Tichys Einblick
Giorgia Meloni begeistert die Mengen

Großkundgebung in Rom: Matteo Salvini kämpferisch

In Deutschland sind derzeit Duos aus Mann und Frau als Führungsspitzen hip. Die Italiener hätten für eine neue Regierung schon die richtige Protagonistin an der Seite von Matteo Salvini: die Römerin Giorgia Meloni wurde regelrecht gefeiert. Salvini erinnerte auch an die Journalistin und Autorin Oriana Fallaci.

Antonio Masiello/Getty Images

Die Schlacht ist noch nicht geschlagen, Matteo Salvini wirkt müde. Zuerst der Rücktritt aus der Regierung, dazu auch Kritik, die er einstecken musste. Die Anzeigen gegen ihn wegen der geschlossenen Häfen, dann berappelte er sich wieder: Alle zwei Tage tritt er persönlich im regionalen Wahlkampf an, in Umbrien wird gewählt, Lächeln in Handykameras, Hände schütteln, Umarmungen von zahllosen Wählern – und dazwischen noch ein Fernsehduell bei der Moderatoren-Ikone Bruno Vespa in der Sendung „Porta a Porta“, Tür an Tür, wo sich die beiden bekanntesten Matteos Italiens auf Kommando streiten sollten.

Matteo Renzi, der ehemalige Premier und PD-Chef, nun mit seiner neu gegründeten Partei Italia Viva irgendwie doch als Rohrkrepierer gestartet – auf gerade einmal 11 Prozent kommt der Sozialisten-Ableger demoskopisch.

Salvini souverän
Diplomatie am Tresen: "Mach Dir keine Sorgen, Angela ..."
Salvini sah beim TV-Duell etwas erschöpft aus und ließ Renzi seine persönlichen Attacken fahren. Salvini blieb fast zu ruhig, kommentierte aber nonverbal mit Seufzen, Aufstöhnen und damit, sich die Hände vors zu Gesicht halten. Der Lega-Chef hat sich emotional im Griff, denn er fiel Renzi nie ins Wort. Andersherum ist das Renzi nicht gelungen. Die Umfragewerte der Lega? Bei nunmehr satten 34 Prozent, manche sehen Salvini gar bei 39%.

Und nun also die Piazza San Giovanni in Rom – seit langem schon von Salvini reserviert – die Polizei schätzte 50.000, Salvini sprach von 200.000 Teilnehmern, die aus ganz Italien angereist waren. Für ein Fahnenmeer in Grün-Weiß-Rot sorgten die Bürger, mit den Parteiflaggen zeigten sie ihre Unterstützung, in erster Linie für Salvini.

Doch der ließ erst einmal anderen den Vortritt. Die Dramaturgie der Riesenkundgebung ließ nichts zu wünschen übrig. Auf den Mega-Leinwänden wurden Video-Einspieler gezeigt. Exakt solche wie das TV-Duell, als Renzi Salvini auch persönlich mit dessen Vita attackierte, über 30 Beleidigungen statt Programmpunkte wurden oben im Eck mitgezählt. Oder wenn der andere PD-Mann und ehemaliger Ministerpräsident, jetzt in der EU, Paolo Gentiloni, für offene Häfen und mehr Migranten warb. Ein Pfeifkonzert machte sich breit.

Ob Gentiloni, Di Maio oder kommunistische Lieder singende Politiker im Radio-Livestream, selbst Angela Merkel schaffte es auf die Leinwand mit Conte, der ihr einst etwas ins Ohr flüsterte – das alles wurde bildlich eingeblendet.

Die Mehrheit möchte mit Salvini Neuwahlen
Salvini in Rom: Ein Fahnenmeer gegen die Regierung
Das Publikum kam in Fahrt. Als dann aber auch noch Gad Lerner, ein bekannter Publizist und Fernsehjournalist, an den Massen leibhaftig vorbeilief, setzte ein gellendes Pfeifkonzert ein, Rufe wie „vai a casa“, geh nach Hause, wurden laut. Journalist Lerner, ein linker Intellektueller, der auch schon mal Israels Politik genauso wie Salvini kritisiert, dafür Moscheenbauten offen gegenüber steht, und seit er in einem Artikel einmal fragte, was wohl Salvinis Mutter über ihren Sohn denke, ist Gad Lerner kein gern gesehener Typ. Salvini selbst zählt ihn zur linken „Radical Chic“, die gern anderen moralische Maßstäbe vorgeben.

Wie Gad Lerner und Vertreter der linken Elite so ticken, zeigte sich sogleich, als sich der Journalist gern in ein Gespräch mit einem Zuschauer verwickeln ließ, und dabei abgehoben, ja, arrogant wirkend, seine Zigarre paffte.

Allesamt Bilder, die Salvini in die Karten spielen. Spontan sangen plötzlich 200.000 Italiener, als einer laut anstimmte, die italienische Nationalhymne – da schauten sich auch Journalisten betroffen an.

