Tichys Einblick
Unruhiger Wahltag in Frankreich

Attentat auf Priester in Kirche in Nizza – Wahlbeteiligung auf Tiefstand

Während die Franzosen den Präsidenten der nächsten fünf Jahre wählen, kommt es im Schicksalsort Nizza einmal mehr zum Angriff auf eine Kirche und einen katholischen Priester – vermutlich aufgrund einer psychischen Störung. Die Wahlbeteiligung war am Mittag niedriger als vor fünf Jahren.

Es ist ein unruhiger Sonntag, eine Woche nach Ostern. In Frankreich wird der Präsident für die nächsten fünf Jahre bestimmt, Slowenien wählt ein neues Parlament. Doch die vordergründig dramatischsten Ereignisse geschehen auf den Straßen von Berlin und Nizza. Während in der deutschen Hauptstadt ein arabischer Mob gegen Israel und die Presse tobt, kam es in der südfranzösischen Stadt unweit der Grenze erneut zu einem Attentat gegen eine der Kirchen des Landes.

Die US-Botschaft hatte ihren Mitarbeitern vorab geraten, große Menschenansammlungen an diesem Wochenende zu meiden, so etwa die Demonstrationen gegen die Regierungspolitik, die am Sonnabend wieder in mehreren großen Städten stattfanden. Schon zuvor hatte die Botschaft vor Terrorattacken und „öffentlichen Unruhen“ gewarnt, die sich gerade in der Vorwahlzeit ereignen könnten.

Ein Angriff „ohne terroristischen Charakter“, zumindest „auf den ersten Blick“, sei die neue Bluttat von Nizza gewesen, so meldete die Nachrichtenagentur AFP mit Berufung auf Polizeikreise. Und auch wenn sich am Ende kein terroristisches Motiv ergeben sollte, so lässt sich doch von einem politischen Motiv sprechen und von einer Terrorwirkung. Beides zusammen zeigt die schwierige Lage der Kirchen in Frankreich auf, die seit Jahren Angriffen aus verschiedenen Richtungen ausgesetzt sind.

Besorgniserregend: Das politische Motiv des Angreifers

Die Tat ereignete sich am Morgen des Wahltags in der Kirche Saint-Pierre-d’Arène, wo der Priester Krzysztof Rudzinski gerade die Messe feierte. Als der Täter ihn mit einem Messer attackierte, ging eine Nonne, Schwester Marie-Claude, dazwischen und konnte dem Aggressor das Messer schließlich entreißen, doch nicht ohne selbst am Arm verletzt zu werden. Rudzinski wurde durch rund 20 Messerstiche schwer verletzt, nicht lebensgefährlich. Der Priester polnischer Herkunft ist seit mehr als zehn Jahren in der Gemeinde tätig.

Der Täter leide unter einer bipolaren Störung und sei schon länger deshalb in Behandlung, habe aber bisher keine Vorstrafen, wie der Bürgermeister der Stadt, Christian Estrosi (LR) sagte. Er sei nicht als Gefährder in der staatlichen Terrorkartei bekannt gewesen, wie der Präfekt des Départements Alpes-Maritimes, Bernard Gonzalez, ergänzte. Beide, Estrosi und Gonzalez, sprachen von der „Tat eine psychisch Gestörten“. Es handelt sich anscheinend um einen jungen Franzosen mit dem Vornamen Kevin, gebürtig aus Fréjus, aber seit einiger Zeit in Nizza wohnend.

Die Polizei sei sehr schnell am Ort des Geschehens gewesen und habe den Aggressor ebenso schnell überwältigen können, ohne Feuerwaffen zu benutzen. Vor einigen Tagen hatte der Täter ein Messer von sieben Zentimetern Länge gekauft. Der Polizei gegenüber soll er erklärt haben, dass er eigentlich Macron habe töten wollen und nur mangels anderer Möglichkeiten am Ende auf eine Kirche verfallen sei. Die nationale Antiterror-Staatsanwaltschaft (PNAT) erklärte sich gemäß den bisher bekannten Informationen für nicht zuständig.

Auch der lokale Parlamentsabgeordnete Eric Ciotti war sogleich vor Ort und konnte angeblich noch einige Wort mit Rudzinski wechseln, bevor dieser ins Krankenhaus kam. Ciotti blieb noch in der Kirche, um mit Gläubigen und Priestern zu sprechen.

Besorgniserregend bleibt das anscheinend politische Motiv des Täters, das glaubwürdiger von großen Spannungen in Frankreich spricht als vieles andere. Ähnliche Wahnsinnstaten sind auch aus der bundesdeutschen Geschichte bekannt, und sie fielen wohl immer in Zeiten des auch politischen Aufruhrs, etwa in die Monate rund um die Wiedervereinigung, als mit Schäuble und Lafontaine zwei Politiker von Gewalttätern verletzt wurden.

Zur gleichen Zeit wählten die Bürger in ganz Frankreich ihren neuen Präsidenten. Auch die Auslandsfranzosen stimmen ab. Nur in Schanghai ist das wegen des Lockdowns nicht möglich. Die Wahlbeteiligung lag am Mittag etwa zwei Prozentpunkte niedriger als vor fünf Jahren und lag landesweit bei 26,4 Prozent, in Paris sogar nur bei 20 Prozent, im benachbarten Département Seine-Saint-Denis bei 15 Prozent. Die Beteiligung an den Präsidentschaftswahlen sinkt seit Jahren kontinuierlich. 2007 hatte der Vergleichswert noch bei 34 Prozent gelegen.

Beobachter rechnen mit einer Zunahme der „weißen“ und ungültigen Stimmen. Diese Stimmen stellen sozusagen eine aktive Form der Enthaltung dar, bei der der Wähler seine Anwesenheit und sein Interesse an der Politik bekundet. 2017 hatte man im zweiten Wahlgang elf Prozent weiße und ungültige Stimmen gezählt, dieses Mal könnten es 13 oder 14 Prozent werden, so Experten.

Emmanuel Macron hat in Touquet im Pas-de-Calais gewählt, wo er und seine Frau eine Villa besitzen; am Nachmittag wird er wieder in Paris sein. Marine Le Pen wählte in ihrem Heimatort Hénin-Beaumont (auch Pas-de-Calais) und nahm noch ein kurzes Bad in der versammelten Menschenmenge. Bei ihr war der Bürgermeister des Ortes, ihr Parteifreund Briois.

Der knapp gescheiterte Linkskandidat Jean-Luc Mélenchon hat in Marseille gewählt, wobei man sich fragen darf, ob er eine Stimme für Macron abgab oder doch eine weiße Stimmkarte in die Urne warf. Für den Abend hat auch der Rechtskonservative Éric Zemmour, der aus dem ersten Wahlgang mit einem ehrbaren vierten Platz hervorging und nun in Paris gewählt hat, eine Bewertung des Ergebnisses angekündigt.

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