„Hamas is coming“ steht groß auf dem Kolumbus-Brunnen an der Union Station in Washington D.C. Wie darf man das übersetzen? Die Hamas kommt auch zu dir? Die Hamas kommt groß heraus, ist im Kommen? In allen Fällen bedeutet das nichts Gutes für liberale Gesellschaften westlicher Prägung. Das sollten auch die herrschenden Kreise und linken Studenten wissen. Weiter unter sieht man schräg die Abkürzung „AZAB“, offenbar: „All Zionists are bastards“ – „Alle Zionisten sind Bastarde“, eine Übertragung von „All cops are bastards“ („alle Polizisten…“). Angeblich waren die Demonstranten in großen Bussen teils aus entfernten Bundesstaaten gebracht worden. Wer hatte die Busse bezahlt?
Daneben wurden US-Flaggen herabgerissen und durch Palästina-Fahnen ersetzt. Zwei US-Banner und eine Netanjahu-Puppe wurden gar am Kapitol feierlich verbrannt. Dort hatten sich Demonstranten versammelt, keineswegs immer friedlich. Benjamin Netanjahu sprach zur gleichen Zeit vor dem US-Kongress. Es war eine feierliche und zum Teil ziemlich wirkungsvolle Rede.
Aber wer mag sich heute noch mit Argumenten auseinandersetzen? Die Demonstranten auf den Straßen und Plätzen nicht. Sie bevorzugten den Ausschluss, die symbolische Vernichtung des Feindes. Auch einige Demokraten gingen vergleichbar vor und verweigerten Netanjahu ihre Anwesenheit. Anscheinend waren das wahre Sirenengesänge, denen man sich nur mit verstopften Ohren oder an einen Mast festgebunden aussetzen darf.
Netanjahu sagte unter anderem den Satz, dass die Pro-Hamas-Demonstranten vor dem Gebäude eigentlich Scham über sich selbst empfinden sollten, weil sie an der Seite „des Bösen“ stünden und die „nützlichen Idioten“ des Irans seien, der Homosexuelle an Kränen aufhängt und Frauen wegen falsch sitzender Kopftücher verfolgt. Applaus kam vorwiegend von konservativ-republikanischer Seite.
Darüber hinaus entschieden die Demonstranten, dass sie die Freedom Bell, eine Kopie der Liberty Bell von 1752 im Maßstab 2:1, mit nun wirklich unzähligen Graffiti beschmieren wollten – ganz wie einst im großen Sommer 2020 von „Black Lives Matter“, als es ebenfalls der amerikanischen Leitkultur an den Kragen gehen sollte. Jetzt, da Trump wieder vor den Toren der Macht steht, scheint einigen die Zeit für ein Revival dieser rechtlosen Phase in der US-Geschichte gekommen zu sein.
Netanjahu-Rede ohne Harris und Pelosi
Und wäre das Versäumnis des Secret Service beim Attentat auf Donald Trump nicht um vieles größer gewesen, dann müsste Amerika jetzt über die Versäumnisse der verschiedenen Polizeien streiten, die das alles geschehen ließen. Alle Kräfte schienen vor dem Kapitol konzentriert zu sein. Zum Schutz der nationalen Denkmäler gab es angesichts dessen wohl keine Kapazitäten mehr.
Vizepräsidentin Kamala Harris und Nancy Pelosi, Sprecherin des Repräsentantenhauses, hatten die Rede Netanjahus boykottiert, was man nicht so recht als parlamentarischen Brauch ansehen kann, zumal nicht von den beiden ranghöchsten Mitgliedern des Kongresses, die wohl hinter Netanjahu hätten Platz nehmen müssen. Das war zumindest Pelosi schon einmal schlecht bekommen – bei Donald Trump, dessen Rede sie mit nervösem Wimperngeklimper und dem Zerreißen ihrer Kopie begleitete. Es war das klassische Trump-Derangement-Syndrom, von dem auch der Ex-Präsident dieser Tage gewohnt selbstsicher sprach.
Daneben trat die Repräsentantin Rashida Tlaib mit Palästinensertuch und „Schuldig des Völkermords“-Schild auf. Anscheinend durfte Tlaib diese Parole als Schild vor sich in die Luft halten. Die T-Shirts von sechs Verwandten von Geiseln waren dagegen der Anlass für eine Verhaftung und erst spätere Freilassung der Geisel-Angehörigen. Auf ihren T-Shirts stand, an Netanjahu gerichtet: „Unterschreiben Sie das Abkommen jetzt.“
Plötzlich sprechen auch Democrats vom Terror und seinen Unterstützern
Erst am Tag danach waren plötzlich auch die Stimmen der Demokraten zu hören. Verkehrsminister Pete Buttigieg kritisierte die Sachbeschädigungen an öffentlichem Eigentum. Sorgen um den Krieg in Gaza könnten keine „Unterstützung des Terrorismus“ rechtfertigen, natürlich auch nicht die „Entstellung von Bundeseigentum mit Hamas-Slogans“. Der Minderheitsführer im Repräsentantenhaus Hakeem Jeffries (Dem., New York) sprach davon, dass Juden Gewalt angedroht worden sei.
Vizepräsidentin Kamala Harris sprach von „verabscheuungswürdigen Handlungen unpatriotischer Demonstranten“. Natürlich ist Harris sehr für „friedliche Proteste“, aber „Antisemitismus, Hass und Gewalt jeder Art“ haben laut ihr keinen Platz in den USA. Am Tag nach seiner Rede traf auch Harris auf Netanjahu und wusste offenbar nicht recht, wie freundlich sie sein sollte. Zuvor hatte Harris geprahlt, solche Typen wie Donald Tump kenne sie noch aus ihrer Laufbahn als Staatsanwältin im wilden San Francisco. Doch das diplomatische Ritual machte diesen ziemlich populären Twist – Kamala gegen die Kriminellen – in Netanjahus Fall schon wieder zunichte, auch wenn Harris das sicher so hätte spielen wollen
Besonders ikonisch bleibt die Beschmierung der Freiheitsglocke, die zwar erst 1975 als Replik des Originals gegossen wurde, aber auch schon ein halbes Jahrhundert alt ist und damit ehrwürdig genug scheint. Auf Glocke wie Kolumbus-Brunnen (errichtet 1912 aus weiß-grauem Marmor) fanden sich zudem die auf der Spitze stehenden roten Dreiecke, die aktuell in aller Welt für die Hamas-Verherrlichung gewisser „links-progressiver“ Kreise stehen, die allerdings heute weitgehend als woke und offen neomarxistisch anzusehen sind. Die Hamas nutzt das rote Dreieck auch selbst, um von ihr zum Tode verurteilte israelische Soldaten zu kennzeichnen, schreibt die New York Post dazu. Am Donnerstagmorgen wurden die beschmierten Denkmäler sandgestrahlt, wobei wiederum nicht klar ist, ob Überreste der Schmierereien verbleiben, ähnlich wie beim Brandenburger Tor in Berlin.