Tichys Einblick
Ungarisches Tagebuch Teil 2:

Wahlkampf in Ungarn: Hacker greifen Orbán-freundliche Medien an

Kurz vor den Wahlen in Ungarn wurden mehrere Webseiten gehackt und damit den Lesern als „staatliche Propagandamedien“ vorgestellt. Die Täter thematisierten dabei auch die Haltung von Ministerpräsident Viktor Orbán im Ukraine-Krieg. Dahinter steht nicht nur für Ungarn die Frage nach nationalen Interessen.

Die Website von 888.hu wurde von politischen Gegnern des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán gehackt

IMAGO / NurPhoto

Am Montagmorgen bot sich Lesern ungarischer Webseiten, die der Orbán-Partei Fidesz nahe stehen, ein seltsamer Anblick. Auf den Homepages von Nemzeti Sport („Nationaler Sport“), Metropol, Figyelő („Beobachter“), Szabadföld („Freies Land“), 888.hu und Mandiner war eine Warnung zu lesen: „Diese Website ist Teil der staatlichen Propagandamedien! Wir haben Ihnen die Wahrheit gebracht. Unabhängige Presse statt Propaganda! Hier können Sie erfahren, wie die Propagandamedien Sie täuschen!“

Danach waren diese Seiten für einige Zeit nicht mehr erreichbar. Laut der deutschsprachigen Website Ungarn heute gaben die Angreifer an, „Mitglieder der Gruppe Anonymous zu sein, obwohl noch nicht bekannt ist, ob die Gruppe tatsächlich hinter den Hacks steckt“. „Nach Angaben von RTL Klub“, so Ungarn heute weiter, „machten die Hacker schon am Sonntag ihre Absichten deutlich und argumentierten: „(…) Wir glauben, dass es in dieser Situation das einzig moralische ist, jegliche Unterstützung für Wladimir Putins Krieg zu beenden. Jedes Unternehmen oder Land, das Russland weiterhin unterstützt, unterstützt dessen Kriegsverbrechen und die Tötung unschuldiger Zivilisten in der Ukraine. (…) In der Zwischenzeit agieren die ungarische Regierung und Ministerpräsident Viktor Orbán weiterhin wie das trojanische Pferd des Kremls in Europa und blockieren jegliche Maßnahmen zur Unterstützung des ukrainischen Volkes und Sanktionen gegen Russland. Sie müssen selbst entscheiden, auf wessen Seite Sie stehen. Zögern Sie nicht, ob Sie Sanktionen verhängen wollen oder nicht. Zögern Sie nicht, ob Sie den Handel mit Russland einstellen sollen oder nicht. Es gibt keine Zeit zum Zögern. (…)“

Ungarisches Tagebuch Teil I:
Ungarn: EVP–Chef Donald Tusk stellt Orbán mit Putin auf eine Stufe
Diese Botschaft der Hacker entspricht genau der Haltung der Opposition im Wahlkampf. Mit dieser Botschaft will sie die Ungarn überzeugen, Fidesz und damit die Regierung von Viktor Orbán abzuwählen. In Budapest sind in diesen Tagen Plakate der Opposition zu sehen, die Wladimir Putin im Gespräch mit Orbán zeigen. Nur haben diese Plakate den „kleinen“ Fehler, dass sie einen wesentlich jüngeren Putin und einen wesentlich jüngeren Orbán zeigen. Im Übrigen existieren Bilder, die Frank-Walter Steinmeier oder auch Emmanuel Macron viel inniger mit Putin zeigen. Ginge es also um Wahrheit, könnte man ähnliche Motive mit vielen Politikern Europas oder der USA, die noch im Amt sind oder noch vor Kurzem im Amt waren, plakatieren. 

Olaf Scholz hat vor Kurzem bei Anne Will erklärt, welche Bedeutung die nationalen Interessen haben. Nicht anders sieht das Ministerpräsident Viktor Orbán. Seine Haltung ist eindeutig, Ungarn hilft den Ukrainern und nimmt Flüchtlinge auf. Aber Ungarn wird alles unterlassen, wodurch das Land in den Krieg hineingezogen wird. Der ungarische Ministerpräsident sagte dazu am 27. März in Radio Kossuth: „In der Diskussion in Ungarn geht es darum, und diese läuft zwischen der Linken und der Regierung, nach welchen Grundsätzen man hier verfahren will. Müssen wir der Bitte der Ukrainer entsprechen oder müssen wir schauen, auf welche Weise wir so den Ukrainern helfen können, dass wir dabei nicht die ungarischen Interessen beschädigen? Zum Beispiel sollten wir uns nicht in den Krieg hineinziehen lassen, es soll kein einziger ungarischer Mensch in diesem Krieg sterben. Wir sollten unsere Wirtschaft nicht zerstören, doch sollten wir natürlich den Ukrainern helfen. Also sei die Alternative, die ich hier von Ferenc Gyurcsány oder irgendeinem anderen Chef der Linken gehört habe, dass es nur zwei Möglichkeiten gibt, dass wir uns entweder moralisch selbst beschimpfen oder unsere Interessen auf dem Altar der ukrainischen Interessen opfern und das tun, was der ukrainische Präsident sagt.“ In der Frage der Sanktionen und der Schließung des Luftraums sind die deutsche und die ungarische Haltung übrigens sehr ähnlich. 

Ungarn besitzt eine hohe Abhängigkeit von Gas- und Ölimporten. Deutschland übrigens auch. Deshalb formulierte Orbán sehr klar: „Unsere Gegner versuchen uns natürlich von dort wegzubewegen, uns dazu zu bringen, die nationalen Positionen aufzugeben, indem sie unsere Position negativ bewerten. Doch ist die ungarische Politik nicht ukrainefreundlich und nicht russenfreundlich, sondern es ist eine ungarnfreundliche Politik.“

Zeit zum Lesen
„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
Die Opposition versucht, die Wahl mit der Behauptung zu gewinnen, dass Viktor Orbán wegen seiner angeblichen Nähe zu Putin Schuld an dem Krieg trägt. Man muss schon sehr verzweifelt sein, das Leid der Menschen in der Ukraine für Wahlkampfpropaganda dieser Sorte zu missbrauchen. Und wenn einem nicht mehr als ein Hacker-Angriff einfällt, dann verfügt man offenbar über gar keine inhaltlichen Ideen. Entgegen anders lautender Behauptungen ist das Verhältnis der Medien, die Fidesz und denen, die der Opposition nahestehen, unterm Strich ausgeglichen. 

Die ungarische Justizministerin, Judit Varga, kommentierte laut Ungarn heute den Hacker-Angriff in einem Facebook-Post wie folgt:

„Die weltberühmte linke Pressefreiheit wird hier manifestiert. Heutemorgen wurden mehrere ungarische rechtsgerichtete Nachrichten-Websites angegriffen und unzugänglich gemacht, nur weil sie es wagten, etwas anderes zu sagen als die internationalen liberalen Mainstream-Medien“. Es scheint, dass wir von dem Konzept ‚Ich missbillige, was du sagst, aber ich werde dein Recht, es zu sagen, bis zum Tod verteidigen‘ zu dem Dogma ‚Wenn du nicht auf unserer Seite bist, werden wir dich zum Schweigen bringen‘ übergegangen sind. Die Ministerin stellt die Frage, „ist es das, was uns erwartet, wenn die Linke am 3. April an die Macht kommt? Die Schließung von Websites und die Schikanierung von Journalisten?“

Anzeige

 

Die mobile Version verlassen