Es ist 7.000 Kilometer von den Britischen Inseln entfernt. Ascension Island liegt mitten im Atlantik, sozusagen vor der Spitze Brasiliens. Doch die Insel gehört noch immer als Überseeterritorium zum Vereinigten Königreich, und ist als solches heute im Gespräch. Auf ihr könnte eines der Offshore-Asylzentren entstehen, die ein neuer Gesetzentwurf der britischen Innenministerin Priti Patel ermöglichen soll. Daneben führt sie angeblich Gespräche mit der dänischen Regierung über die gemeinsame Nutzung eines Zentrums auf Territorium des Commonwealth-Mitglieds Ruanda. Patel spricht von den »radikalsten Änderungen« am »kaputten Asylsystem« ihres Landes seit Jahrzehnten, den ihr »Nationality and Borders Bill« bringen soll.
»Diese Gesetzgebung löst ein, wofür die Briten ein ums andere Mal ihre Stimme abgegeben haben: dass das Vereinigte Königreich die volle Kontrolle über seine Grenzen übernimmt.« So kann man es sagen. Man könnte auch formulieren, dass Patel die Notbremse zieht angesichts einer unkontrollierten Migration, die Großbritannien nicht aus einem Krisengebiet im engeren Sinne erreicht, sondern aus der benachbarten Europäischen Union. Laut dem Telegraph sind im ersten Halbjahr 2021 bereits mehr als 6.000 illegale Migranten über den Ärmelkanal nach Großbritannien gelangt – also doppelt so viele wie letztes Jahr. Eine Vereinbarung mit Frankreich oder der EU glückte nicht.
Boris Johnson unterstützt die Planungen des Home Office angesichts der steigenden Zahlen. Das Vorhaben erscheint insofern auch als Reaktion auf die Unmöglichkeit einer Problemlösung mit den europäischen Partnern. Im Mai hatte es Bürgerproteste in Dover mit Parolen wie »Stoppt die Invasion« gegeben. Dabei wurde teilweise der LKW-Grenzverkehr lahmgelegt.
Legale und illegale Einwanderung deutlich unterscheiden
Detailregelungen betreffen den Status quo: Grenzpolizisten dürfen in die Boote im Ärmelkanal einsteigen, die Insassen festnehmen oder sie direkt zurück nach Frankreich schicken. Ihre Pläne sieht die konservative Innenministerin als »hart, aber fair« an. Ähnlich wie der dänische Ausländerminister Tesfaye verweist sie auf die kriminellen Aspekte der irregulären Migration, namentlich »gemeine Kriminelle«, die den Menschenschmuggel betreiben und davon auch am Ärmelkanal noch profitieren.
Kritiker sehen Annäherung an europäische Regelungen
Auch Kritiker der Neuregelung kommen nicht umhin, darauf hinzuweisen, dass die EU-Regularien für die Behandlung von Schleppern sich in nichts von dem Patel-Gesetzentwurf unterscheiden. Es sei doch eine besondere Ironie, dass es erst den Brexit brauchte, um Großbritannien an dieser Stelle auf den Stand der europäischen Nachbarn zu bringen.
Allerdings kann von einer Anwendung dieser allgemein formulierten EU-Regeln (denn um mehr geht es nicht) oder auch der nationalen Gesetze beispielsweise im zentralen Mittelmeer keine Rede sein. Anders lassen sich die privaten Seenotrettungs-NGOs mit kirchlich-kommunaler Unterstützung nicht erklären. In Deutschland würde laut §96 des Aufenthaltsgesetzes die wiederholte Einschleusung oder auch Einschleusung zugunsten mehrerer Ausländer ausreichen, um eine Verurteilung zu begründen. Die Kritiker befürchten, dass tausende Migranten nicht mehr in der Lage sein könnten, Großbritannien zu erreichen, darunter Personen, die dort ein besseres Leben suchen.
Daneben plant Patel, auch Abschiebungen zu erleichtern, zum Beispiel indem sie nicht-kooperativen Ländern keine britischen Visa mehr ausstellt. Das Innenministerium selbst soll die Möglichkeit haben, Visumsanträge zurückzustellen oder für ungültig zu erklären, wie der Telegraph berichtet. Die Gedanken der britischen Innenministerin, die selbst indische Wurzeln hat, ähneln in vielem dem Plan der dänischen Regierung. Beide Länder nutzen Strecken, die von der EU-Streckenführung abweichen und werden auf diesem Wege langfristig zu anderen Ergebnissen kommen.