Richtungsentscheidung
Matteo Salvini macht Wahlkampf in Umbrien
Kurz zeigte sich dann Salvini auf der Bühne zur Begrüßung und bat um eine Schweigeminute für die im Dienst getöteten Polizisten und auch für umgekommene Arbeiter. Danach durften über 100 Bürgermeister auf die Bühne und nicht wenige von ihnen machten sich so richtig Luft. Es könne nicht sein, dass Rot regierte, Regionen (sowie die neue Regierung) nichts gegen den Personalmangel bei den Polizisten und Streitkräften unternehmen würden. Ein anderer Bürgermeister zählte nur die kriminellen und gewalttätigen Vergehen von männlichen Migranten binnen einer Woche auf und beendete diese mit, „es ist eine Schande, dass die Polizei kaum hinterher kommt und allein gelassen wird …“, sie brauchen mehr Unterstützung und die geschlossenen Häfen müssten wieder gewährleistet werden.

Der bekannte Präsident der Region Venetien mit Lega-Parteibuch, Luca Zaia, sagte unter großem Jubel,  „Sie (die Linken und die Regierung) beschimpfen uns als Rechte, und als Diktatoren“, dann seien sie aber die ersten „Diktatoren, die das Volk frei wählen lassen wollen.“ Hier auf der Piazza stehen Italiener, die ihren Stolz zurückhaben möchten. Sie möchten nur wählen, das sei auch ihr Recht. Vom Norden bis in den Süden.

Ein weiterer Koalitionspartner Salvinis könnte, kommt es zu Neuwahlen, ausgerechnet die Partei Forza Italia von Silvio Berlusconi werden. Als Berlusconi dann selbst oben am Rednerpult stand, dachte man für einen Moment, es sei eine Wachsfigur, wie einbalsamiert und gestrafft stand er da, im Hintergrund die Parteijugend. Es wäre besser gewesen, einigen von ihnen den Vortritt zu lassen. Berlusconi kann wohl nicht die Zukunft bedeuten, für die Matteo Salvini stehen will. Nur einige Nostalgiker finden Silvio Berlusconi noch gut, und auch er selbst schwelgte auch in der Vergangenheit. Einige Zuschauerreihen riefen denn auch „basta, basta!“.

Italien im Wahlkampf
Conte: Offene Häfen und Arbeit für Tausende Menschen aus Afrika
In Deutschland gelten derzeit Duos aus Mann und Frau als Führungsspitzen hip. Die Italiener hätten für eine neue Regierung wohl schon die richtige Protagonistin an der Seite von Matteo Salvini. Die Lokalmatadorin und Römerin Giorgia Meloni wurde regelrecht gefeiert. Und das nicht zu knapp. Zuerst genoss Meloni das Bad in der Menge, erfüllte alle Selfiewünsche, stand dann hinter dem Mikro und putschte die Massen nach Silvios langweilig einschläfernder Rede so richtig auf.

Giorgia Meloni, die Fratelli d‘ Italia-Chefin, kann reden und argumentativ attackieren, wie nur ganz wenige in Italien, ja, in Europa. Sie sieht sich mit ihrer Partei als Bewahrerin und Hüterin der europäischen und christlichen Werte, sie stehe ein für die italienische Identität, sprach sie laut mit fester Stimme ins Mikrophon. Ihre Worte hallten durch die Straßen der Hauptstadt.

Sie schenkte der amtierenden Regierung nichts. Diese Regierung müsse  sich schämen. Ausgerechnet die Fünfsterne-Bewegung von Gründer Beppe Grillo, sei mit den Roten (PD) eine Koalition eingegangen, ausgerechnet die Cinquestelle, die einst mit dem vulgären Slogan des „va fan culo“ (fuck yourself) die etablierte Politik aufgemischt haben, seien nun Teil des Systems? Sie (Meloni) meine, eigentlich müsse man der Fünfsterne-Bewegung den eigenen Spruch um die Ohren hauen. Und schon ertönte es, „Grillo, Grillo, va fan …“.

In der Heimat von Peppone und Don Camillo
Matteo Salvini auch vor Wahlen in der Emilia-Romagna
Sie sei auch gegen eine EU-Politik aus Berlin und Brüssel sowie Paris, die über alles bestimmen und eine Agenda für alle Lebenslagen vorgeben wolle. Von der ganzen „L-G-B-T-Q…I-A“- Bewegung halte sie nichts, sie könne es nicht mal aussprechen, der Genderwahnsinn sei gegen die menschliche Natur. Dann setzte sie an: „Ich bin Giorgia Meloni, ich bin eine Frau und Christin, habe eine Tochter, und ich bin nicht X, Y oder Z“, sie brauche genauso wenig wie alle Italiener eine „Gender-Codierung“, das sei Unmenschlichkeit pur.

