Tichys Einblick
EU einig Asylland

EU-Asylagentur: Mehr als eine Million Asylanträge 2023 – und 2024 wird nicht besser

Die EU-Asylanträge haben in diesem Jahr die Millionengrenze überschritten. Und 2024 verspricht keine Entlastung. Auch das jüngst ausgehandelte EU-Asylpaket wird nichts daran ändern, zumal es erst in zwei Jahren wirken soll. Derweil werden neue Asylgründe gefunden werden, zusätzliche Aufnahmen sind zu erwarten – vielleicht bald auch aus Gaza.

Lampedusa am 18. September 2023

IMAGO / ZUMA Press

„Die Welt um uns herum wird immer instabiler. Das Schutzbedürfnis der Flüchtlinge wird daher auch 2024 und darüber hinaus nicht abnehmen, sondern zum Teil sogar zunehmen.“ Das sind die festlichen Jahresendworte der vielen sicher noch unbekannten Asylagentur der EU (EUAA), die es erst seit Januar 2022 gibt. Im Jahr 2023 erwartet die Agentur einen Höchststand von Asylanträgen in der EU, der die Millionengrenze deutlich überschreiten werde. Ende Oktober waren es laut der EUAA schon 973.000 Anträge gewesen, und da fehlten noch zwei Monate. Es war bis dahin ein Anstieg um 22 Prozent gegenüber dem Vorjahr, das im Herbst und Winter auch schon erhöhte Antragszahlen gesehen hatte.

Allein im Oktober gab es 123.000 Asylanträge in der gesamten EU, was der höchste Monatswert seit sieben Jahren ist. Dabei dürfte diese Zahl sogar zu tief gegriffen sein, wenn man das Ausmaß der illegalen Einreisen ermessen will. Denn wie der deutsche Bamf-Chef in einem Brandbrief eingestand, entsprachen die Asylanträge im September und Oktober keineswegs der Zahl der Personen, die in diesen beiden Monaten neu ins Land gekommen waren. Über 50.000 sollen es in beiden Monaten gewesen sein, während die Asyl-Kapazität des Bamf bei irgendwo um die 30.000 aufhört. Die übrigen Anträge verschoben sich folglich in die Folgemonate (also die gegenwärtigen). Es ist wie 2015/2016, wo der Ansturm ebenfalls nicht auf der Stelle zu bewältigen war.

Und auch für 2024 sieht die Agenturchefin Nina Gregori, zuvor im slowenischen Innenministerium beschäftigt, keine Entspannung voraus, vielmehr ein „herausforderndes Jahr“ – freilich nicht für die Asylagentur, denn sie zählt die Antragsteller ja bloß. Den Zeitungen der Funke-Gruppe beschwor sie – hier einleitend zitiert – eine instabile Welt und ein nicht enden wollendes „Schutzbedürfnis“ von angeblichen „Flüchtlingen“. Beides sind Hüllwörter für das Aufnahmebedürfnis gewisser Kreise in Europa.

Auch das groß gefeierte Asylpaket der EU kann und wird daran nichts ändern – es tritt ja auch erst ab 2026 in Kraft und dürfte auch dann kaum etwas aus eigener Kraft bewirken, wie nun auch Migrationsforscher Ruud Koopmans in der Bild feststellte. Es fehlt bisher der eindeutige Beschluss, dass die illegale Migration nach Europa deutlich gesenkt werden muss. Vor allem kritisiert der Berliner Professor Koopmans zu Recht: Auch wenn die Asylverfahren an der Außengrenze kommen, bleiben die Abschiebungen genauso problematisch wie heute. Übrigens machte die grüne Integrationsministerin von Schleswig-Holstein, Aminata Touré, gerade in der Welt die „grüne Haltung“ gegen mehr sichere Herkunftsländer bekannt. Das gilt einfach so, ohne Grüne, ex cathedra – bis auf Widerruf durch den grünen Bundesvorstand.

Deutschland nimmt erneut eine Großstadt auf

Deutschland ist auch laut Nina Gregori das Hauptzielland für illegale Zuwanderer in der EU. Gut jeder vierte EU-Asylantrag wurde in deutschen Landen gestellt, in absoluten Zahlen gab es hier bis Ende November 325.801 Asylanträge – das ist ein neues Münster (rund 321.000 Einwohner), am Jahresende wird wohl ein neues Bochum (365.000 Einwohner) herauskommen. Gebaut werden können diese „Neustädte“ aber nicht überall. Eine Villensiedlung im Kreis Offenbach erklärte sich für nicht zuständig. Weiterhin werden aber überall Notunterkünfte hergerichtet, egal ob eine ehemaligen Kaserne für 450 Immigranten im Kreis Gifhorn oder Einkaufszentrum in der Ludwigshafener Innenstadt für 400. In München müssen es gleich sieben neue Unterkünfte mit 1.370 Schlafplätzen sein.

