Tichys Einblick
"Woher kommen Sie?"

Die britische Monarchie im Minenfeld der antirassistischen Identitätspolitik

Die medial dominante Linke in Großbritannien sieht ihre Chance gekommen, das Königshaus anzugreifen. Es geht um einen Vorfall, der vermeintlich Rassismus im Buckingham Palast belegen soll – aber vor allem die inneren Widersprüche der Identitätsideologie offenbart.

Als vor kurzem Königin Elizabeth II. starb, waren viele Beobachter erstaunt darüber, wie relativ störungsfrei der Übergang der Krone auf ihren Nachfolger Charles III. verlief. Charles war als Kronprinz nicht unbedingt populär; persönlich galt und gilt er als ein wenig verschroben und noch dazu als linkisch. Allzu sehr scheint er überdies einer Welt von aristokratischen Privilegien anzugehören, für die die meisten Briten nicht mehr allzu viel übrig haben. 

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Aber von diesen Vorbehalten gegen den neuen Monarchen merkte man zunächst wenig. Die Kritiker sahen sich genötigt, sich mit feindlichen Kommentaren zurückzuhalten, da die öffentliche Stimmung den neuen Monarchen eher begünstigte. Aber diese Zeit der medialen Waffenruhe ist jetzt offensichtlich vorüber. Die politische Linke, die generell alle englischen kulturellen Traditionen kritisch sieht und natürlich auch die Monarchie, die viele dieser Traditionen verkörpert, sieht jetzt ihre Stunde gekommen und wartet nur auf den Moment, in dem der neue Herrscher in ein Fettnäpfchen tritt oder einen anderweitigen Fehler macht. 

Munition wird ihr geliefert aus dem Kreis der Dynastie selbst, denn Prinz Harry und seine fatale Gattin Meghan führen seit langem eine Kampagne gegen das Königshaus. Meghans Enttäuschung darüber, in Großbritannien nicht zum königlichen Medienstar geworden zu sein, und Harrys eigene Verbitterung über das harte Los des Zweitgeborenen verbinden sich hier zu einer toxischen Mischung. Zumindest in den USA, wohin der Herzog und die Herzogin jetzt übergesiedelt sind, stoßen Harry und seine Gemahlin auf eine Öffentlichkeit, die nur allzu gern jede Horrorgeschichte über das englische Königshaus glaubt.

Aber der aus der Art geschlagene Sohn, der sich mit seinem Vater seit seiner Ehe überworfen hat, dürfte jetzt eine Chance haben, auch in England selbst die Fundamente der Monarchie zu untergraben, was offenbar sein sehnlichster Wunsch ist. 

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Ein eher zufälliger Vorfall liefert ihm jetzt jedenfalls Munition. Zu einem Empfang im Buckingham Palace war vor kurzem auch die Leiterin einer Wohltätigkeitsorganisation namens „Sistah Space“ eingeladen, eine Aktivistin namens Ngozi Fulani. Sistah Space kümmert sich um Frauen karibischer und afrikanischer Herkunft, die Opfer häuslicher Gewalt sind. Fulani hat die Organisation gegründet und betont bei jeder Gelegenheit ihre eigene afrikanische Herkunft, oder die ihrer Vorfahren. Wie wichtig ihr diese ist, zeigt der Umstand, dass sie ihren Geburtsnamen Marlene Headley durch einen afrikanischen Namen ersetzt hat und meist Kleidung in afrikanischem Stil trägt. Von daher würde man erwarten, dass sie sich freut, auf die Herkunft ihrer Familie aus Afrika angesprochen zu werden. Aber das ist anscheinend nicht der Fall.

Jedenfalls hatte eine altgediente Bedienstete des Hofes, Lady Hussey, eine Tochter des 12. Earl Waldegrave und eine langjährige Vertraute der verstorbenen Königin, beim besagten Empfang im Palast das Pech, auf Madame Fulani zu stoßen. Lady Hussey, das muss man zugeben, ist mit der Welt der heutigen Mikroaggressionen respektive der Empörung über solche vermeintlichen Aggressionen nicht vertraut. Sie fragte daher Fulani, woher sie stamme, und als Fulani einfach nur auf den Londoner Stadtteil verwies, in dem sie aufwuchs, insistierte sie mit der Absicht zu erkunden, aus welchem Teil Afrikas Fulanis Vorfahren ursprünglich kamen. 

War das klug? Sicher nicht. War es taktvoll? Auch das sicher nicht. Allerdings kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Fulani, die das Gespräch offenbar auch mit Hilfe ihres Handys aufzeichnete, wie man jetzt hört, die greise Hofdame, die anscheinend noch überdies schwerhörig ist, bewusst in eine Falle lockte. Sie wollte, dass es zum Skandal kam, und der Erfolg gab ihr Recht. Und Fulani ist kein Unschuldslamm.

