100.000 Euro hat das Oberverwaltungsgericht in Paris einer europaweit bekannten sogenannten „Nichtregierungsorganisation“ (NGO) aberkannt. Es war eine Subvention, die der Rat der Stadt Paris der Hilfsorganisation für Migranten „SOS Méditerranée France“ schon im Juli 2019 zukommen ließ. Seit 2016 hatte der Verein das vormalige Vermessungsschiff Aquarius gechartert (zugelassen für 500 Personen), um im Mittelmeer Such- und angebliche Rettungsaktionen durchzuführen. 2019 erwarb man den Offshore-Versorger Ocean Viking für dieselbe Aufgabe mit mindestens ähnlichem Fassungsvermögen.
Geklagt hatte ein „Pariser Steuerzahler“, dessen erste Klage im August 2021 laut der Website Acta Paris vom Verwaltungsgericht Paris zurückgewiesen worden war. Es soll sich um Antoine Oziol de Pignol handeln, der Mitglied im rechtsextremen Groupe union défense sei. Die Begründung der Klage lautet, dass eine solche Hilfe im Gegensatz zum Neutralitätsprinzip des öffentlichen Dienstes steht. Und ganz gleich wie man zu den politischen Aktivitäten des Klägers steht, hat doch jeder Bürger das Recht zu einer solchen Klage.
NGO will „von Realität der Rettungsaktionen künden“
Das Interessante ist nun aber: Dieser Begründung, so sehr sie auch einleuchten mag, gab das Oberverwaltungsgericht bei seiner Annahme der Klage eben nicht statt. Denn angeblich, so der Beschluss des Gerichts, darf eine französische Gebietskörperschaft auch „einer Vereinigung (…) rechtmäßig eine Subvention gewähren, wenn diese Subvention darauf abzielt, (…) eine Aktion (…) mit humanitärem Charakter durchzuführen“, ohne dass „diese Aktion einem lokalen öffentlichen Interesse“ entsprechen muss. Humanitäre Kreuzfahrten im Mittelmeer wären also an und für sich ein noch akkurater Ausgabenzweck für das Rathaus Paris und die Steuern der Bürger.
„Seine (des Vereins) Tätigkeit ist Teil eines internationalen Netzwerks (…), das im Mai 2015 initiiert wurde und darin bestand (…) zunächst die Aquarius (…) und dann die Ocean Viking zu chartern, um Drittstaatsangehörige, die durch Libyen reisen und irregulär in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union gelangen wollen, auf See zu retten.“ Daneben bemerkt das Urteil, dass diese Migranten das Mittelmeer gewöhnlich in behelfsmäßigen Booten und „durch die Vermittlung von Schleppernetzen“ überqueren. Das habe „zwischen 2016 und 2018 fast 30.000 Personen“ betroffen.
SOS Méditerranée kritisiert „Politiken der Europäischen Union“
Wichtiger als diese Dinge waren die propagandistischen Aktivitäten der NGO für die Richter, denn neben ihrer rein „humanitären“ Aktion würden die NGO-Betreiber auch „die Politiken der Europäischen Union“ öffentlich kritisieren. Das wiederum habe „dazu geführt, dass es regelmäßig zu Spannungen und diplomatischen Streitigkeiten (…) zwischen Frankreich und Italien gekommen ist“. Das wiederum bringe aber den Rat der Stadt Paris in Bedrängnis, denn wenn man die Einmischung der NGO in die große Politik unterstütze, ergreife man ja auch selbst Partei in Angelegenheiten, die zur französischen Außenpolitik gehören. Das Gericht hob den Ratsbeschluss auf und verurteilte die Stadt Paris zu einer Zahlung von 1.500 Euro an Antoine Oziol de Pignol. Bis zum 3. Mai kann Anne Hidalgo noch Berufung gegen das Urteil einlegen. Tatsächlich will die Stadt den nationalen Staatsrat (Conseil d’État) in dieser Sache anrufen.
Vor dem Verwaltungsgericht Nantes klagte ein Politiker des Rassemblement national (RN), Gauthier Bouchet, am 21. September 2022 gegen eine Entscheidung des Rats von Saint-Nazaire, wonach 10.000 Euro an SOS Méditerranée gehen sollten. Die Summe müsse zurückerstattet werden. Das Verwaltungstribunal reagierte ablehnend. Am 5. Oktober ging es um 20.000 Euro, die das Département Hérault an die SOS-NGO zahlte. Auch das Verwaltungsgericht Montpellier entschied – mit etwas anderer Abwägung als Paris – gegen den Kläger und zugunsten der NGO. Damit muss der Rechtsstreit in beiden Fällen nicht abgeschlossen sein.
Hunderte Klagen könnten folgen – klares Signal an die Kommunen
Schon seit Jahren subventioniert die Stadt Lille SOS Méditerranée. Wie der Miroir du Nord (mit Liste) berichtet, könnten dutzende oder hunderte Kommunen und Gebietskörperschaften betroffen sein von weiteren Klagen und Berufungsklagen.
Insgesamt sind derzeit – laut der Anwaltskanzlei, die SOS Méditerranée vertritt – sechs Klagen anhängig, vier Mal sei von der Gegenseite Berufung eingelegt worden. Vertreten würden alle Klagen vom selben Anwalt, der allerdings nie vor Gericht anwesend sei. Es handele sich um einen „politischen Kampf“, bemerkt die Kanzlei und formuliert die gewünschte Botschaft gleich selbst: „Das sendet ein Signal an die Kommunen: ‚Wenn Sie SOS Méditerranée unterstützen, dann stellen Sie sich auf Rechtskosten ein‘.“
Es bleibt festzustellen, dass der diplomatische Streit zwischen Frankreich und Italien über die Aufnahme von Migranten-NGO-Schiffen erste Folgen zeitigt. Es ist nicht mehr selbstverständlich, dass eine französische Kommune eine solche NGO unterstützen darf. Die Uneinigkeit musste auf der Ebene der Mitgliedsstaaten artikuliert werden, um diese Folge zu bewirken. Mindestens drückt sich in dem Pariser und einigen anderen Gerichtsbeschlüssen aus, dass sich der Wind auch in Frankreich wendet und die gefährlichen Folgen der Massenzuwanderung über das Mittelmeer immer mehr gesehen werden.