In Deutschland betrug der Antragszuwachs im Jahresvergleich denn auch satte 52 Prozent. Das verdeutlicht: Die Bundesrepublik mit ihren in allem großzügigen Regelungen – was Geld, Versorgung, Anerkennungschancen und Verbleib auch ohne Anerkennung angeht – ist weiterhin der Asylmagnet in Europa, auch wenn andere Länder – darunter auch Österreich – höhere Pro-Kopf-Belastungen haben. Doch die Magnetwirkung des deutschen Asylsystems zieht auch die anderen Länder mit in den Abgrund.

Auch die Belastung durch Ukraine-Flüchtlinge hat laut Gregori im zu Ende gehenden Jahr zugenommen. Ende Oktober seien 4,16 Millionen ukrainische Flüchtlinge in Ländern der EU registriert gewesen. Das waren 320.000 mehr als noch im Januar. In Deutschland zählt die Agentur aktuell 1,17 Millionen Ukrainer, in Polen seien es 957.000. Es wird aber angenommen, dass viele – nicht alle – Ukrainer in ihre Heimat zurückkehren werden, sobald es die Umstände erlauben. Am Ende wird man auch im kommenden Jahr wieder ein Bochum bauen müssen, um allen Ankommenden ein Zuhause zu bieten. Die Folgen werden an immer mehr Stellen im Land sichtbar. Und dabei sind noch nicht einmal die nachziehenden Familienmitglieder mitgerechnet. Auch deren Zahl hat in diesem Jahr die 125.000 überschritten. Diese Zahl muss zur Asyl-Zuwanderung hinzugezählt werden. Dann wären wir allerdings schon eher bei einem neu zu bauenden Duisburg.

Immer neue Fluchtursachen werden gesucht und gefunden

Und neue Asylgründe werden laufend gefunden: Zu den Kriegsflüchtlingen kommen längst die sexual-identitär Unterdrückten aller Länder hinzu, Menschen, die unter Wirtschaftskrisen leiden, und am Ende wohl auch „Klimaflüchtlinge“. Ein dubioser Sachverständigenrat für Migration und Integration (SVR) hat daher schon im Mai dafür plädiert, „Klimaflüchtlingen neue Zugänge nach Deutschland und Europa zu verschaffen“. Die Süddeutsche Zeitung sprang damals umgehend auf dieses Boot auf und brachte einen „Klima-Pass, eine Klima-Card“ oder auch „ein Klima-Visum“ ins Gespräch. Dabei könnte das Leben in der nördlichen Hemisphäre eventuell noch schädlicher fürs Klima sein. Und der „globale Süden“ böte eigentlich genug Möglichkeiten für klimafreundliche Solarpanele. Eine wirtschaftliche Revolution könnten findige Anlagenbauer dort mit billiger Energie entfachen. Die SZ rechnet mit bis zu 216 Millionen Klima-Flüchtlingen in den nächsten 25 Jahren. Die Grünen werden sich dafür einsetzen, auch diese Zahl zu erhöhen.

Daneben bereitet die Bundesregierung auf versteckten Pfaden bereits eine Aufnahme von Flüchtlingen aus Gaza vor. In einer Antwort an den AfD-Abgeordneten Petr Bystron, zugleich Mitglied im Auswärtigen Ausschuss, bestätigt das grün geleitete Außenministerium, dass die Bundesregierung sich auch weiterhin „für die Ausreise insbesondere von deutschen Staatsangehörigen“ einsetzt. Daneben gibt es aber offenbar auch „nicht-deutsche Staatsangehörige“, denen eine Aufnahme gewährt werden soll. Zum Teil seien das „Familienangehörige von Deutschen“, zum Teil aber auch „lokal Beschäftigte von deutschen Institutionen und
deren Familienangehörige“. Mit anderen Worten: Hier wird der Ortskräfte-Mythos von Afghanistan nach Gaza übertragen. Welches zusätzliche Aufnahmevolumen dieses Bekundung des Auswärtigen Amts erzeugen wird mag noch offen sein. In Zukunft kann das Muster auf alle möglichen Konflikte in aller Welt übertragen werden und so zusätzliche Aufnahmen neben der illegalen Zuwanderung an den Grenzen erzeugen. „Aktuell“, heißt es dann schein-entwarnend, bestünden „keine Planungen für humanitäre Aufnahmeprogramme/Resettlementprogramme“. Das kann sich freilich schnell ändern, wenn der „Friedensprozess“ in Israel und Gaza an Fahrt gewinnt.

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