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 Wie ihre Tweets aus den vergangenen Jahren anscheinend zeigen, verachtet sie das Königshaus und legt auch großen Wert darauf, dass Sistah Space nur schwarzen Frauen hilft, keinen weißen oder asiatischen – das spricht nicht gerade für sie, denn man kann darin eine Form des Rassismus sehen. Indes, daran waren die Medien nicht interessiert. Hussey wurde, nachdem Fulani an die Öffentlichkeit gegangen und sich über den vermeintlichen Rassismus des Hofes lautstark beschwert hatte, umgehend entlassen, respektive zur Aufgabe ihres Hofamtes gezwungen, und Prinz William distanzierte sich nachdrücklich von seiner Patentante, denn das ist Lady Hussey.

Was zeigt dieser Vorfall? Zum einen, dass ein Hofstaat, der immer noch nach traditionellen Prinzipien funktioniert, nicht mehr zeitgemäß ist. Im Palast sind Schlüsselfunktionen immer noch in der Hand lang gedienter Aristokraten ohne politisches Gespür und ohne jene soziale und kulturelle Kompetenz, die man heute in einer Welt braucht, in der jedes Wort von der Gegenseite als eine Art Kriegserklärung verstanden werden kann, und man letzten Endes in der Öffentlichkeit so wie einst an den Höfen der Renaissance stets eine undurchdringliche Maske tragen muss, wenn man überleben will.

Das war sicherlich nicht Lady Husseys Stärke. Anfang der 1990er Jahre soll sie einen Gast bei einem Empfang im Palast gefragt haben, womit er denn sein Geld verdiene. Der Gast antwortete, er sei Präsident der Vereinigten Staaten, es handelte sich um George Bush den Älteren. Ob er durch die Frage dauerhaft traumatisiert wurde, ist freilich nicht überliefert. Solche Hofbediensteten wird sich Charles III., wenn die Monarchie überleben soll, nicht mehr leisten können; er braucht Leute, die in jeder Konversation die Gefahr einer tödlichen Falle sehen und nie ihre wahre Meinung öffentlich äußern, ja am besten noch nicht einmal eine wahre Meinung besitzen.

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Umgekehrt fragt sich allerdings auch, wie man mit Zeitgenossen wie Frau Fulani umgehen soll. Wie passt es zusammen, die eigene Herkunft aus Afrika wie eine Monstranz vor sich herzutragen, und andererseits jede Frage nach dieser Herkunft, die impliziert, dass man eben nicht einfach nur englisch sei, als rassistisch zu betrachten? Hier liegt ein Widerspruch vor, ebenso wie bei jenen Leuten, die die große kulturelle Diversität moderner Großstädte jede Minute feiern und durch unbegrenzte Zuwanderung noch steigern wollen, dann aber hysterische Anfälle bekommen, wenn jemand sie darauf aufmerksam macht, dass einheimische kulturelle Traditionen zunehmend marginalisiert wurden oder ganz verschwunden sind, dass also zum Beispiel London heute viel weniger eine spezifisch „englische“ Stadt ist als vor 50 Jahren.

Bei den professionellen Antirassisten wie Frau Fulani handelt es sich oft um Leute, die nie wirklich ehrlich sind und sich im Kampf gegen ihre politischen Gegner auch nicht an die Regeln des Anstandes gebunden fühlen. Ähnliches gilt für andere „woke“ Vorkämpfer gegen vermeintliche strukturelle Diskriminierungen, die etwa den Kritikern der Cancel Culture unterstellen, sie seien Antisemiten, wie es die Bundestagsabgeordnete Marlene Schönberger vor kurzem getan hat.

Ein ehrliches Gespräch mit diesen Leuten ist unmöglich. Da ihnen jeder Trick angemessen erscheint, um ihre Gegner oder eher Feinde zu denunzieren und zu diffamieren, muss man sie im Zweifelsfall mit den eigenen Waffen schlagen, und ebenfalls mit den Mitteln der Täuschung und der Dissimulation arbeiten. Wie sagte Descartes im 17. Jahrhundert? „Larvatus prodeo“ – ich gehe maskiert einher, um damit auf den Selbstschutz vor religiöser Intoleranz anzuspielen. Larvatus prodeo ist auch heute die einzige mögliche Lebensmaxime für den, der nicht selbst zu den Wokerati und hauptberuflichen Antirassisten gehört. Es war Lady Husseys Unglück, dass sie das nicht begriffen hat.


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