Die EU-Staaten wollen heute in Paris weiter nach einer Lösung im Streit um die Seenotrettung im Mittelmeer suchen.
An dem informellen Treffen der Innen- und Außenminister in der französischen Hauptstadt nimmt unter anderem Bundesaußenminister Maas teil. Italiens Innenminister Mateo Salvini allerdings nicht – und damit fehlt die Hauptperson und das neben Malta hauptsächlich betroffene Land.
Malta und Italien stehen definitiv nicht alleine da, wenn es um eine eklatante Neuregelung der EU-Flüchtlingspolitik gehen soll. Darüber hinaus scheint es so, dass es sich um ein paar wenige Nationen handelt – frei nach Heiko Maas und Horst Seehofer, die Koalition der „Aufnahmewilligen“, die anscheinend einen überaus großen Nutzen darin sieht, die illegale Migration in den EU-Raum und nach Deutschland weiterhin zu befördern.
Wo wäre da eine Änderung, wenn besonders Frankreich und Deutschland, also „Macron und Merkel“, weiterhin besonders Italien und Malta als näheste Aufnahmehäfen und Hotspots zur Flüchtlingsregistrierung sehen.
Für Italien und auch für Malta ist das Maß mehr als voll. Beide Länder möchten das falsche Spiel nicht länger mitmachen, nur weil ihr Land jeweils ans Mittelmeer grenzt. In Finnland gingen die Oberen ohne Lösungen wieder auseinander; an diesem Montag sollen die Verhandlungen in Paris weitergehen. Die Fronten sind verhärtet.
Schon nach dem ersten Dinner in Helsinki mit allen Innenministern, stieß es dem italienischen Vize-Premier Matteo Salvini deshalb ganz sauer auf. Alles bliebe also wie bisher?
Seine Verstimmung trug er ins italienische Wochenende hinein, wo es dann aus ihm herausplatzte. Eine deftige Nachricht schickte Matteo Salvini seinem Kollegen auf französischer Seite, Christophe Castaner.
Warum? Weil, wie Salvini bereits vergangenen Donnerstag twitterte, er die Faxen dicke habe. „Deutschland und Frankreich wollten weiterhin, dass Italien eines der wenigen Ankunftsländer für Flüchtlinge sei. Italien dagegen arbeite an einer „stabilen Mittelmeer-Achse“, um „die Regeln zu ändern und dem Menschenschmuggel ein Ende zu setzen.“
Man kann Salvini, der momentan wie kein anderer unter Beschuss aus mehreren Ecken steht (italienische Opposition, EU, hochgekochtes Russland-Gate, NGO und die internationale No-nations-no-borders-Fraktion), gut verstehen.
Italien und Malta fühlen sich nicht mehr ernst genommen, mit ihren Problemen und Ansagen. Die EU gäbe zwar vor, Schleuserringe zerschlagen zu wollen, doch wie das mit den NGO geschehen soll, wo doch nur „Weltverbesserer-Ideologen“ auf den Schiffen statt Realisten mitschwimmen, sagen in der EU weder Macron noch Merkel. Und auch einer von der Leyen traut Matteo Salvini nicht zu, die Misere in den Griff zu bekommen.
Matteo Salvini setzte also im Innenministerium einen Brief auf, der keine Zweifel aufkommen ließ, wie ernst es die italienische Regierung meint. Der Brief wurde zwar Frankreich übermittelt, aber auch Deutschland kann sich als weiteren Adressaten dazu zählen.
In unmissverständlicher Art schreibt Salvini über seine Verwunderung nach dem Treffen in Helsinki sowie den Frust darüber. Obwohl einige Länder und auch Castaner, „davon überzeugt sind, dass das italienisch-maltesische Dokument breite Anerkennung gefunden hat“, plötzlich für den Gipfel unter dem Eiffelturm jedoch wieder ein ganz anderer Grundtenor herrsche.
Der italienische Innenminister zieht die Schlussfolgerung, dass Macron (und auch Merkel) „die [kleinen] Fortschritte in der fruchtbaren Helsinki-Debatte nicht berücksichtigen wollen“, denn in Helsinki hatten Italien und Malta viele Fürsprecher, es standen sich zwei Blöcke der Innenminister gegenüber.
Und aus diesem Grunde, schließt Salvini, werde er selbst nicht nach Paris reisen, und dafür aber eine technische Delegation entsenden, die sich im besprochenen und abgesteckten Feld des Innenministeriums, an den Gesprächen beteiligen würde. Fast schon ein diplomatischer Eklat.
Es seien in Helsinki wohl ungefähr zehn Länder der „Willigen“ gewesen, wie der Luxemburger Asselborn übertrieben euphorisch kundtat vor Tagen. Bei 28 Mitgliedsstaaten in der EU kann man sich ausrechnen, wer pro Italiens und Maltas Vorschlag war, und wer sich vielleicht enthielt (Länder, die genau wissen, die vielen illegalen Flüchtlingsmänner würden niemals lang bei ihnen verweilen – Estland, Lettland oder Rumänien und Bulgarien etwa?).
Es zieht sich (nicht nur) in der Flüchtlingsaufnahme-Frage ein tiefer Graben durch die gesamte EU. Und Italien und Malta sind sich hier ihres Einflusses gewärtig. Ein Block wird von Rom und La Valletta angeführt. Beide Mittelmeerländer hatten einen Reformentwurf für die Aufnahme der auf dem Meer aufgenommenen Migranten vorgelegt, der Italien und Malta eben nicht mehr als einzige und alleinige Häfen vorsähe. Der andere Block der Willigen und „Hilfsbereiten“ um Macron und Merkel, sieht es komplett anders: Aufnahme weiterhin in beiden Ländern und eine zügige Verteilung. Garantie jedoch? Keine.
Irgendwie geistert weiterhin der moralische Aufhänger der „Koalition der Willigen“ im Raum – aber: die anderen Nationen stehen vielleicht bei ihren Bürgern im Wort, nur berechtigte Flüchtlinge und eben keine Vielzahl an Wirtschaftsmigranten, Glücksrittern oder auch geflüchteten Soldaten des IS aufzunehmen? Über 80% sind nur Männer. Und von diesen sind die Allerwenigsten asylberechtigt.
Salvini steht mit Frankreich sowieso auf Kriegsfuß, seit herauskam, welch bigotte Flüchtlingspolitik Macron betreibt. Eine Carola Rackete zur Ehrenbürgerin ernennen wollen, aber Flüchtlinge selbst gar nicht aufnehmen, oder heimlich und schnell ausweisen (so ein ganz neuer Vorwurf, sogar mit gefälschten und umgeschriebenen Dokumenten).
Nein, nicht mehr mit Italien, nicht mit Salvini. Der eiserne Lombarde möchte die Übermächte Frankreich und Deutschland stellen. „In der Flüchtlingsfrage, können beide nicht allein über andere souveräne Länder entscheiden“, sagt Salvini – und meint es ganz ernst.