Die Bürgerkoalition von Ministerpräsident Donald Tusk hat bei der EU-Wahl gegen die national-konservativen Europa-Skeptiker von der PiS klar gewonnen. Aber trotz der grundsätzlichen EU-Freundlichkeit von Tusk und seiner Partei wird sich EU-Präsidentin Ursula von der Leyen nicht nur freuen. Denn auch Tusk hat im Wahlkampf sehr deutlich gemacht, dass er sich für eine härtere Gangart in der europäischen Migrations- und Flüchtlingspolitik einsetzt, deutliche Abstriche in der EU-Klimapolitik anpeilt, die polnischen Landwirte vor ukrainischen Getreideexporten schützen will – und das angesichts des russischen Kriegs gegen die Ukraine die Sicherheitspolitik auch für die EU Priorität genießen muss.
Der Wahlsieg der Bürgerkoalition – bei einer der Wahlbeteiligung von lediglich 40 Prozent – gelang mit 37,1 Prozent nur äußerst knapp. Die PiS-Opposition von Jaroslaw Kaczynski erreichte 36,2 Prozent.
Drittstärkste Kraft wurde nun bei der EU-Wahl die rechtsradikale Konfederacja mit 12,1 Prozent, die zunehmend als eine feste Größe in der polnischen Politik angesehen werden muss. Sie wird auch die rechten Kräfte im EU-Parlament stärken. Tusks kleine Koalitionspartner, der christdemokratische Dritte Weg erreichten 6,9 Prozent und das Linksbündnis Lewica 6,3 Prozent der Stimmen.
„Genau zehn Jahre haben wir auf den ersten Platz auf dem Podium gewartet. Ich bin so glücklich“, sagte Tusk am Sonntagabend vor jubelnden Anhängern sichtlich erleichtert. Denn als sein wichtigstes Wahlziel hatte gegolten, vor der PiS die Nase vorn zu haben.
Für die EU hatte der Einzug von Tusk in den Warschauer „Präsidentenpalast“, den Amtssitz des Regierungschefs, das Ende eines achtjährigen Dauerkonflikts mit PiS-geführten Regierungen bedeutet. Was in Brüssel mit großer Erleichterung registriert wurde. Polen sei der Beleg, dass eine funktionierende, starke Demokratie „Rechtspopulisten“ und nationale, demokratiegefährdende Kräfte in europäischen Regierungen abgelösen können, meinte von der Leyen erkennbar auch mit einem Blick nach Ungarn.
Auch bei dem für 2035 angestrebten Aus für den Verbrennungsmotor steht die polnische Regierung mehr als skeptisch gegenüber. Sie kündigte vor zwei Monaten an, gegen die „unrealistischen“ EU-Pläne vor das oberste EU-Gericht zu ziehen. Polen setzt nach wie vor stark auf den Energieträger Kohle.
Tusk wird vermutlich nicht unglücklich sein, wenn angesichts neuer Mehrheiten im EU-Parlament der erst kürzlich verabschiedete Migrationspakt wieder aufgedröselt wird. Zu sehr bedrängt ihn die PiS-Opposition, der Pakt werden Polen zwingen viele Tausend Migranten zusätzlich aufzunehmen.
Der Ex-Präsident des Europäischen Rates betonte bisher immer, dass Polen von dem neuen System profitieren könne, das es bereits fast eine Million ukrainischer Flüchtlinge aufgenommen habe. Auch bei dem angesichts des Erstarkens konservativer und nationaler Parteien ohnehin stark in Frage gestellte „Green Deal“ der EU wird Tusk heilfroh sein, wenn da deutliche Abstriche gemacht werden. Anfang des Jahres hatte es in Polen massive Proteste der Bauern gegeben.