Einmal im Jahr versammelt die Führung der Kommunistischen Partei der Volksrepublik China 3.000 Spitzenfunktionäre zu einem sogenannten Volkskongress in der Großen Halle des Volkes in Peking. Sieben lange Tage lauschen die Delegierten den oft stundenlangen Ausführungen der roten Mandarine. Die Gesichter sind dabei konzentriert, die Körperhaltungen aufrecht ohne jedes Anzeichen einer Schwäche. Unterbrochen wird das Ganze durch minutenlange Beifallsstürme, die zu einem Tornado anwachsen, wenn die Nummer Eins des Riesenreiches, der sich selbst durch eine Verfassungsänderung das Amt auf Lebenszeit sicherte, Xi Jinping, das Wort ergreift. Vorbei sind seit 2016 die Zeiten kollektiver Führung. Wie einst unter Revolutionsführer Mao Tse Tung ist die Macht über annähernd 1,5 Milliarden Menschen wieder in der Hand einer Person. Der Diktator regiert mit eiserner Faust. Nur ab und zu dringt etwas von den Säuberungswellen in der Partei nach Außen. Mehrere Kampagnen gegen die verbreitete Korruption kostete Tausende Funktionäre in der Provinz das Leben. In keinem Land der Erde wird die Todesstrafe so oft vollstreckt wie in China. Die Angehörigen der Hingerichteten bekommen als einziges Zeichen des Abschieds die Patronenhülse zugesandt, für die eine Verwaltungsgebühr überwiesen werden muss.
Nicht wenige im Westen hatten erwartet, dass mit dieser Entwicklung zwangsläufig eine Demokratisierung einhergehen müsse. Dies erwies sich als naiver Trugschluss. Xi erklärte sein Modell der kontrollierten und gelenkten Ordnung als wegweisend für die Entwicklung in der ganzen Welt. Für die Staaten des Westens und insbesondere die USA hat er nur das verächtliche Diktum von dekadenten und im Niedergang befindlichen Kulturen übrig.
Die Ziele auf diesem Weg sind klar fixiert: Schon bis 2030 werde China mit den USA Kopf an Kopf die Spitzenposition auf der Erde einnehmen. Nur zwanzig Jahre später, zum 100. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik China 1949, soll dann die Top-Postion auf dem Erdball erreicht werden. XI meint damit nicht die Existenz mehrerer Mächte in friedlicher Ko-Existenz, sondern deutlich ausgesprochen, die Durchsetzung seines Gesellschaftsmodells auf dem Planeten.
Ein weiteres Großprojekt ist die sogenannte „Neue Seidenstraße“, die freilich weit über den Handelsweg von einst hinausgeht. Selbst in Afrika hat Peking milliardenschwere Infrastrukturprojekte finanziert und damit Abhängigkeiten für immer geschaffen. Aber auch in Europa werden Stück für Stück Unternehmen aufgekauft und Beteiligungen angestrebt. Amerikanische Sicherheitsexperten erwarten, dass in 10 bis 15 Jahren China die Fähigkeit haben wird, mit atomar bestückten ballistischen Raketen die Vereinigten Staaten zu erreichen. Schon US-Präsident Obama erklärte einst, dass es dazu nicht kommen werde. Unter Trump wurde der Konflikt noch deutlicher artikuliert. Zur Zeit befindet sich die Welt in der Phase der Vorbereitung auf einen möglichen Krieg.
Erleichterungen mit Blick auf die Achtung der Menschenrechte oder gar Öffnung in Richtung Demokratie westlichen Musters sind illusionär. Die Bundesrepublik als solche, und auch das gilt es zu bedenken, ist nicht in der Lage, in einem Konflikt mit China eine besondere Rolle zu spielen. Hinzu kommt, dass die deutschen „Eliten” – ob politisch oder wirtschaftlich – ihr Hauptaugenmerk auf die wirtschaftlichen Kontakte legen. Menschenrechte oder die Unterdrückung jeglicher politischen Freiheit spielen dabei, außer in Sonntagsreden, keine Rolle. Was dabei vergessen wird, ist die historische Erfahrung, dass der Herrschaftsanspruch von Mächten wie China – und hier liegt auch der Unterschied zu Russland – über wirtschaftliche Ziele hinaus auch die politische Kultur und das Wertesystem umfasst. Das dürfte zum Problem künftiger Generationen in Europa werden.