Tichys Einblick
Domino-Effekt in der Corona-Politik

Estland und Litauen wollen Impfzertifikat abschaffen

Zwei weitere Staaten der Europäischen Union stellen ein Ende der Corona-Maßnahmen in Aussicht. Lettland, das dritte baltische Land, bleibt dagegen vorsichtig.

Die estnische Premierministerin Kaja Kallas

IMAGO / Scanpix

Die Regierung in Estland hat einen Plan zur Abschaffung der Corona-Maßnahmen im Land beschlossen. Das erklärte Premierministerin Kaja Kallas am Mittwochabend. Schon zum 21. Februar könnte das Covid-Zertifikat wegfallen. Voraussetzung ist, dass zum Stichtag 17. Februar weniger als 25 Personen täglich wegen Covid-19 in die Krankenhäuser eingeliefert werden. Es handelt sich dabei um einen Kompromiss innerhalb der Koalition. Der Partner von der Zentrumspartei wollte das Zertifikat Mitte des Monats abschaffen, die Reformpartei, der Kallas vorsteht, wollte vorsichtiger vorgehen.

Kallas betonte in ihrem Statement die Wichtigkeit der Impfung. Die Maskenpflicht bleibe in öffentlichen Innenräumen bestehen. Estland hatte bereits ab Montag verfügt, dass Kinder, die in der Schule Kontakt mit positiv getesteten Mitschülern hatten, nicht mehr in Quarantäne müssen. Die Zertifikatspflicht entfällt dort ab Freitag. Mediziner und Gesundheitsbehörde warnten vor zu schnellen Öffnungen.

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Die Regierungschefin machte explizit auf die Entwicklungen in anderen EU-Staaten aufmerksam, etwa Finnland, Dänemark und Litauen. Dänemark habe jedoch eine höhere Impfquote als Estland, weshalb eine solche Öffnungsfrage nicht infrage käme. Man habe dieses Problem in der Koalition zudem „aussortieren“ müssen, um sich nun auf wichtigere Themen wie die Energiekrise und die Sicherheitssituation in der Region zu konzentrieren. Auslöser des Vorstoßes war vor allem die neue Corona-Politik in Litauen, das wie Estland und Lettland zu den drei baltischen EU-Staaten gehört.
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In Litauen will die Regierung bereits am kommenden Samstag das Impfzertifikat für Restaurants, Einzelhandel und den Kulturbereich streichen. Das Gesundheitsministerium erklärte, dass mit der Verbreitung der Omikron-Variante sowohl Ungeimpfte als auch Geimpfte oder Genesene von einer Ansteckung bedroht seien. „Dadurch wird die Wirksamkeit von Covid-Zertifikaten als Mittel zur Begrenzung der Covid-Ausbreitung erheblich gemindert“, heißt es in einem Papier. Das Ministerium schloss allerdings eine Wiedereinführung des Zertifikats nicht aus.

Zugleich verkündete die Regierung, dass die obligatorische Testung von Ungeimpften auf Corona in den Bereichen Medizin, Sozialwesen, Bildung, Pharmazie, öffentlicher Verkehr, Fertigung, Gastronomie und anderen Sektoren entfällt. Gleichzeitig forderte die Regierung die Einzelhändler auf, mindestens 15 Quadratmeter Verkaufsfläche pro Person sicherzustellen.

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Lettland, das an Litauen und Estland grenzt, bleibt dagegen bei einer vorsichtigen Maßnahmenpolitik. Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik hatten zwar Erleichterungen gefordert. Das Gesundheitsministerium zeigt sich jedoch zurückhaltend. Man habe die Spitze der Omikron-Welle noch nicht erreicht, diese solle aber „sehr bald“ überstanden sein. Die ehemalige Wohlfahrtsministerin Ramona Petraviča kritisierte die Entscheidung: „Wenn jemand argumentiert, dass die Krankheitsfälle weiter zunehmen und es nicht der richtige Zeitpunkt ist, diese Entscheidungen zu treffen, dann denke ich, dass es nie der richtige Zeitpunkt dafür ist.“

Es ändert freilich nichts an der Feststellung: Vor allem Deutschland und Österreich bleiben die Geisterfahrer in der Europäischen Union. Aktuell redet keiner mehr über die Einführung einer Impfpflicht. In Italien und Griechenland wurde die Spritze für ältere Menschen noch im letzten Jahr verabschiedet – ob das heute noch passieren würde, ist bereits jetzt fraglich. Tschechien, das eine ähnliche Idee hatte, hat diese wieder verworfen. Laut Our World in Data ist in Estland (62,4 Prozent), Lettland (67,8 Prozent) und Litauen (66,7 Prozent) die Zahl der vollständig Geimpften übrigens niedriger als in Deutschland (74,1 Prozent).

Dennoch bleibt es beim deutsch-österreichischen Sonderweg.

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