Tichys Einblick
Nach dem Droh-Brief an Musk

Richard Grenell: Breton hat sich in die US-Wahl eingemischt

In Brüssel schreibt ein Eurokrat einen fast drohenden Brief an Elon Musk, weil der ein öffentliches Gespräch mit Donald Trump führen will. US-Republikaner sehen den Brief als Wahleinmischung. Sogar Ursula von der Leyen muss zurückrudern. Wird Thierry Breton noch einmal EU-Kommissar?

picture alliance/dpa/MAXPPP | Olivier Corsan

Seltsame Dinge gehen vor in Europistan. Weil ein Südafrikaner mit kanadischer und US-amerikanischer Staatsbürgerschaft sich auf der Online-Plattform X mit dem Präsidentschaftskandidaten der US-Republikaner unterhält, ruft der EU-Kommissar für den Binnenmarkt den Eigner der Plattform schon vorab zur Ordnung. Sein Schreiben stellte der Franzose Thierry Breton – Ex-Manager, Ex-Minister in sozialistischen Regierungen, Millionär – unter die Überschrift: „Mit einem größeren Publikum kommt größere Verantwortung.“ Die Bedeutung dieses Satzes hat er jetzt selbst erfahren. Auf seinen Brief hin ist ein Streit zwischen der EU mit ihrer scheidenden Kommission und den US-Republikanern ausgebrochen, die sich mit Donald Trump Hoffnungen auf eine neue Amtszeit im Weißen Haus machen.

Sein ehemaliger Botschafter in Berlin, Richard Grenell, sprach auf Fox News ein schneidendes Urteil: Er verstehe, dass die EU-Europäer „nicht dasselbe Recht auf freie Meinungsäußerung und keinen ersten Verfassungszusatz haben wie die Amerikaner“. Aber nun hätten sie (also Breton) „sich in unsere Wahl eingemischt, indem sie versucht haben, die Meinungsfreiheit einzuschränken und Donald Trumps Politik als Fehlinformation oder schlecht oder negativ zu bezeichnen“. In der Tat, wie anders sollte man Bretons Brief verstehen? In dem Gespräch von Elon Musk mit Donald Trump erkannte Breton in seinen eigenen Worten ein „Risiko der Verbreitung schädlicher Inhalte“.

Ein Sprecher der Trump-Kampagne äußerte sich ähnlich empört: „Die EU sollte sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern, anstatt zu versuchen, sich in die US-Präsidentschaftswahlen einzumischen.“ Das sind vielleicht die ersten Anfänge einer Gegenwehr aus den USA gegen die Zensur-Verordnung der EU namens Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act, DSA).

Befürchtet: Ausstrahlungseffekte auf die EU

In der Tat ist Breton seit dem Nahel-Sommer 2023 – mit Migrantenunruhen in allen größeren Städten des Landes – als feuriger Befürworter der Zensur bekannt. Er ist mit seiner Slalomkarriere zwischen Großkonzernen und Staatsämtern ein typischer Vertreter der französischen Elite. Als Binnenmarkts-Kommissar freute er sich schon letztes Jahr über die baldigen Möglichkeiten der Kommission, die im Krisenfall ganze Plattformen vom Netz nehmen könnte. Ganz zu schweigen von den feineren Instrumenten, die das Durchkämmen von Social-Media-Seiten und Handy-Apps nach bestimmten Inhalten und deren Löschung sowie die Verbannung (oder Verschattung) von Nutzern, Trends und Einzelposts umfasst. Das erinnert an frühere Zustände auf Twitter, die Musk im Zeichen der Redefreiheit beendet hat. Kein Wunder, dass Breton Musk als seinen größten Gegner ansieht.

Gleich zu Beginn des Briefs spielt der EU-Kommissar auf „neuere Ereignisse im Vereinigten Königreich“ an, als ob Musk persönlich an den dortigen Unruhen gegen Migrantenkriminalität teilgenommen hätte. Und es geht weiter: „Wie ich sehe, unterziehen Sie die Plattform [X] derzeit einem Stresstest.“ Das scheint spöttisch, süffisant gemeint – ziemlich unpassend für einen offiziellen Brief, fast ist es Sarkasmus. Breton spricht von Musks politischen Tweets und seinen häufigen Nachfragen (nach dem Muster „Ist diese oder jene Meldung zutreffend?“), als ob sie einen „Stresstest“ für die X-Nutzer darstellten. Und sicher ist X eine ziemlich große Plattform mit angeblich 100 Millionen Nutzer in der EU. Aber was sollte daraus für das Gespräch Trump/Musk folgen?

Breton selbst sagt, dass er mögliche „Ausstrahlungseffekte“, also ein „Überschwappen“ von Inhalten auf die EU befürchtet. Die absolute Meinungsfreiheit, die Musk auf X zur Regel gemacht hat, soll nun auch wieder in der EU gelten? Für den Kommissar ist das zum Fürchten. Breton erinnert Musk daran, dass ein „formales Verfahren“ der EU gegen X wegen der nicht weiter konkretisierten „Verbreitung illegaler Inhalte“ schon laufe. Von Musk erwartet Brüssel zudem Maßnahmen, um Desinformation zu bekämpfen.

Das hebt Breton noch einmal hervor, um dann den Verdacht zu säen, dass es auf X auch aktuell Aufrufe zu „Gewalt, Hass und Rassismus“ geben könnte, vor allem „in Verbindung mit größeren politischen – oder gesellschaftlichen – Ereignissen auf der ganzen Welt, darunter Debatten und Interviews im Kontext von Wahlen“. Die Absicht ist klar: Breton nimmt sich das Recht, das Gespräch Musk/Trump vorab einer Gedankenzensur zu unterwerfen. Debatten und Interviews im Kontext von Wahlen – das hielt man bisher für wertvoll, damit sich die Wähler gut informiert entscheiden können. Jetzt greift ein (nicht vom Volk gewählter) EU-Kommissar ein solches Gespräch schon im Vorfeld an und stellt es unter einen Generalverdacht.

