Tichys Einblick
Bischöfe über Christenverfolgung in Afrika

In der Sahelzone: Angst vor Arabisierung und Islamisierung

Ein Bericht der Deutschen Bischofskonferenz nimmt die Situation der Christen und den Stand der Religionsfreiheit in der Sahel-Zone in den Blick. Die Länder leiden unter islamistischem Terror durch Boko Haram.

AMAURY HAUCHARD/AFP via Getty Images

Die Sahel-Zone gehört zu den ärmsten Gegenden weltweit. Zwischen 40 bis 50 Prozent der Bevölkerung der Sahel-Staaten sind unter 14 Jahre alt. „Eine fragile Sicherheitslage durch Terrorismus, ein hohes Bevölkerungswachstum und ein gering ausgeprägtes Bildungs- und Gesundheitswesen gehören zu den wesentlichen Merkmalen der Sahel-Region“, sagt Ludwig Schick. Der Bamberger Erzbischof hat nun in seiner Funktion als Vorsitzender der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz zusammen mit Edmond Djitangar, Erzbischof aus dem Tschad, eine 20-seitige Informationsbroschüre über verfolgte und bedrängte Christen in der Sahelzone vorgestellt. „Sahel heißt ja eigentlich Küste“, erklärt Schick, „und meint alle Länder dort von einem Meer zum anderen südlich der Sahara“. Die Sahel-Region umfasst von Westen nach Osten die Länder Mauretanien, Mali, Burkina Faso, Niger, Nigeria, Tschad und Sudan. Rund 33 Millionen Menschen litten dort auch an Unterernährung. „Die Menschen haben Hunger und müssen täglich ums Überleben kämpfen. Auf dem Land ist das sichtbarer als in den Städten“, so der Bamberger Erzbischof. Viele zögen vom Land in die Städte in der Hoffnung, dort ein besseres Leben zu finden – was aber sehr oft nicht der Fall wäre.

Tschad leidet unter Terror von „Boko Haram“

Schick ist im Juni selbst in den Tschad gereist. „Dort haben Christen und Muslime viele Jahre friedlich miteinander gelebt“, erklärt er, „im Tschad ist ein spiritueller Sufi-Islam vorherrschend“. Von Norden dringe jedoch die radikale islamistische Organisation „Boko Haram“ ein, verübe Terrorakte, wolle einen islamischen Staat errichten und verlange Unterwerfung. In der DBK-Broschüre heißt es: „Ausgehend von Maiduguri im nigerianischen Bundesstaat Borno destabilisiert seit 2009 die radikalislamistische Terrormiliz Boko Haram inzwischen weite Teile der Tschadsee-Region: 1,8 Millionen Binnenvertriebene in Nigeria, Niger, Kamerun und Tschad, 20 000 Tote und unzählige Entführte zählen zu ihren Opfern. Landwirtschaft und grenzüberschreitender Handel kamen zum Erliegen.“ Der Tschad sei wesentlich davon betroffen: „ Allein die Angst vor Boko Haram hat 130 000 Binnenflüchtlinge im Tschad und 10 000 Flüchtlinge aus den Nachbarländern heimatlos gemacht, die nun entwurzelt im Tschad leben und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind.“ Die Broschüre, die schwerpunktmäßig den Tschad behandelt, informiert auch über den islamistischen Terror von „Al Qaida des islamischen Maghreb“ (AQIM) in Mali.

Bischöfe über Christenverfolgung in Afrika
Der Tschad ist das fünftgrößte Land Afrikas und war früher eine französische Kolonie. Wie die Broschüre informiert, ist die katholische Kirche dort vergleichsweise jung. Aufgrund der „gigantischen Entfernungen“ und der Rivalitäten zwischen den Kolonialmächten habe die „eigentliche Missionstätigkeit“ erst 1929 begonnen. In diesem Jahr wurde die erste katholische Missionsstation im Süden des Landes gegründet. Es gibt im Tschad heute 250 katholische Priester, 530 Ordensschwestern und 40 Ordensbrüder. Die Kirche ist in sechs Diözesen gegliedert.

Im Tschad mit 15 Millionen Einwohnern leben etwa 120 verschiedene ethnische Gruppen. Wie Erzbischof Schick erläutert, sind 58 Prozent der Gesamtbevölkerung Muslime und 35 Prozent Christen, darunter 18,5 Prozent Katholiken. Eine bedeutende Rolle spiele die starke und wachsende Einflussnahme Saudi-Arabiens. Dessen Förderung des radikal-wahhabitischen Islam habe in der Region die Spannungen zwischen Muslimen und Christen erheblich verstärkt.