Ferner sprach sie sich gegen Kinderadoptionen von gleichgeschlechtlichen Paaren aus, wer schütze oder frage denn die Kinder? Auch die Geschichte vom Kinderhandel in Bibbiano, in der auch einige PD-Funktionäre oder -Mitglieder involviert sein sollen, wickelte Meloni kurz ab, angewidert meinte sie: „Dieser Schmutz“, müsse aufhören. Und mit dieser Partei regiere nun Conte mit den Fünfsternen, obwohl sie lautstark mit der „Bibbiano-Partei“ nichts zu tun haben wollten. Mit ihr werde es in Italien ganz sicher keine Islamisierung geben. Wer hier in Italien ein Problem mit Kultur und Identität der Italiener habe, straffällig werde, müsse sofort zurückgeführt werden.

Am Ende rief Meloni zum Zusammenhalt auf und meinte Salvinis Lega sowie das Versprechen, nie mit den Gelben und nie mit den Roten zusammenzugehen.

Avanti
EU-Wahl Italien: Salvini triumphiert
Matteo Salvini schloss die Kundgebung mit seinem Auftritt. Ein Auftritt wie ein Tribun, die Spielregeln des modernen Populismus versteht und beherrscht er. Andere von der Linken mögen vielleicht einer Carola Rackete huldigen, er jedoch wolle an die längst verstorbene Oriana Fallaci, Publizistin, Journalistin wie Freidenkerin erinnern, die schon früh davor warnte, die eigenen Werte zu verraten und den politischen Islam zu ignorieren. Es folgte ein Kurzclip zu Fallaci.

Hier auf der Piazza San Giovanni sei mit 200.000 Bürgern das offene Italien, das geschlossene Italien mit den Sesselklebern würde im Regierungspalast sitzen, donnerte Salvini los. An die Zuschauer und Anwesenden gerichtet, sagte der Legachef nachdrücklich, sie seien die Protagonisten dieses denkwürdigen Tages, nicht die Politiker auf der Bühne.

Salvini war wieder ganz der alte, sprach aber bedächtiger und spottete auch: so viele Austritte, dann wieder Eintritte in die PD, als wären die Sozialdemokraten ein Therapiezentrum. Gegen Roms Verwaltung um Bürgermeisterin Virginia Raggi wurde auch ausgeteilt, „Rom muss wieder sicherer und sauberer werden“, die Bürger hier auf der Piazza, würden es ihr schon zeigen, dass der Platz nachher sauberer sei.

Man müsse für Italien und die jungen Leute Arbeit schaffen, Krankenhäuser verbessern, Straßen bauen, die Polizei stärken und die Häfen schließen. Das bedeute nämlich, weniger Tote auf dem Meer und den Menschenschmugglern endlich das Handwerk zu legen. Die Regierung und die Schleuser hätten Blut an ihren Händen.

Grillo habe vorgeschlagen, das Wahlrecht für die Alten in der Gesellschaft abzuschaffen, wer, so Salvini, sei danach dran?

Ganz neue Teilwende
Salvini kritisiert mangelnde Unterstützung durch Conte
Salvini weiter, „Alte, Behinderte und Kinder“ gehören immer geschützt, manche wollen das nicht begreifen. Auch deshalb habe er als Innenminister städtische Einrichtungen mit Kameras ausstatten lassen. Außerdem werde es mit ihm keine Legalisierung von Drogen geben, die nur Leid in die Familien und die Gesellschaft bringen. So manch ein Politiker in der Regierung müsse seinen Mund und das Gehirn vor dem Gebrauch miteinander verbinden.

Zur Europapolitik, legte Salvini seine Meinung dar. Wie oft habe er schon in den vergangenen Jahren gesagt, die Türkei gehöre nie in eine EU hinein, das sehe man jetzt wieder, wie mit den Kurden umgegangen werde. Und plötzlich täte die EU mit Merkel und Macron ganz verwundert, wieder mal. Ein Land, das Christen verfolgte, Armenier tötete und nun die Kurden bekämpfe, das sei definitiv nicht der Krieg Italiens, Applaus brandete auf.

Die Marschroute im Umgang mit der EU könne nur lauten, Freund eines jeden, aber sicher kein Diener von irgendwem. Die Steuern in Italien gehörten zudem gesenkt, die Kaufkraft der Bürger müsse gestärkt werden.

Und zuletzt, auch wenn die „Radical-Chic“-Linke den Slogan „Primi gli Italiani“, zuerst die Italiener, gern umdeuteten und behaupten Salvini und die Lega seien rassistisch. Ganz und gar nicht, jeder, egal welcher Herkunft und welcher Hautfarbe sei ebenso Italiener, wenn er hier Recht, Gesetz und Ordnung respektiere, Steuern zahle und seine Kinder zur Schule schicke.

Mit einem Dankeschön an alle Helfer und Einsatzkräfte und dem Ausruf „Viva Italia“, es lebe Italien, verabschiedete sich Salvini von den Jubelnden.

Zusammengefasst: Giorgia Meloni hat die Anwesenden begeistert, Salvini war fast staatsmännisch unterwegs, auf Silvio Berlusconi müssten beide verzichten können. Diese momentane Euphorie mit den guten Umfragewerten muss ins Ziel gebracht werden, aber allein das wird noch eine Herkulesaufgabe sein.

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