„Wenn ihr Europäer ein Interesse habt, kommt ihr. Wenn ihr keine Interessen habt, bleibt ihr abseits und verurteilt.“ Das ist eine verbreitete Meinung in den Entwicklungsländern.
Indien ist ein Volk von 1,4 Milliarden. Nachdem China in die Reihe der Länder gerückt ist, von denen man meint, sich moralisch distanzieren zu müssen, fällt der Blick neuerdings wieder stärker auf Indien. Zwar hat Indien mit seiner korrupten Pseudodemokratie und seinem Kastenwesen moralisch eher weniger als China zu bieten, das es immerhin geschafft hat, aus eigener Kraft sein Volk aus der Armut zu holen, aber sei’s drum. China ist moralisch „out“, Indien eben „in“. Und außer Gender Mainstream, Feminismus, Woke-ismus, und Ökoideen sollte Deutschland doch noch etwas exportieren, was etwas Geld und die Handelspartner im Süden nicht auf die Palme bringt. Da bietet sich momentan Indien an.
Baerbocks „Werte“ und ihre Wertepartnerschaft in Indien
Nun hatten zuerst Außenministerin Baerbock und dann Kanzler Scholz Indien besucht. Als Baerbock beim indischen Präsidenten Modi eine „Wertepartnerschaft“ beschwor, könnte sich dieser kurz gefragt haben: Meint sie jetzt Gender, Wokeness oder womöglich Klimaschutz? Insbesondere Letzteres wird Modi vermeiden, da es die Wettbewerbsfähigkeit Indiens negativ beeinflusst, es sei denn, Deutschland bezahlt die Rechnung.
Darüber hinaus beendete Baerbock ihr Studium der Politikwissenschaften ohne Abschluss, früher hätte man gesagt, sie warf es hin. Was ihr „Studienabschluss“ (LLM) für 11.000 Euro in London nach nur einem Jahr und ohne Abschlussprüfung wert ist, steht in den Sternen.
So etwas wird auch in Indien sehr genau registriert, besonders wenn „Politiker:innen“ eines Landes auf dem hohen Moral-Ross angeritten kommen. In den Entwicklungsländern ist das zwar keinen Deut besser, aber keiner versucht dort seine Moral in den Westen zu exportieren.
Indien lacht, wenn Deutschland aus fossiler Energie aussteigt
Wie nun Indien von Deutschlands Werten profitiert, zeigt das Beispiel Energie. Während Deutschland aus den fossilen Energien aussteigt, baut Indien diese aus. Indiens Öl- und Gasminister Shri Hardeep Singh Puri sagte kürzlich erfreut auf Bloomberg TV, Indien schicke sich an, zu einer der führenden Nationen in der Öl- und Gasindustrie zu werden. Riesige Landflächen seien für die Erkundung für neue Öl- und Gasvorkommen freigegeben worden. Die großen US-Konzerne wie Exxon Mobil oder Chevron stünden bereit, massiv in den neuen Öl- und Gas-Boom zu investieren.
Die Märkte seien „wunderbar“, denn sie sorgten dafür, „dass unsere globale Wirtschaft am Laufen bleibt“. Der Ölmarkt sei von Interessen geprägt, Altruismus gäbe es nicht: „Der Ölmarkt ist keine Wohltätigkeitsveranstaltung oder eine Sache für Philanthropen“, sagte Puri. Daher denke Indien nicht daran, seine Strategie zu ändern, denn am Ende werde der Preis über Angebot und Nachfrage bestimmt und nicht durch politische Erklärungen.
Nun weiß Deutschland, wo es mit seinen Öko-Entscheidungen steht: im Abseits. Denn, was nun Indien sagt, könnte genauso gut von China, Brasilien oder Nigeria kommen.
Indien profitiert von Russlandsanktionen
Es geht aber noch unterhaltsamer weiter, wenn Singh Puri über Russland spricht. Vor allem das Raffineriewesen blühe, sagte Puri. Das russische Öl, das nach Indien kommt, wird dort zu Treibstoff verarbeitet und schließlich in die EU verkauft. Das ist der wirkliche Grund für den erstaunlichen Aufschwung der Raffinerien in Indien.
