verschiedenen Quellen das Flugzeug von einer iranischen Boden-Luft-Rakete abgeschossen wurde. Es waren auch 63 kanadische Staatsangehörige an Bord.

Die iranische Zivilluftfahrtbehörde sagte dagegen, ein Raketenangriff sei »wissenschaftlich unmöglich«.

Auf Twitter tauchten eine Reihe von Fotos und Videos auf, die offenbar von Anwohnern aufgenommen wurden.

Man sieht von links einen hell leuchtenden Punkt in den Himmel aufsteigen, von rechts kommt offenbar die Boeing 737 an, ein sehr heller Blitz zeigt den Augenblick, als offenbar die Rakete die Maschine trifft. Die explodiert nicht sofort, sondern fliegt noch ein paar Minuten, versucht eine Rechtskurve zurück in Richtung Flughafen. Doch den sicheren Boden erreicht die Maschine nicht mehr. Sie schlägt vorher in einem Vorstadtgebiet Teherans auf.

Etwa zehn Sekunden später zeichnet das Handy einen lauten, deutlich vernehmbaren Knall auf.

Dieses Handyvideo eines Iraners ging durch die sozialen Medien und löste heftige Diskussionen aus, ob es echt ist und was es zeigt. Der New York Times gelang dann am Abend, es zu verifizieren. Bild hatte sich bereits am frühen Morgen auf die Version des versehentlichen Abschusses festgelegt.

Ein anderer Anwohner nahm aus einer anderen Perspektive ein leuchtendes Objekt auf, das dann offenbar brennend zu Boden stürzt. Es dürfte sich um das abgestürzte Flugzeug handeln.

Iranischen Behörden war vermutlich relativ rasch klar, was geschehen war. Der Iran verfügt über 29 Tor Missile Boden-Luft-Raketen Systeme. Das sind Kurzstrecken- Flugabwehrraketen russischer Herkunft mit einer Reichweite von 20 Kilometern und einer Höhe von sechs Kilometern. Sie sind mit fünf bis acht Sekunden Reaktionszeit sehr schnell einsatzfähig und als schnelle Antwort auf einen Luftangriff mit tieffliegenden Kampfflugzeugen oder Marschflugkörpern konzipiert.

Mit fast dreifacher Schallgeschwindigkeit rast das Missile Richtung Ziel, die Sprengladung wird durch einen Radar-Annäherungszünder ausgelöst, entlässt messerscharfe Schrapnells, die das Ziel durchsieben. So können auch kleine Ziele mit rund 20 Zentimeter Durchmesser getroffen werden.

Das würde scharfkantige Einschnitte im Blech des abgestürzten Flugzeuges erklären. In der Höhe von etwa 2.500 Meter, in der sich das Flugzeug zum Zeitpunkt des Treffers befand, explodiert der Rumpf aufgrund eines Überdruckes gegenüber dem Außendruck noch nicht. Die kurze Reaktionszeit in Verbindung mit hoher Automatisierung ist hier wohl dem Flug Ukrainian PS752 zum Verhängnis geworden. Die Freund–Feind-Erkennung hat in den wenigen Entscheidungssekunden vermutlich nicht funktioniert.

Die amerikanische Luftfahrtbehörde FAA veröffentlichte NOTAMs (Informationen an Luftfahrer) mit sofort wirksamen Flugverboten, nach denen US-amerikanische Flugzeuge nicht mehr den Luftraum des Irak, Iran und über dem arabischen Golf und dem Golf von Oman fliegen dürfen.

Am Mittwoch waren bereits eine Reihe von Flugzeugen der britischen BA von ihrem geplanten Flugweg abgewichen – wie der Flug BA157 London nach Kuwait. Das bedeutet in jedem Fall deutlich mehr Reisezeit und Treibstoffverbrauch.

British Airways Flug BA 105 von London nach Dubai sollte auch nicht über Irak und Iran fliegen, musste kurz vor Bagdad umdrehen und wurde nach Istanbul umgeleitet.

Richtig überraschen kann ein solches Unglück in einem politisch extrem gespannten Raum eigentlich nicht. Das gesamte iranische und irakische Militär ist in höchster Alarmbereitschaft. Einheiten werden ständig in Bewegung sein und versetzt werden; das Gebiet rund um die Hauptstadt Teheran wird besonders gesichert sein. Höchste Nervosität allerorten.

