Wie die Union das Programm der AfD in Brüssel kopiert
Marco Gallina
Die EVP übernimmt in Brüssel immer häufiger die Themen der Rechtsparteien. Plötzlich ist auch Kritik an EU-finanzierten NGOs möglich. Die ID-Fraktion bietet Manfred Weber deswegen spaßeshalber einen Job an – und die Linke kocht.
Schon seit Wochen taucht Manfred Weber als Zielscheibe linker Politiker und Medien auf – etwa neulich im Zuge des Besuchs der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Die SPD mit ihren bundesdeutschen wie europäischen Vertretern versuchte, die Aussagen des CSU-Vertreters zu skandalisieren: Denn Weber spricht sich für eine Annäherung an Meloni aus. Der Vorwurf der Linken: Weber will mit den „Rechtsextremen“ zusammenarbeiten und deren Positionen übernehmen.
Das ist nicht das einzige Beispiel. Letzte Woche ertappte die rechtskonservative ID-Fraktion im EU-Parlament Weber dabei, wie er ihr Programm kopierte. Der stellvertretende Fraktionsgeschäftsführer der ID-Fraktion, Tobias Teuscher, posierte mit einem Plakat und bot Weber einen Job bei seiner Partei an. Wenn Weber schon die Politik von ID und AfD übernehme, dann könne er doch gleich zu ihnen kommen und für sie arbeiten.
Dass der letzte EU-Gipfel in Migrationsfragen sich die Positionen der ID-Fraktion so zu eigen gemacht hätte, wäre ohne Weber als „spin doctor“ kaum möglich gewesen. Die sozialistische S&D-Fraktion nahm den Ball auf: Weber habe sich zum „poster boy“ der „Rechtsextremen“ gemacht.
Es ist nicht der einzige Fall, in dem die zentristische EVP-Fraktion die Positionen der Konservative plötzlich übernimmt. Während die Unionsparteien hierzulande unter Friedrich Merz verzagt nach einem Ausweg aus der strategischen Falle suchen, in die sie die jahrelange Politik von Angela Merkel hineingebracht hat, und Markus Söder gar gegen Meloni und Konsorten öffentlichkeitswirksam schießt, suchen die christdemokratischen Schwesterparteien das Rezept der ID zu kopieren.
Erst am Montag gab es eine Aussprache zum Thema NGO-Finanzierung im EU-Parlament. Die EVP hatte einen Antrag der ID dazu über lange Zeit abgelehnt. Die AfD wies gegenüber TE darauf hin, man habe so einen Antrag „gefühlt jedes Quartal“ seit 2015 beantragt. „Wir haben das Thema NGO und deren unlautere Finanzierung seit Beginn der Wahlperiode fortlaufend aufgegriffen“, so der stellvertretender Leiter der AfD-Delegation, Gunnar Beck.
Wegen Katar und Marokko ist das Thema aktuell, plötzlich fordert die EVP Aufklärung. Die ID ließ es sich daher nicht nehmen, den erneuten Themendiebstahl zur Vorlage zu nehmen. Alessandro Panza (Lega) sprach davon, dass es schön sei, dass die Fakten endlich angenommen würden, nachdem man die ID dafür jahrelang beleidigt hätte. Ohne den Katar-Skandal hätte es diese Aussprache nie gegeben, weil die Linke, die am stärksten in diesen verstrickt sei, dies zu verhindern gewusst hätte.
Bernhard Zimniok (AfD) wies darauf hin, dass die EU ebenjene NGOs finanziere. NGOs dienten nicht dem Gemeinwohl, sondern verbreiteten „linksgrüne Ideologie“, ob im Mittelmeer als „kriminelle Schlepper“ – häufig von der EU auch noch finanziert und unterstützt – oder wenn sie als Klimakleber die Gesellschaft terrorisierten.
Den Schritt zu dieser Klarheit hat die EVP noch nicht vollzogen. Doch insbesondere bei der Migrationspolitik schlägt die Fraktion nicht nur rhetorisch, sondern auch inhaltlich diesen Kurs ein. Die Errichtung von Zäunen an den Außengrenzen waren über Jahre ein „rechtes Thema“ – nach dem Gipfel sind sie festgeschrieben. Nun fordert Weber Aufnahmezentren in Nordafrika, wo Migranten Asylanträge stellen können – ebenfalls eine Position, die noch vor Monaten nicht verhandelbar war.
Noch hält das Narrativ, dass die Rechtsparteien menschenverachtende Programmpunkte verträten, indes sich die Verbündeten von CDU/CSU an Realpolitik orientieren. Doch in Wirklichkeit haben AfD, Lega und Rassemblement National gezeigt, dass sie am Ende des Tages nicht nur mit ihren Forderungen Recht behalten haben; sie haben auch gezeigt, dass ihre Forderungen nie so radikal waren, wie linke Medien und Politik sie darzustellen versuchten. Während in Deutschland die „Brandmauer“ hält, übernimmt Mitte-Rechts bereits den Geist der Geächteten.
Verständlich, dass insbesondere bei den Sozialisten die Alarmglocken schellen. Zurzeit erntet die EVP Spott und Hass – in Zukunft womöglich politische Optionen. Bereits der letzte EU-Migrationsgipfel dürfte ein Schlag in die Magengrube der Ampel-Koalition gewesen sein. Ob reinen machtpolitischen Erwägungen geschuldet oder langfristige Strategie: In Brüssel tut sich etwas.
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