Sie hat es schon wieder getan. In einer Kurznachricht – diesmal nicht auf WhatsApp, sondern bei X – verkündet Ursula von der Leyen fast nebenher neue Hilfen in Milliardenhöhe für Syrien. Und sie tut das namens der EU, nicht anders als im Kurznachrichten-Chat mit Pfizer-Chef Albert Bourla. Um Milliarden ging es ja auch damals bei den mRNA-Dosen.
Aber wer hat die neuen Ausgaben von 2,5 Milliarden Euro für die Jahre 2025 und 2026 eigentlich entschieden und beschlossen? Eine Geberkonferenz gab es, das stimmt, ausgerichtet von der EU-Kommission. Einzelne Mitgliedsstaaten durften sich dort zu Zahlungen verpflichten. Nicht gefragt wurde wieder einmal der Bürger.
Dieselbe Frage geht also an Annalena Baerbock, die immer noch 300 Millionen Euro für Syrien bereitstellen will. Letztes Jahr hatte die Ministerin – stellvertretend für die Bundesregierung – noch eine Milliarde Euro zugesagt. Aber diese Summe musste sie wegen des nicht mehr beschlossenen Ampel-Haushalts 2025 zusammenstreichen. Die EU bittet derweil andere, es ihr gleichzutun.
Ist es daneben mehr als ein Zufall, dass vier Frauenporträts einen begrüßen, beim Blick auf die Kommissionsseite, die die EU-Zusage ankündigt? Unter Ursula von der Leyen („Syriens Hoffnung kann Realität werden“) folgen die Köpfe der Außenbeauftragten Kaja Kallas, der Mittelmeer-Kommissarin Dubravka Šuica und der Kommissarin für Gleichstellung und Krisenmanagement, Hadja Lahbib. Lahbib ist Belgierin algerischer Herkunft und wünscht sich ihrem Amt gemäß eine „gerechte, inklusive und stabile Zukunft“ für Syrien. Also Inklusion für Frauen, bitte. Die EU wird da noch so einige Wünsche haben.
Gestern Terroristen, heute Staatsmänner
Anwesend war auch der syrische Außenminister Asaad al-Schaibani. Und das gab von der Leyen einen Grund für den Ausspruch, der sinnbildlich über diesem Treffen stehen könnte: „In der Vergangenheit haben wir für Syrien und für die Syrer gearbeitet. Heute können wir endlich mit Syrien arbeiten.“ Al-Schaibani war einst Gründungsmitglied der dschihadistischen Al-Nusra-Front, einem syrischen Al-Qaida-Zweig und Vorläufer der späteren Dschihadisten-Miliz Haiʾat Tahrir asch-Scham (HTS), zu der auch Interimspräsident Ahmed al-Scharaa gehört. Inzwischen wurde die HTS-Miliz aufgelöst und bildet offenbar ein Kernstück der neuen syrischen Streitkräfte. Bis vor kurzem stand die HTS auf der Liste der terroristischen Organisationen der EU. Nun sagt von der Leyen zu ihm, er soll ihr die eigenen „Bedürfnisse“ („needs“) mitteilen.
Aber nur wenige Tage sind vergangen, seit furchtbare Bilder aus Syrien drangen, von mutmaßlichen IS-Milizen, die im Nordwesten des Landes Massaker an Alawiten und Christen begingen. Nun soll das Land also auf einem „guten Weg“ sein, zumindest solange man von der Leyen zuhört: „Natürlich ist der Weg zu Versöhnung und Wiederaufbau noch lang, aber zum ersten Mal seit Jahrzehnten kann die Hoffnung in Syrien Wirklichkeit werden. Syrien kann ein Land werden, in dem jeder seine Meinung sagen kann.“ Kann – das muss man betonen.
Auch von der Leyen wünscht sich, dass dies „mit gleichen Rechten und gleicher Vertretung für alle“ einhergehe, „Männer und Frauen gleichermaßen, jenseits von Glauben, ethnischer Zugehörigkeit und Ideologie“. Syrien solle ein „Land, in dem es keinen Platz für sektiererische Gewalt gibt“, werden. Nur wann? Schon bald? Sicher ist, dass die Euros auch ohne solche Voraussetzungen rollen werden. So wird eine neue Bastion der Dschihadisten im Nahen Osten aufgebaut.
Hier NGOs, da Abschiebungen
Die Bundesregierung behauptet übrigens, die deutschen Gelder würden nur über UN-Hilfsorganisationen und Nichtregierungsorganisationen implementiert. Das soll deutsche Wähler beruhigen, es bleibt aber dabei, dass man sich damit für die Stabilisierung des neuen Regimes einsetzt, ohne etwas Konkretes dafür zu bekommen. Nicht anders ist es in Afghanistan.
Derweil will sich die EU-Kommission auch (endlich) um Rückführungen kümmern. Dafür will Migrationskommissar Magnus Brunner sorgen. Denn bisher verlasse nur jeder fünfte Ausreisepflichtige die Union. Aber vielleicht kann UvdL ja helfen, sie muss nur etwas mit Außenminister Asaad al-Schaibani „arbeiten“, vielleicht auch mal einen Blick in den eigenen „Instrumentenkasten“ wagen. Dann hätten die EU-Gelder immerhin einen Sinn gehabt. Aber das wäre wohl wirklich zu viel verlangt.
Auch Annalena Baerbock, der bei ihrem letzten Besuch nicht mal die Hand gegeben wurde, ist mit Deutschlands Steuermillionen wieder mit von der Partie: