Es ist ein Urteil mit europäischer Symbolkraft für die Meinungsfreiheit: Die finnische Abgeordnete Päivi Räsänen ist am Mittwoch in allen Punkten freigesprochen worden. Das Urteil ist deswegen so bedeutend, weil sich damit bestätigt hat, dass ein Anklagepunkt wie „Hassrede“ ein Allzweckwerkzeug ist, das je nach Interpretation verwendet werden kann; und es ist deswegen bedeutend, weil damit traditionelle abendländische Überzeugungen, christlicher Glauben und kritische Meinungsäußerungen nicht auf dem Altar der „Wokeness“ geopfert werden können, wie es den progressiven europäischen Eliten und ihrem medialen Anhang gefällt.
Zur Causa: Päivi Räsänen war von 2011 bis 2015 Innenministerin Finnlands. Sie gehört den finnischen Christdemokraten an. Sie erklärte bereits 2010, dass die Homo-Ehe nicht mit dem christlichen Glauben vereinbar sei. Im selben Jahr betonte sie, dass sie Christen gegenüber Muslimen bei Asylverfahren bevorzugen würde.
Räsänen: Lutherisch, LGBT-Kritikerin, Lebensschützerin
Aber Räsänen, die mit einem lutherischen Pastor verheiratet ist, blieb bei ihren Überzeugungen, besonders, wenn es gegen die LGBT-Ideologie und ihr Vordringen in der westlichen Gesellschaft ging. Die ausgebildete Medizinerin ist zudem eine Vorkämpferin gegen Abtreibungen.
Der Vorwurf der Hetze traf Räsänen, als sie die Kooperation der Lutherischen Kirche mit der „Pride“-Bewegung im Jahr 2019 kritisierte. Sie hinterfragte die Entscheidung der Kirchenleitung, sich mit den Veranstaltern von „Pride 2019“ zusammenzutun, und postete dazu ein Bild mit einem Zitat aus dem Römerbrief. Es handelte sich um die Verse 24-27:
„Darum lieferte Gott sie durch die Begierden ihres Herzens der Unreinheit aus, sodass sie ihren Leib durch ihr eigenes Tun entehrten. Sie vertauschten die Wahrheit Gottes mit der Lüge, sie beteten das Geschöpf an und verehrten es anstelle des Schöpfers – gepriesen ist er in Ewigkeit. Amen. Darum lieferte Gott sie entehrenden Leidenschaften aus: Ihre Frauen vertauschten den natürlichen Verkehr mit dem widernatürlichen; ebenso gaben auch die Männer den natürlichen Verkehr mit der Frau auf und entbrannten in Begierde zueinander; Männer treiben mit Männern Unzucht und erhalten den ihnen gebührenden Lohn für ihre Verirrung.“
Wegen eines solchen Tweets ermittelte die Polizei gegen Räsänen. Sie musste sich in den vergangenen Jahren mehrmals Befragungen zu ihrem Glauben durch die Polizei gefallen lassen und sich rechtfertigen, warum sie diese Überzeugungen habe. Sogar eine Broschüre, die Räsänen 17 Jahre vorher geschrieben hatte, geriet ins Ziel dieser Untersuchungen.
Steht der Apostel Paulus vor Gericht?
Im April 2021 erhob die finnische Generalstaatsanwältin eine Anklage mit drei separaten Anklagepunkten gegen Räsänen – obwohl die Polizei vorher empfohlen hatte, die Strafverfolgung von zwei der drei Punkte nicht weiter fortzusetzen, und auch die Aussage auf Twitter weiterhin verfügbar ist, weil sie keine Richtlinien verletzt. Auch gegen den Bischof Juhana Pohjola wurde Anklage erhoben, weil er die Broschüre vor fast 20 Jahren in seiner Gemeinde veröffentlicht und verteilt hatte. In der Broschüre verteidigte Räsänen die traditionelle Ehe.
Deswegen war schon vorab klar: Hier ging es nicht nur um die Parlamentsabgeordnete Räsänen, sondern um ein Grundsatzurteil, wie viel alteuropäisches Denken noch im modernen Diskurs erlaubt ist – auch, wenn die Anklage das Gegenteil behauptete. Die Ironie, dass eine konservative Christin hier eine säkularisierte Inquisition erfuhr, drängte sich auf.
Die Doppelzüngigkeit der Staatsanwaltschaft, dass es hier nicht um Religion ginge, zeigte sich jedoch immer wieder. Bereits am ersten Prozesstag kritisierte sie die Maxime „Liebe den Sünder, hasse die Sünde“ – obwohl sich dieses Grundprinzip in allen christlichen Konfessionen wiederfindet, und es sich nicht um die persönliche Ansicht von Räsänen handelt. In einer ähnlichen Weise sagte die Anklage beim Abschlussplädoyer, dass die Verwendung des Wortes „Sünde“ schädlich sein könne. Wenn dem so wäre, hätte das gesamte Christentum mit einem theoretischen Maulkorb belegt werden können.
Kampf zwischen tradiertem christlichen Glauben und Wokeness-Religion
Lórcan Price von der Organisation ADF International, die die Verteidigung Räsänens übernahm, gab daher richtigerweise zu bedenken: „Diese Strafverfolgung wegen Hassreden hat sich zu einem theologischen Prozess darüber entwickelt, welche christlichen Überzeugungen in Finnland zum Ausdruck gebracht werden dürfen und welche nicht. Es ist unglaublich, dass dieser Prozess in einem modernen europäischen Land stattfindet und nicht in einer religiösen Theokratie.“
Zusammengefasst: Wir sahen den Kampf der modernen LGBT- und Wokeness-Religion gegen den tradierten europäischen Glauben und die alteuropäischen Überzeugungen von Recht und Freiheit. Und es war ein lang überfälliger Sieg für die Meinungsfreiheit.
Das Gericht sprach Räsänen und Pohjola von allen Anklagepunkten frei. Es sei „nicht Sache des Bezirksgerichts“, biblische Konzepte auszulegen. Die Verfahrenskosten von 60.000 Euro trug die Staatsanwaltschaft. Nebenbei bemerkt: Offenbar bestätigen die Juristen damit, dass die Ideologie von „Hassrede“ ebenso theologisch zu bewerten sei wie die christliche Lehre. Beides gehört nicht in den Gerichtssaal.
„Ich bin froh, dass das Gericht die Meinungsfreiheit verteidigt und zu unseren Gunsten entschieden hat. Durch den Freispruch wurde eine große Last von mir genommen. Ich bin dankbar, dass ich für die Meinungsfreiheit einstehen durfte. Gleichzeitig hoffe ich, dass dieses Urteil für andere solche belastenden Prozesse verhindert,“ sagte Päivi Räsänen nach ihrem Freispruch. Sie betonte, die Entscheidung des Gerichts sei ein Sieg für die Redefreiheit jedes Einzelnen.
„Das fundamentale Recht auf Meinungsfreiheit in Finnland bestätigt“
Der Fall hatte vorher für internationales Aufsehen gesorgt. Aus Protest hatten in Ungarn 3.000 Menschen die finnische Botschaft belagert. Experten fürchteten ein Grundsatzurteil mit erheblichen Folgen für die Meinungsfreiheit in Finnland.
Von Symbolkraft ist auch der Tag des Freispruchs: Denn am selben Tag hatte auch Kardinal Gerhard Müller auf den verheerenden Einfluss der LGBT-Ideologie hingewiesen, die eine „totalitäre Machtposition“ errungen habe und damit Recht beugen wolle. Es bleibt dabei: Die Freiheit muss auch in diesem Bereich jeden Tag aufs Neue errungen werden.