Das EU-Parlament, so schreibt Andrea Muratore, hätte wenige Rechte, diese wenigen hätte es aber nun mit voller Härte eingesetzt. Der deutsch-französische Plan sah die Deutsche Ursula von der Leyen als Präsident der EU-Kommission vor und die Französin Sylvie Goulard als Kommissarin für den einflussreichsten Bereich Binnenmarkt. Mit der Ablehnung Goulards ist die Achse Deutschland-Frankreich, die die EU dominieren soll, nicht nur gefährdet, sondern, so Muratore, vielleicht schon beendet.
Überraschend war die große Mehrheit, die Goulard ablehnte. Das wird als Revanche der EVP betrachtet, deren Kandidat vorher von Marcon rundweg abgelehnt worden war. Das Parlament der EU begnügte sich allerdings nicht mit der Ablehnung der französischen Kandidatin, sondern lehnte auch die rumänische Sozialistin und den ungarischen Kandidaten, FIDESZ ab. Jede dieser Parteien ist für die Mehrheit der Kommission wichtig.
Die neue Konstellation der Institutionen der EU würde sich deshalb der Unregierbarkeit nähern, denn für die „Ursula-Mehrheit“ stimmten zwei Parteien mit, die sich nicht in das normale Muster der Parteien einfügen wollen. Die italienische Fünf-Sterne-Bewegung und die eben mit einem überwältigen Ergebnis bestätigte polnische PiS.
Die Einschätzung Macrons, dass seine Partei und die „rechten Parteien“ bei der Kandidatenauswahl unbedeutend wären, hat sich nun nur bei seiner Partei bestätigt. Auf der anderen Seite gab es eine bemerkenswerte Zusammenarbeit der EVP, zu der Forza Italia gehört, der von der Lega bestimmten Fraktion „Identität und Demokratie“ sowie der von der polnischen Pis dominierten konservativen Fraktion mit den Grünen. Zusammen lehnten sie Macrons Kandidatin mit großer Mehrheit ab.
Der Versuch, das EU-Parlament in die Enge zu treiben, hat genau das Gegenteil bewirkt. Es kann gut sein, dass die neue Macht-Architektur der EU schon kaputt ist, bevor ihre Amtszeit beginnt.
Thomas Punzmann ist Galerist in Frankfurt am Main.