Tichys Einblick
„dynamic zero“ wankt

In Hongkong Massentesten, drohender Lockdown, Hamsterkäufe

In Hongkong ist die Null-Covid-Politik im Verein mit der Pekinger Führung an ihr logisches Ende gekommen. Die vergleichsweise harmlose Omikron-Variante füllt die Krankenhäuser, auch wegen panischer Einweisungen. Die Finanzmetropole steht vor einer Massentestung. Die Bürger befürchten den harten Lockdown.

IMAGO / ZUMA Wire

In Hongkong haben Gerüchte eines bevorstehenden Lockdowns zu Panikkäufen geführt. Von leeren Supermarktregalen und langen Schlangen vor Banken und Apotheken wird berichtet. Regierungschefin Carrie Lam wollte einen totalen Lockdown anscheinend vermeiden. Doch die unklaren Botschaften der Stadtregierung steigerten das Chaos der vergangenen Woche noch einmal deutlich.

Angeblich hatten daraufhin bald massenhaft gekeulte Hamster eine Virus-Variante in Hongkong verbreitet. Inzwischen ist auch hier vor allem von Omikron die Rede. Anfang Februar gab es 50 infizierte – vermutlich eher positive getestete – Menschen. Inzwischen ist man bei einer Inzidenz von 42.000 angekommen. Fatal ist das vor allem, weil die von Peking bestimmte Stadtregierung eine Politik der maximalen Krankenhauseinweisung verfolgt. Tausende Patienten mit positivem Covid-Test werden hospitalisiert und – nach Kräften – isoliert. So stoßen nun die Krankenhäuser der Sonderverwaltungszone an ihre Grenzen. Teils müssen betagte Patienten auf den Gängen auf reguläre Betten warten. Man tut alles, um das alte Wuhan-Szenario nachzustellen.

Noch einmal scheinen wir die Frühphase der Pandemie zu durchleben, dieses Schlaraffenland eines gesundheitspolitischen Machbarkeitswahns. Fangkong heißt die Kontrollmethode, die man in der Volksrepublik seit vielen Jahren anwendet. Durch Überwachung und Nachverfolgung der Bürger strebt man eine totale Kontrolle an, mittels deren sich praktisch jedes Ziel erreichen lässt. Unerwünschte Verhaltensweisen wie Glücksspiel ebenso wie Krankheiten sollen so ausgemerzt werden. Die Pandemie verhalf Fangkong in China zum Durchbruch. Die Null-Covid-Politik mit harten Lockdowns und rigiden Zwangsmaßnahmen für den Einzelnen konnte man nur so durchführen.

Auch die Hong Konger Behörden setzen heute alles daran, möglichst viele Infektionen nachzuverfolgen und die gefundenen „Fälle“ zu isolieren. Aber das dürfte reine Selbsttäuschung und Illusion sein. Unklar bleibt übrigens schon, wo und wann sich die schuldigen Hamster mit dem Virus infiziert haben, ob in den Niederlanden oder doch erst in Hong Kong. Als nächstes steht massenhaftes Testen an, und die Bewohner fürchten, dass das gar nicht ohne Lockdown möglich sein wird.

Die Strategie der Stadtverwaltung bisher lautete „dynamic zero“, eine angeblich dynamische Variante der Null-Covid-Strategie: Phasen der Virus-Unterdrückung wechselten mit Zeiten, in denen das alltägliche Leben weitgehend ohne Einschränkungen war. Allerdings war die Reisefreiheit stets eingeschränkt – und die Hong Konger mussten ein gläsernes Leben akzeptieren. Die wirtschaftlich noch immer bedeutende Stadt hat sich der Welt gegenüber verschlossen, um den Zugang zum maximal-repressiven China aufrechtzuerhalten.

Doch nun hat die Omikron-Variante, ähnlich wie in Neuseeland und Südkorea, die Verhältnisse verändert. Eine Null-Covid-Strategie ist damit endgültig gescheitert, und neue Varianten sind eher noch ansteckender als die alten. Es ist der normale Fortschritt jeder Pandemie. Isolation und Virus-Unterdrückung sind damit keine Möglichkeit mehr. Langfristig werden alle Menschen mit dem Virus in Kontakt kommen müssen. In Hong Kong glauben Experten schon jetzt an eine ziemlich weitgehende Durchseuchung von 15 Prozent. Seit Beginn der Pandemie gab es gemäß offiziellen Zahlen nur 472.000 positive Tests und 2.000 mit Covid verknüpfte Todesfälle in dem Land. Im Moment bringt jeder Tag ein Zehntel dieser Positivtest-Inzidenz und angeblich auch schon ein Zehntel der bisher gezählten Todesfälle im Zusammenhang mit Infektionen.

Dürfen wir Westler uns nun zufrieden zurücklehnen? Wir haben die Pandemie mit vielen vermutlich unvermeidlichen Opfern hinter uns gebracht und dabei den Grundbestand unserer Freiheiten zumindest dem Prinzip nach verteidigt. Die Restriktionen, die man auch hierzulande installiert hat, gelten uns als temporär, auch wenn einige politisch unstete Geister bereits versuchen, aus der viralen Gesundheitspolitik eine die Menschen massiv einschränkende Klimapolitik zu machen.

Man sucht nach neuen Gründen, die den Zwang und den Freiheitsverzicht begründen könnten, der – wenn er nicht Selbstzweck ist – anscheinend tief im Denken einiger Zeitgenossen verwurzelt ist. Der Kampf für null Virus-Infektionen oder – wie man es hierzulande meist harmloser ausdrückt – für „möglichst wenige Infektionen“ ist nur einer der Anlässe, um eine autoritäre Politik durchzusetzen, die sich wenig um die Lebensentscheidungen der Menschen kümmert. In Europa, Nordamerika und anderswo gibt es die Hoffnung, dass sich eine Mehrheit der Menschen letzten Endes gegen eine solche Politik entscheiden wird.

Die heikle Lage Hong Kongs, die sich ähnlich in anderen Null-Covid-Ländern wie Neuseeland oder Australien findet, weist darauf hin, dass es keine Gesundheit ohne Freiheit geben kann.

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