Indien spielt laut Bloomberg eine immer wichtigere Rolle auf den globalen Ölmärkten. Die Händler kaufen immer mehr billiges russisches Öl und raffinieren es zu Treibstoff für Europa. Öl- und Gasminister Puri sagte, dass auch die USA enorm von der neuen Weltlage profitierten.
Deutschland kann also froh sein, dass seine Sanktionen umgangen werden, wenn es auch Unsummen dafür bezahlen muss.
Natürlich könnten nun Ketzer sagen, dann könnte doch Deutschland gleich weiter Öl aus Russland kaufen. Das wäre wenigstens billig und würde deutsche Haushalte und die Industrie entlasten. Nun wissen die Ketzer aber, was mit Ketzern passiert, wenn sie sich aus dem gerade gebotenen politmedialen Einheitsmeinungskreis entfernen, und deshalb schweigen sie still.
Scheinheiligkeit deutscher Politik
Nun ist also Kanzler Olaf Scholz in Delhi eingetroffen. Im Gegensatz zu Baerbock, die der Welt erklärt, an ihrem Wesen müsse die Welt genesen, zeigt sich Scholz etwas realistischer. Immerhin sagt er: Was in aufstrebenden Nationen wie China, Brasilien, Nigeria oder eben Indien geschieht, werde die Zukunft des Planeten mindestens so sehr bestimmen wie Entwicklungen im alten Europa. Was er mit solchen Allgemeinplätzen in Indien genau meint, die Antwort weiß auch nur der Wind in Indien.
Der indische Premierminister Modi kennt solche Phrasen. Er beschwerte sich dann auch gleich, weil Brüssel seine Vorstellungen zu nachhaltigem Wirtschaften Indien überstülpen wolle. Die Europäer wollten einseitige Regeln aufstellen, gleichzeitig Mitspieler und Schiedsrichter sein und dann noch einseitig über Strafen bei Verletzung dieser Regeln entscheiden.
Modi hat dabei vergessen, dass die Ökokaste zusätzlich dazu auch noch Ankläger ist. Und Regelersteller, Ankläger und Richter in einem, und das alles im Namen seiner angeblich universellen Werte. Davon haben immer mehr Länder der Dritten Welt die Nase voll und finden die China-Russland-Connection als Gegengewicht nicht reizlos.
Indien verurteilt Russland nicht
Bei Scholz’ Besuch in Indien ging es auch wieder um die Verurteilung Russlands aufgrund seines Krieges gegen die Ukraine. Indien hatte sich wie etwa ein Viertel der Länder der UN-Generalversammlung der Stimme enthalten.
Der Kanzler will das nicht als Ablehnung der westlichen Unterstützung der Ukraine interpretieren und sagte: „Ich finde, es ist wichtig, dass erneut so viele Länder in der UN-Vollversammlung sehr klar den russischen Angriffskrieg verurteilt haben.“ Das sind Aussagen für die Öffentlichkeit in Deutschland. Scholz und Modi wissen sehr genau, dass diese Mehrheitsverhältnisse in der UNO besonders auf Druck der USA zustande kommen. Das Land, das gegen die Vorgaben des Westens stimmt, hat mit negativen Reaktionen zu rechnen, gemäß der Idee: Wir leben in einer liberalen freien Welt. Jedes Land ist frei, abzustimmen, wie es will. Natürlich muss es dann mit den entsprechenden Folgen rechnen.
Die vorherrschende Sicht sehr vieler in Entwicklungsländern ist für die Deutschen in Politik und Medien eine unbequeme. Bei allen Bestrebungen, neue Partner zu finden, muss man sich aber auch damit realistisch auseinandersetzen. Sie besagt: Uns wurde in Libyen und dem Irak demonstriert, was dem Westen die westlichen Werte wert sind. Sollen die Russen ruhig den Westen in der Ukraine eindämmen. Mit einer multipolaren Welt fahren wir besser, als mit einer alleinigen Supermacht USA.