Tichys Einblick
Panama liegt in der EU

GroKo-Sondierung zum Steuerwettbewerb: „Kampf gegen das EU-Steuerparadies“

Gleich dreimal taucht in den Sondierungsgesprächen der Kampf gegen Steuerparadiese und gegen "aggressive Steuervermeidung". Aber wie soll das gehen, wenn EU-Staaten aus der Gruppe der sozialistischen Hochsteuerländer ausscheren?

Screenprint: Belas Clube de Campo

Die amerikanische Steuerberatung PWC beschreibt es in einem Bericht als „Europas bestes Geheimnis“ und bezieht sich damit auf die seit 2009 geltende, aber jetzt erst richtig genutzte freizügige Steuerpolitik für Zugezogene in Portugal. Die Amerikaner erklären dort ihren wohlhabenden ausländischen Kunden, „warum Portugal Ihre erste Steuersitzwahl sein sollte.“ Unter den Argumenten lesen sich: Wer die vergangenen fünf Jahre nicht in Portugal gelebt hat und dort mehr als 183 Tage im Jahr seβhaft ist, kann eine Befreiung von jeglicher Besteuerung von Gewinnen aus dem Herkunftsland genieβen. Bei den in Portugal erwirtschafteten Einkommen gibt es weitere attraktive Vorteile.

Mehr scheinen als sein
Empfehlung für Jean Asselborn: Erst denken, dann reden
Portugal, immer noch zweitärmstes Land der EU, ist zu einem Steuerparadies für Reiche geworden und kaum einer hat es gemerkt. Die Besteuerung zwischen EU-Ländern bei Renten oder anderen Einkommen aus dem Herkunftsland wird aufgrund dieser Gesetze für eine maximale Dauer von 10 Jahren ausgeschaltet, was derzeit gerade viele Spanier, Briten und Franzosen nach Portugal treibt. Eine Flatrate von 20 Prozent bei Einkommen aus akademischen Berufen wie Wissenschaftler, Ingenieur oder Mediziner lockt aber auch junge Start ups ins Land, vor allem in die sehr internationale, aber noch immer dekadente Hauptstadt Lissabon. Dort hat der Quadratmeterpreis einer Luxuswohnung aufgrund der steigenden Nachfrage inzwischen bis zu 12.000 Euro erreicht.
Darf die EU Steuerinseln zulassen?

Irland hat sich für große amerikanische Konzerne wie Amazon und Apple zu einem Steuerparadies entwickelt, weil Internet-Umsätze privilegiert werden und die Unternehmenssteuern generell minimal sind: Die Unternehmenssteuer liegt bei 12,5 Prozent, wenn denn das Unternehmen in Irland gemanged wird. Firmen wie der Technologiekonzern Apple müssen lediglich zwei Prozent Steuern zahlen.

Auch Ungarn wird immer mehr zu einem Paradies für Unternehmen  – die  konservative Regierung senkte 2017 die Einkommenssteuer auf 15 und die Körperschaftssteuer auf neun Prozent. Das Land will sogar noch weiter senken – aus „allokativen Gründen“, wie Péter Szijartó im TE-Magazin sagt, Minister für Außenhandel: „Wir werden daher die Steuern für Unternehmen, die die digitale Innovation vorwärts treiben, weiter senken. wir wollen Ungarn modernisieren und diejenigen steuerlich belohnen, die in dieses Ziel investieren“.

Gemessen daran halten sich die Steuererleichtungen für Unternehmen in Portugal noch in Grenzen. Dort hat es der Staat hat eher auf die Reichen dieser Welt abgesehen, die das Land als neuen Standort entdecken und bereichern sollen – wie auch Malta und Zypern, die neben ermäßigten Steuersätzen auch EU-Pässe anbieten. Aber wie lange kann es gut gehen, dass EU-Ausländer, wenn sie in Portugal wohnen, nur 20 Prozent Einkommensteuer bezahlen müssen, egal wie hoch ihr Gehalt ist, während der Portugiese bis zu 48 Prozent von seinem Gehalt an den Staat abdrücken muss?