Angst vor Arabisierung und Islamisierung

„Christen und Anhänger traditionell-afrikanischer Religionen befürchten eine allmähliche Arabisierung und Islamisierung des Landes“, heißt es in der Broschüre. Das Staatsfernsehen räume islamischen Programmen vergleichsweise viel Sendezeit ein, etwa für Wettbewerbe zur Koranrezitation. Während des Ramadan würden andere Sendungen dafür gestrichen. Regelmäßig würden Stimmen laut, die forderten, das tägliche Fernsehprogramm durch Koranverse zu beginnen und zu beschließen.

Die Menschenrechtslage habe sich in den letzten drei Jahren verschlechtert: „Rechtswidrige und willkürliche Verhaftungen, unwürdige Haftbedingungen, Folter und Formen von grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung sind an der Tagesordnung.“ Gefangene müssten lange auf ein Urteil warten: „Den Statistiken zufolge warteten am 31. Dezember 2016 auf dem gesamten Staatsgebiet offiziell 7 596 Gefängnisinsassen auf den Urteilsspruch.“ Das von Schwester Aida Yazbeck geleitete „Al-Mouna“-Kulturzentrum in N’Djaména fördert den Dialog zwischen religiösen und ethnischen Gruppen. Es wird von Misereor (katholisch) und „Brot für die Welt“ (evangelisch) unterstützt.

„Der christlich-islamische Dialog“, sagt Schick, „ist möglich. Er ist mit einigen Gruppen des Islam nicht möglich. Das ist Faktum. Und er ist mit anderen sehr wohl möglich. Unser Bestreben war und ist immer, die friedlichen und dialogbereiten Gruppen zusammenzubringen und so miteinander zu verbinden, dass Radikale keine Chance haben.“ Ein katholischer Radiosender im Tschad fordere öffentlich die Menschenrechte ein und versuche durch Aufklärung soziale Spannungen zu entschärfen. Der Erzbischof in der Hauptstadt N’Djamena, Edmond Djitangar, erklärt: „Im Vergleich zu anderen Staaten in der Sahelzone herrscht im Tschad neben vielleicht Burkino Faso noch die größte Toleranz, was mit der Ausrichtung des traditionellen Islam hier zusammenhängt.“ Doch würden neue salafistische Strömungen auch dem Staat Tschad Angst einflößen. „Die Salafisten haben es hauptsächlich auf das Bildungssystem abgesehen und untergraben es von innen“, so Djitangar.

Saudi-Arabien treibt Islamisierung voran

Auf die Frage dieser Zeitung zur Einflussnahme Saudi-Arabiens im Tschad erklärte der Erzbischof: „Der Botschafter Saudi-Arabiens betrachtet es ganz offiziell als seinen Auftrag, als Diplomat auch religiös zu wirken. Für dessen Verständnis gehört es zu seiner Aufgabe, nach Ende seiner Dienstzeit im Tschad sagen zu können, er habe dort 100 Moscheen gebaut.“

Djitangar wies darauf hin, dass die katholische Kirche frühere Ausbildungszentren im ländlichen Raum wegen fehlender finanzieller Unterstützung aufgeben musste. Er erklärte auch: „Die Gründung der Europäischen Union führte dazu, dass die frühere innerkirchliche Partnerschaft, die die Kirche im Tschad mit den Kirchen Europas pflegte, zerbrach. Sie war nicht auf die von der Europäischen Union festgelegten neuen Normen für die Entwicklungshilfe vorbereitet.“ Wie er auf Nachfrage dieser Zeitung erklärte, waren die formellen Anforderungen der EU für die Durchführung von Projekten für die Kirche im Tschad zu hoch gewesen. Inzwischen versuche man, auch mit Ausbildungskursen für Verwaltungsarbeit und Rechnungslegung ein positives Beispiel für den korrekten Umgang mit Fördermitteln zu geben.

Die Broschüre kann man auf der Homepage der Deutschen Bischofskonferenz kostenlos herunterladen: www.dbk-shop.de.


Dieser Beitrag von Michael Leh erschien zuerst in Die Tagespost. Katholische Wochenzeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur

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