Von einem aggressiv geführten Wahlkampf zum Marsch auf die Nationalversammlung? Den planen in Frankreich aber keine „Faschisten“, sondern ihr angebliches Gegenteil. Der Polizeipräfekt hat Bannmeilen eingerichtet, um die Verfassungsorgane zu schützen. Die extreme Linke verzweifelt gerade am Pakt ihrer Repräsentanten mit Macron.
Es ist seine vielleicht letzte große Operation. Innenminister Gérald Darmanin hat für diesen Sonntag den Einsatz von 30.000 Polizisten und Gendarmen in ganz Frankreich angekündigt, um möglichen Unruhen frühzeitig begegnen zu können. 5.000 Beamte sollen allein in Paris und seinen Banlieues eingesetzt werden, 2.800 allein im Stadtkern. Dort sind ohnehin schon 2.500 Polizisten wegen der bald beginnenden Olympischen Spiele fest stationiert. Ebenso rüsten will man sich in allen größeren Städten von Lyon, Marseille und Bordeaux bis hin zu Lille, Rennes und Straßburg. Befürchtet werden „Störungen der öffentlichen Ordnung“ und „städtische Gewalt“. Und die droht angeblich von „Ultralinken und Ultrarechten“, so die Mitteilung des Innenministeriums. Tatsächlich hatte es nach der ersten Runde der Wahlen vor allem Demonstrationen, Proteste und auch Ausschreitungen von linken Demonstranten gegeben.
Auch für den kommenden Wahlsonntag ist es insbesondere die extreme Linke, die zu einem Marsch auf die Nationalversammlung aufgerufen hat, weil sie einen Wahlsieg des Rassemblement national (RN) erwartet.
Selbst das Innenministerium beziffert die Gefährdung durch Linksextreme doppelt so hoch (5.500 Personen) wie die Gefährdung durch Rechtsextreme mit einem Potential von 2.700 Personen. Die zurückgezogenen Kandidaturen der linksradikalen Partei „Aufsässiges Frankreich“ (La France insoumise, LFI) erregen Spott und Zorn der linken Rädelsführer.
Auf einen Aufruf linksextremer Gruppen wie der „Action Antifasciste Paris-Banlieue“ zum Marsch auf die Nationalversammlung hat der Polizeipräfekt von Paris am Freitag mit einem Versammlungsverbot eben auf dem Platz vor dem Parlament reagiert. Zudem wurde eine geschützte Bannmeile eingerichtet, die auch den Élysée-Palast, Amtssitz des Präsidenten der Republik, und anliegende Amtsgebäude umfasst.
— Révolution Permanente (@RevPermanente) July 5, 2024
Wahlkampfaggressionen wie in Deutschland
Vorausgegangen waren mehrere lokale Wahlkampfaggressionen, wie sie auch aus Deutschland zuletzt bekannt geworden waren und die in Frankreich in ähnlicher Weise für Aufregung beim politischen Personal sorgen. Am Mittwoch hatte es eine „Aggression“ gegen die Regierungssprecherin Prisca Thévenot (von der Macron-Partei Renaissance) gegeben, die angeblich gerade in Meudon bei Paris Plakate klebte. Genau genommen wurde Thévenot nicht verletzt, wohl aber zwei ihrer Mitarbeiter. Zehn Jugendliche hatten die Plakate der Regierungskoalition abgerissen oder verunstaltet.
Es folgte eine Auseinandersetzung, die wohl mit Verletzungen bei zwei Plakatklebern führte. Kurz darauf wurden vier Personen, darunter eine unter 18 Jahren, festgenommen. Regierungssprecherin Thévenot zögerte nicht, den Angriff mit ihrer Hautfarbe in Verbindung zu bringen; sie stammt von der Insel Mauritius.
Doch auch eine Kandidatin des Rassemblement in Savoyen, Marie Dauchy, war am Mittwoch angegriffen worden. Der Republikaner Nicolas Conquer wurde in Cherbourg in der Normandie beim Verteilen von Flugblättern attackiert. Und der 77-jährige Bürgermeister einer kleinen Stadt bei Grenoble wurde beim Plakatekleben ins Gesicht geboxt. Es geschehe gerade etwas, das „an eine Befreiung der Gewalt grenzt“, kommentierte Darmanin die Ereignisse in gewundener Sprache. Der frühere Regierungssprecher Oliver Veran protestierte gegen das „beispiellose Umfeld von Gewalt in dieser Kampagne“. Auch Veran war (wenn auch sehr indirekt) davon betroffen: Eines seiner Plakate war Anlass der Attacke auf den 77-jährigen Bürgermeister.
Die Linke attackiert das Zentrum, die Rechte und die Nationalen
Man könnte die Ereignisse auch so zusammenfassen: Zwei Vorfälle richten sich gegen die politische Mitte (zudem gegen zwei Regierungssprecher), zwei gegen Parteien auf der „Rechten“ – obwohl sich das Rassemblement natürlich gar nicht als „Partei der Rechten“ sieht, wie Marine Le Pen erst kürzlich im Interview mit dem Figaro erklärte, vielmehr als patriotische oder nationale Partei. Sie selbst gebraucht freilich auch den Begriff „Nationalisten“, welchen sie gegen den der „Globalisten“ (oder Post-Nationalisten) in Stellung bringt.
Die Pariser Polizei geht laut Junger Freiheit dennoch auch weiterhin von zwei „übermobilisierten politischen Fraktionen“ aus, worunter wohl nur Linksfront und Rassemblement national gemeint sein können. Schnell könne es zur Katastrophe kommen, wenn „wir erschöpft sind und Entscheidungen im Bruchteil einer Sekunde treffen müssen“. Das, möchte man sagen, ist Polizeialltag.
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