Der Luftraum über den Mittleren Osten zählt zu den am stärksten frequentierten Gebieten der Erde. Es grenzt an ein Wunder, wie nahezu reibungslos tausende von Flügen über wenige Luftstraßen abgewickelt werden. Wie an einer Perlenkette aufgereiht fädeln sich Tag und Nacht Pulks von Flugzeugen täglich über die engen Luftstraßen des Golfes oder über Türkei und Iran zwischen Europa und Asien ein.

Wesentlich mit dazu beigetragen haben jene Emirate am Persischen Golf, die in Dubai, Abu Dhabi und Doha ihre zentralen Hubs errichtet haben und eine gute Zwischenstation für den internationalen Luftverkehr zwischen Europa und Asien bieten.

Dazwischen bewegt sich militärischer Flugverkehr. Immerhin betreiben die USA in Qatar und Saudi-Arabien große Militärbasen. Mittendrin lauern auf allen Seiten Raketenstationen auf etwaige plötzliche Angriffe. Da wundert, dass nicht mehr Katastrophen geschehen. Merkwürdig, dass kurz nach iranischen Raketenangriffen Verkehrsmaschinen aus Teheran nach Norden starteten.

Hinzu kommen die erbitterten Rivalitäten der Länder in der Region. Hart getroffen ist beispielsweise die Fluggesellschaft Qatar Air vom Bann ihrer arabischen »Brüder«. Ihre Flugzeuge dürfen den Luftraum ihrer Nachbarn nicht überfliegen, vor allem nicht über das Staatsgebiet ihres unmittelbaren Nachbarn im Westen, Saudi-Arabien. Das möchte am liebsten noch einen Wasserkanal quer durch die Wüste ziehen, um eine physische, unüberwindbare Grenze zu der ungeliebten Halbinsel von der Größe Hessens zu installieren.

Für Qatar Air bedeutet das erhebliche Umwege bei Flügen von Qatar aus nach Westen und Süden, wie dieser Flug von der Hauptstadt Qatars, Doha, ins südamerikanische Sao Paulo zeigt. Die Boeing 777 muss nach dem Start in Doha erst einmal nach Osten über den Persischen Golf fliegen, darf dann nach Süden abbiegen und das Staatsgebiet des Oman queren.

Das bedeutet etwa eineinhalb Stunden mehr Flugzeit und entsprechender Treibstoffverbrauch. Gut, dass sie über große Tanks mit genügend Reichweite verfügt. Würde Qatar Air nicht vom Staat unterstützt, könnte diese erheblichen Mehrkosten keine Fluggesellschaft tragen. Folgen der politischen Isolation Qatars durch seine Nachbarstaaten. Dort findet 2022 die nächste Fußballweltmeisterschaft statt.

Nur westliche hochentwickelte Technik mit reichweitenstarken Flugzeugen kann Irrsinn am Boden überwinden.

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Kommentare ( 5 )

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permanent error
4 Jahre her

Außer der Crew waren wohl alle Passagiere Iraner oder Afghanen (63 Kanadier 🙂 )

Aufgemerkt
4 Jahre her

Ich wäre ihnen auch dankbar wenn sie dem Umstand nachgehen könnten, dass in dieser Maschine angeblich drei in Deutschland lebende Asylbewerber sassen (steht so im englischsprachigen Wikipedia Eintrag zu dieser Tragödie). Allen Anscheins nach wurden diese zunächst auch als deutsche Staatsbürger gezählt. Wenn das so war darf man sich schon wieder fragen wie das eigentlich sein kann.

fatherted
4 Jahre her
Antworten an  Aufgemerkt

wurde so kolportiert…..eine Familie aus NRW….anerkannte Asylbewerber….aus Afghanistan. Mir stellt sich da eher die Frage….was machen anerkannte Asylbewerber die aus Afghanistan doch wohl vor den Taliban geflohen sind, im Iran….einem Mullah Terror Staat?

Contra Merkl
4 Jahre her
Antworten an  fatherted

Die sind aus dem Iran und haben nur vorgegeben, aus Afghanistan zu sein, um hier Asyl zu bekommen. Hier im Land scheint das niemand zu stören, selbst ein Bundeswehrsoldat konnte Asyl beantragen und kam damit durch, obwohl er die Sprache des Landes nicht sprechen konnte.
Das sagt alles über die Qualität, mit der dort geprüft wird, aus.

Moses
4 Jahre her
Antworten an  Aufgemerkt

Was ist hier seltsam? Es ist heute ganz normale Situation auch mit Syrer und Iraker: Die Schutzsuchende im Deutschland besuchen das Land und Umstände, von denen sie hier angeblich Schutz suchen.