Tichys Einblick
Entscheidende Tage für den US-Präsidenten

Führende US-Democrats wollen Bidens Rücktritt noch an diesem Wochenende

Joe Biden fallen alte Weggefährten, strategische Verbündete und mächtige Medien in den Rücken. Jeder seiner Fehltritte wird jetzt laut kommentiert. Die Schonzeit ist vorbei. Für die Partei geht es nun um Zerstörung aus Selbsterhalt – sonst geht sie mit Biden baden.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Susan Walsh

Nach Donald Trumps Nominierung sind die Republikaner geeinter denn je. Vor Joe Bidens Nominierung sind die Democrats gespaltener denn je. Und der Ton in Presse und Politik, die einst als Verbündete der Democrats galten, wird mit jedem Tag rauer, an dem sich der US-Präsident dagegen wehrt, seine Kandidatur zur Verfügung zu stellen.

Nachdem bereits die New York Times seit Wochen gegen Biden anschreibt, stößt auch die Washington Post in ein ähnliches Horn. Sie dokumentiert mittlerweile jeden Versprecher, jeden Fehltritt minutiös, wie es früher nur Biden-Kritiker getan haben. Etwa so:

„Was ich gleich verkünden werde“, sagte er der Menge. „Sie können es nicht mehr erhöhen als –“, er verstummt. Eine Pause. „Fünfundfünfzig Dollar“, sagte er schließlich aus unklaren Gründen. Die Menge jubelt trotzdem.

Oder so:

„Sagen Sie mir, wer die NATO erweitert hat. Sagen Sie mir, wer das Pazifikbecken gemacht hat“, blaffte Biden laut einer Aufzeichnung des virtuellen Treffens mit den Demokraten im Repräsentantenhaus über Zoom den Abgeordneten Jason Crow, einen ausgezeichneten, pensionierten Army Ranger, an. „Sagen Sie mir, wer mit Ihrem Bronze Star etwas getan hat, was Sie nie getan haben – und Sie sind – wie mein Sohn – und, wissen Sie, stolz auf Ihre Führung. Aber raten Sie mal was? Nun, was ist los? Wir haben Korea und Japan dazu gebracht, zusammenzuarbeiten.“

Der Leserschaft der Democrats wird demnach viel zugemutet. Keine Beschönigungen mehr. Keine Ausreden. Keine Tabus. Biden wird nicht mehr weggelobt; er soll jetzt weggeschoben werden. In den letzten Wochen gab es genügend Anlässe, den Präsidenten als Helden zu feiern, weil er vom Amt abrücken könnte und damit Platz für die Jugend – und einen Sieg gegen Trump schaffen würde.

Dieses Zeitfenster ist vorbei. Ganz offen schreiben die Medien einen möglichen Rücktritt herbei. Wenn Biden sich wehrt, so offenbar das Mantra, muss man ihn so unter Druck setzen, dass aus dem Wunsch Wirklichkeit wird. Bei FOX News spekulieren die Biden-Gegner schon freudig darauf los, wann endlich die Geschichte um Hunter Biden aufgekocht wird. Es sind schmutzige, unschöne Szenarien.

Man muss von einem Fluch der bösen Tat sprechen. Die vielfältigen Behauptungen, den Verantwortungsträgern in der Demokratischen Partei seien in den letzten Tagen und Wochen Verhaltensänderungen bei Joe Biden aufgefallen, unterstreichen das. Bis vor einem Monat war jeder Hinweis auf gesundheitliche Probleme des US-Präsidenten eine Verschwörungstheorie von Trump-Anhängern.

In Wirklichkeit haben sich nicht die Gegner Bidens getäuscht, sondern haben vielmehr seine Anhänger versucht, die Öffentlichkeit zu täuschen. Nun, da die Öffentlichkeit den Spuk mitbekommen hat, versuchen dieselben Democrats, die vor wenigen Monaten ihre Delegierten auf Biden eingeschworen haben, der Öffentlichkeit vorzumachen, damals nichts gewusst zu haben.

Man mag über die Shakespeare-Qualitäten des von Altersstarrsinn, eiskaltem Machtpoker und Verrat unter Freunden geprägten Stücks sinnieren, aber es ist diese unausgesprochene Heuchelei, die es zu einem historischen Trauerspiel macht. Dieselben Politiker, die Biden über Jahre nutzten, um an der Macht zu bleiben, werden ihn nun nicht los – ohne sich selbst dabei zu schaden.

Längst haben die Democrats das Stadium der freundlichen Bitte aufgegeben. Ob das Artilleriefeuer der demokratisch gesinnten Medien oder der entzogene Liebesschwur von Hollywood in George Clooneys Gestalt; ob das Einreden hochrangiger Democrats oder der Treuebruch Obamas; ob latente oder offene Drohungen. Alles deutet darauf hin, dass man nunmehr bereit ist, Biden als jenen unfähigen, senilen Greis darzustellen, um ihn loszuwerden. Die ersten Zeitungen vergleichen ihn bereits mit Beelzebub Trump, weil er nicht von der Macht lassen will. Das ist der Guillotinenhinweis an den Demokraten-König.

Mittlerweile hat sich Biden nicht nur abfällig über demokratische Verschwörer geäußert, sondern auch über Obama. Er betrachte Obama als Puppenspieler im Hintergrund, schreibt die New York Times, sieht Pelosi als Hauptverschwörerin und wirft Obama wie Bill Clinton vor, ihn nicht genügend zu unterstützen. Auf Umfragen lege er weniger Wert als zuvor. Zudem wolle er sich nicht von jemanden belehren lassen, der die Mid-terms 2010 so krachend verloren habe. Und er lastet Obama an, 2016 auf Hillary Clinton gesetzt zu haben. Biden isoliert sich offensichtlich nicht nur wegen Corona.

Dabei ist fraglich, ob diese Isolation hilfreich ist. Denn Biden scheint entweder nicht zu wissen oder nicht wissen zu wollen, dass an diesem Wochenende eine entscheidende Wahl stattfindet: er oder die Partei. Mit Biden stürzen beide in den Abgrund. Wird man Biden los, kann man wenigstens darauf hoffen, im Kongress nicht von den Republikanern pulverisiert zu werden. Doch der Präsident hat dieser Ansicht widersprochen. Er sei der festen Überzeugung, dass er allein gegen Trump gewinnen kann. Wen die Götter vernichten wollen, strafen sie bekanntlich mit Blindheit.

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