Breton hat sich an der Sache verhoben

Donald Trump bemerkte im Gespräch mit Musk, dass er all das für einen Schachzug im Wettrennen der Großmächte hält, zu denen eben auch die EU gehören möchte. Deshalb bekämpfe sie eines der US-amerikanischen Big-Tech-Unternehmen, das dem EU-Establishment wohl auch politisch nicht ganz in den Kram passt.

Und natürlich hätten Musk und Trump über politische Wahlen oder gesellschaftliche Unruhe in Europa und anderswo sprechen können, und das wäre natürlich in der typisch Muskschen und Trumpschen Art geschehen; sie taten es nicht. Daneben hätte Trump auch für die Errichtung einer Mauer plädieren können oder für die Abschiebung sehr vieler illegaler Zuwanderer aus den USA – und er tat es, und das war weder neu noch „illegal“. Wozu also es verhindern? Am Ende richteten sich Bretons Befürchtungen im Grunde und primär gegen Musk und seine Plattform der absoluten Meinungsfreiheit X. Er spricht vollkommen offen von der Gefahr, dass „illegale Inhalte auf X“ einen „negativen Effekt auf die EU“ haben könnten. Eins ist aber klar: Breton hat sich gründlich an der Sache verhoben. Und als Kommissar wieder bestätigt ist er noch keineswegs. Aber das wird wohl irgendwie gelingen in Brüssel und Straßburg. Angeblich wünscht sich Breton nun das Digital-Ressort. Das erstaunt nicht.

Aber selbst Kommissionschefin von der Leyen musste mitteilen lassen, dass die EU sich grundsätzlich nicht in Wahlen einmische. Sie musste aber auch den EU-Bluthund Breton zurückpfeifen. Der scheint, so wird es vermittelt, auf eigene Faust gehandelt zu haben, als er diesen fast schon drohenden Brief an Musk schrieb. Die Zustimmung der Kommission soll er nicht eingeholt haben, wie ein Sprecher am Dienstag erklärte. „Zeitpunkt und Wortlaut des Briefs“ seien weder mit der Präsidentin noch mit anderen Kommissaren abgestimmt oder vereinbart worden.

War Breton hier also die Handpuppe von Emmanuel Macron? Tatsächlich hatte auch die EU-Abgeordnete Valérie Hayer aus Macrons Partei einen solchen Warnbrief an Musk gefordert. Aber man hört auch, dass der Kommissar eine sehr eigene Art „zu arbeiten und zu denken“ hat. Nun ja, er ist Franzose und glaubt daher, eine Mission in der Welt zu haben, auch wenn das nicht so ist.

Auch in England wünschen manche sich mehr Zensur

Aber auch in manchen Londoner Kreisen gilt Musk seit den Southport-Unruhen nun als gefährliche Person. Auch hier rufen verschiedene Stimmen schon nach einer Verschärfung des Online Safety Acts, der gerade beschlossen noch nicht einmal vollständig angewandt wird. Auch hier ist der Übergang zur Gedankengerichtsbarkeit praktisch schon gemacht. So findet Jonathan Friedland, Kolumnist beim links-woken Guardian, dass Musk wie so viele andere Nutzer von X vor ein britisches Gericht gehört. Friedlands Problem ist, dass Musk oder seine Online-Persona sich nicht mehr deutlich von der eines Tommy Robinson unterscheiden ließen: „Musk hat nicht nur die Super-Teiler der extremen Rechten zugelassen: Er ist selbst einer von ihnen.“

Nun gibt es Meinungsfreiheit, auch Friedland darf also schreiben, was er will. Und sicher steht er weit links von Musk oder Robinson. Aber schauen wir ruhig kurz auf seine eigene Gesellschaftsvision. Friedland wünscht sich, dass „Schulen Informationshygiene lehren“, damit Kinder „lernen, Fake News zu vermeiden, so wie sie giftige Lebensmittel meiden würden“. Das geht schon in die Richtung eines totalitären Schulsystems, in dem nicht mehr gesichertes Wissen und Methoden gelehrt werden, sondern Richtig und Falsch, vielleicht sogar Gut und Böse.

Für Friedland ist klar, dass man in Großbritannien Online-Gesetzgebung „mit Zähnen“ braucht. Dafür ist er auch bereit, noch härtere Gesetze als die geltenden zu akzeptieren. Er hat es eilig: „Wenn das bedeutet, dass neue Gesetze, die noch nicht vollständig umgesetzt wurden, verschärft werden müssen, dann soll es so sein.“ Friedland folgt hier dem Londoner Bürgermeister Sadiq Khan, der ebenfalls eine „sehr, sehr schnelle“ Revision des Online Safety Acts gefordert hat. Das Gesetz reiche nicht aus, ist sich Khan sicher. Regulierungen für Online-Plattformen müssten kommen, wenn „sie ihr eigenes Haus nicht in Ordnung bringen“.

Auch Friedland wünscht sich – ganz nach dem Vorbild des Digital Services Act der EU – „Strafen für Social-Media-Unternehmen, die ihre selbsterklärten Standards nicht beachten“. Am besten sollte man die Eigentümer – also in diesem Fall Elon Musk – persönlich mit Geldstrafen belegen, weil die Unternehmen sogar von hohen Strafen kaum berührt würden. Kurz gesagt: Auch in London wünschen sich manche ein Instrument vergleichbar dem DSA, mit dem große Online-Foren zur Zensur gezwungen werden können.

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