Ach wie schön ist Panama
Steueroasen wären leicht auszutrocknen
Noch geht die Rechnung auf, weil die Portugiesen von den wachsenden Privatinvestitionen in den Immobilienmarkt profitieren. Das kleine Land neben Spanien, mit seinem gerade mal 10,4 Mio. Einwohnern, hat schlimme Zeiten hinter sich. Die Arbeitslosigkeit konnte auch dank dieser Investoren-freundlichen Steuerpolitik in den vergangenen vier Jahren von 16 auf knapp 9 Prozent gesenkt werden, die Wirtschaft wächst oberhalb der 2-Prozent-Grenze. „Die Bau- und Renovierungsindustrie boomen, aber auch der bisher schwache portugiesische Bankenmarkt erholt sich wieder,“ sagt der spanische Investitionsberater Juan Simon, der inzwischen auch seinen Wohnsitz in Portugal hat und zum Arbeiten wochenweise nach Madrid pendelt.
Europa ist scheinheilig bei der Steuerpolitik

Dennoch kann man sich aufregen, denn über Steuerparadiese in fernen, tropischen Ländern wird viel geschrieben und gemeckert. Die „Panama Papers“ waren ein Bestseller, dabei haben wir die Panamas direkt vor der Tür und sie sind auch noch legal. Es sind nicht nur die bekannten – Andorra, Zypern, Luxemburg oder die Kanalinseln Guernsey und Jersey, wo auch die Unternehmensbesteuerung bei 0 Prozent liegt – sondern Ungarn und Portugal gehören inzwischen auch dazu. Im Fall von Portugal lässt sich noch rechtfertigen, dass diese Steuerpolitik ein effizienter Weg aus der Schuldenkrise ist, wie auch der deutsche Ökonom Jürgen Donges es einschätzt: „Es ist wirtschaftlich intelligent, einem Land wie Portugal, das 2011 die Staatsrettung durch die EU beantragte, zu erlauben, dass es durch niedrige Steuern auf Auslandseinkommen für Zugezogene die Konjunktur zu stimulieren.“ Die öffentliche Verschuldung erreicht in Portugal immer noch 130 Prozent des BIPs, die private um die 200 Prozent. Aber welche Argument können Luxemburg, Monaco und Andorra anbringen, die rechtfertigen, dass Reiche dort wie im Paradies leben?

Auf die Kanzlerin kommt's an
GroKo-Sondierung: mutlos, ratlos, planlos
Es wurde viel darüber diskutiert in den vergangenen Jahren und der deutsche Investitionsberater und Ökonom Dieter Wermuth  fordert eine komplette Offenlegung der Zahlungsströme von reichen Einzelpersonen und Firmen mit Ländern wie Luxemburg, den Niederlanden, der Schweiz, Hongkong, Irland, Großbritannien, Malta, Zypern und Portugal, die von Ausländern nur sehr niedrige oder gar keine Steuern verlangen. Die GroKo spricht von einem automatischen „Informationsaustausch“, um Steuervermeidung auch im internationalen Rahmen zu bekämpfen. Das sind hehre Ziele – doch sie scheitern an den Ländern, die sich von niedrigen Steuern Wachstum erhoffen. Péter Szijartó hält niedrige Steuern für „vorbildlich“ – schließlich hätte die ungarische Bevölkerung durch drastische Sparmaßnahmen diese erst ermöglicht und solle jetzt von den Fürchten profitieren. So habe sich das Land aus einer wirtschaftlichen und fiskalischen Situation befreit, die der griechischen ähnlich war – aber aus eigenere Kraft und ohne dreistellige Milliarden aus Nord-Europa. „Auch das ist europäische Solidarität: Die eigenen Probleme selbst lösen“. Und wenn es konkurrenzlos niedrige Steuersätze sind. Das setzt Berlin unter Druck. Denn während weltweit die Unternehmenssteuer sinken, setzt die GroKo letztlich auf noch höhere Steuern – und erhöht damit von sich aus die Verführung, in Steuerparadiese auszuweichen.

Wir warten also mit Spannung auf die EU-Papers, die die Steuerparadiese und Steuervermeidung innerhalb der EU geißeln. Denn wer nach Panama will, kann auch Portugal nehmen.

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