Griechenland will die Türkei nun definitiv als sicheres Herkunfts- und Transitland klassifizieren. Das soll speziell für Migranten aus Syrien, Afghanistan, Pakistan, Bangladesch und Somalia gelten. Migranten aus den genannten Ländern, die nicht zufällig sämtlich über muslimische Bevölkerungsmehrheiten verfügen, machen einen Großteil der illegalen Migration an der griechisch-türkischen Grenze aus. 90 Prozent sind kein unwahrscheinlicher Wert.
Durch die Entscheidung erhofft sich die konservative griechische Regierung eine Vermeidung der illegalen Migrationsströme. So könne die »gemeinsame Erklärung« mit der Türkei endlich vollständig und »unbeirrt« umgesetzt werden, ließ Migrationsminister Notis Mitarakis verlauten. Das hört sich erst mal nach verstärkter Zusammenarbeit mit der Türkei an, läuft aber aufs Gegenteil hinaus.
»Das Nachbarland«, wie die Türkei in Griechenland oft schlicht genannt wird, sei dazu verpflichtet, die Tätigkeit von Schlepperbanden endlich zu unterbinden. Da die Türkei selbst ihren Verpflichtungen aus der Erklärung nicht nachkomme, kündigt Griechenland die Zusammenarbeit auf. Es geht nicht mehr um das Zurückschicken irregulärer Migranten, das ohnehin nie funktionieren konnte. Die Grenzen werden nach dieser und weiteren Entscheidungen der Athener Regierung stärker denn je geschützt werden.
Kommentatoren in Griechenland gehen davon aus, dass es irregulären Migranten aus der Türkei nicht mehr möglich sein wird, Asylanträge in Griechenland zu stellen. Wenn Anträge zugelassen werden sollten, sind Schnellverfahren möglich. Doch werden sie bei den oben genannten Herkunftsländern auch abgelehnt werden? Das glauben Beobachter, und zwar innerhalb von wenigen Tagen. Sie müssten dann ebenfalls wieder in die Türkei zurückgebracht werden. Natürlich erhofft man sich auch eine abschreckende Wirkung von der Entscheidung, die negative Asylbescheide und einen Zwangsaufenthalt in griechischen Abschiebezentren in Aussicht stellt.
Zurückweisungen sind für Athen das Mittel der Wahl
Eine andere Meldung aus der Tageszeitung Kathimerini sagt eindeutig, dass das Migrationsministerium am Ende auf mehr Zurückweisungen an den Grenzen abzielt – also auf jene Praxis, die in der hiesigen Presse als »Pushbacks« angegriffen wird. Illegale Migranten, die an der Grenze aufgegriffen werden, sollen danach umgehend »abgeschoben« werden, da dieses Verfahren leichter handhabbar und weniger zeitraubend sei als die Rückführung über die »gemeinsame Erklärung«.
Migranten ohne Anrecht auf internationalen Schutz müssten das Land sofort wieder verlassen, auch wenn das Herkunfts- oder Transitland dem nicht zustimmen sollte. Griechenland vermeidet so, dass die Türkei Ansprüche aus der jüngst erneuerten 2016er-»Erklärung« ableiten kann – etwa die dann legale Umsiedlung von Migranten in die EU im Austausch für zurückgeführte irreguläre Migranten von der griechischen Grenze. Für die Europäer wäre das endlich eine Win-win-Situation.
Der griechische Gesetzentwurf soll bald von Kabinett und Parlament verabschiedet werden. Nach ihm dürfen Migranten das Land außerdem nicht freiwillig verlassen, wenn sie eine Bedrohung für die Sicherheit des Landes darstellen oder die Gefahr besteht, dass sie »vom Radar verschwinden«. Die Verschärfung der Regeln zur freiwilligen Ausreise scheinen darauf angelegt, eine Pendelbewegung der Migranten zu verhindern, in der sie wieder und wieder an den griechischen Grenzen auftauchen.
Erste Schritte sind gemacht
Das Ziel aller dieser Maßnahmen ist, dass illegale Einwanderer nicht mehr über längere Zeit in Griechenland bleiben, indem sie Schlupflöcher oder »Unregelmäßigkeiten« des Systems ausnutzen. Mit diesem »System« kann wohl nur die bislang immer wieder gescheiterte, gemeinsame Migrationspolitik der EU gemeint sein.
Mit dem neuen Gesetz schafft die griechische Regierung auf nationalstaatlicher Ebene eine wichtige Voraussetzung für die Neufassung dieser Politik, die sich zur Nachahmung auch für Ceuta, Malta und Lampedusa empfehlen könnte. Das Gesetz gibt Instrumente an die Hand, die neben der technischen Aufrüstung der Grenzen dafür sorgen sollten, dass der Migranten-Zuzug aus türkischen Gewässern und am Evros konsequent abgeschnitten wird.
Erste Schritte sind gleichwohl gemacht. Im ersten Quartal dieses Jahres verzeichnete Griechenland 2.463 irreguläre Neuankünfte. Laut offiziellen Zahlen hielten sich Ende Mai noch knapp 84.000 Asylbewerber im Lande auf. Auf den Inseln der Nordägäis leben zum ersten Mal seit 2015 wieder weniger als 10.000 Asylbewerber.
Zugleich werden die Nachrichten von neu eintreffenden illegalen Kleingruppen an der Landgrenze im Nordosten mehr statt weniger. Angeblich ist nun auch Bulgarien ein Problem, indem es Illegale durchlässt, die dann an der griechisch-bulgarischen Grenze nach Griechenland gelangen. Durch das griechische Thrakien und Makedonien ziehen sich die Netze der Schleuser. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht junge Männer – meist selbst Migranten – beim Schleusen erwischt und verhaftet werden. Anfang Juni wurden sechs Ausländer und ein Grieche in verschiedenen nördlichen Provinzen gefasst. Man kann das natürlich auch positiv sehen: Immerhin werden sie gefasst.