Die EU-Kommission hat der griechischen Küstenwache die Überweisung von Geld verweigert, mit dem der Grenzschutz in der Ägäis verbessert werden sollte. Die griechische Regierung soll so offenbar dazu gebracht werden, einen unabhängigen »Mechanismus zur Überwachung der Grundrechte« einzurichten, wie EU-Innenkommissarin Ylva Johansson verriet. Eine Arbeitsgruppe soll diesbezüglich auch schon gegründet sein. Die Kommissarin erwartet »Fortschritte«.
Worauf Johansson letztlich abzielt, zeigt sich heute schon an der Evros-Grenze. Wie türkische Medien berichten, haben sich hunderte Afghanen von Istanbul in Richtung Adrianopel (türkisch Edirne) und damit zur türkisch-griechischen Grenze aufgemacht, nachdem in den sozialen Medien Fehlinformationen verbreitet worden waren, wonach der Grenzübergang von Kastanies Ende August kurzfristig geöffnet werden soll. In diesem Fall hielt angeblich die türkische Gendarmerie die Afghanen auf. Doch auch auf griechischer Seite habe man sich entsprechend vorbereitet, hieß es in griechischen Zeitungen.
Die Episode dürfte ein Vorgeschmack auf die nahe Zukunft sein. Die wirkliche Belastung der EU-Außengrenzen, die sich durch neue und ältere afghanische Auswanderer in der Türkei bald ergeben könnte, ist schon in Tagen oder Wochen zu erwarten. Also praktisch für den Rest des Sommers.
Im März hatte Griechenlands Marineminister Ioannis Plakiotakis einen Finanzbedarf von 15,8 Millionen Euro für die griechische Küstenwache genannt, als Johansson ihn ihm Rahmen einer Rundreise mit den Stationen Ägäis und Athen traf. Der Betrag entspräche etwa der auch früher schon gezahlten EU-Beihilfe zum Ägäis-Grenzschutz. Die Überwachung der Seegrenzen gilt als besonders aufwendig. Athen hat um die Inseln im Osten inzwischen eine Art schwimmende Festung errichtet und so eine deutliche Minderung der Migrationsströme erreicht. Dafür ist es notwendig, Gruppen, die offenbar nicht die notwendigen Voraussetzungen erfüllen, wieder in Richtung Türkei auf den Weg zu bringen. Aus dieser Auffassung macht die griechische Regierung im Grunde keinen Hehl.
Nur einer widersprach dem Brüsseler Comment
Medien wie zum Beispiel der Spiegel behaupten aber, dass die griechische Küstenwache – unter den Augen der EU-Grenzschutzagentur Frontex – Zurückweisungen von irregulären Migranten durchführe, die nicht rechtens seien. Die griechische Regierung begründet ihre Vorgehensweise auch mit der EU-Richtlinie zum Schutz der EU-Außenseegrenzen. Nur durch eine zupackende Überwachung der Grenzen könne man irreguläre und damit in über 90 Prozent der Fälle auch illegale Einreisen vermeiden. Erst jüngst hat Griechenland klargestellt, dass es die Türkei als sicheren Drittstaat ansieht. Das gilt insbesondere für die fünf häufigsten (muslimischen) »Flüchtlings«-Nationalitäten, darunter auch Somalier und Afghanen.
Immer wieder stellt sich die Frage, welche und wessen »Grundrechte« die EU-Kommissarin Johansson verteidigt, wenn sie den griechischen Küstenschützern die Arbeit erschwert und geplante EU-Zahlungen zurückhält. In Johanssons Rücken sitzen natürlich auch die Abgeordneten der sogenannten Frontex-Prüfgruppe, die – meist aus einer links-grünen Optik – nicht nur Disziplinarmaßnahmen gegen die EU-Agentur fordern, sondern auch die Zahlungsminderung an Griechenland gutheißen. In diesem Sinne äußerte sich die Berichterstatterin der Prüfgruppe, die niederländische Politikerin Tineke Strik (GroenLinks), die im übrigen vor ihrer Politkarriere unter anderem Rechtsschutzberaterin des Niederländischen Flüchtlingsrats war, einer NGO.
Nur einer widersprach der Brüsseler Entscheidung: Der österreichische Innenminister Karl Nehammer wandte gegenüber der Kronenzeitung ein, die griechischen Behörden leisteten »Herausragendes« an den EU-Außengrenzen. Österreich bleibe »solidarisch« mit Griechenland: »Die EU-Kommissarin handelt kurzsichtig und auch nicht im Sinne der Mitgliedstaaten, wenn sie Mittel für den Grenzschutz streicht.« Es brauche, so Nehammer, auch weiterhin eine »bedingungslose Unterstützung« für den Außengrenzschutz. Der Grenzschutz müsse nicht etwa abgebaut, sondern verstärkt werden – vor allem auch angesichts der neuesten Entwicklungen in Afghanistan.
Taliban in Kalamata
Derweil wurden »Taliban« auch im südgriechischen Kalamata gesichtet. Eine Gruppe von 13 Männern wurde in der Nähe der bekannten Olivenstadt an einer Hauptverkehrsader gesichtet. Die Dreizehn wurden zur Feststellung ihrer Identitäten festgenommen, aus unbekannten Gründen wieder freigelassen und abends erneut inhaftiert. Es stellte sich heraus, dass sie als Bürger mit deutscher oder französischer Staatsangehörigkeit auf legalem Weg eingereist waren. Ihr Ziel blieb freilich ungeklärt. Die ungewollte Einwanderung könnte also langfristig auch anders herum laufen.