Mit Floskeln hält der Mann sich nicht auf. Die Künstliche Intelligenz, kurz KI (englisch AI für „Artificial Intelligence“) sei eine neue industrielle Revolution, lässt J.D. Vance seine Zuhörer wissen. „Und wir sind der Goldstandard, weltweit.“
Mit „wir“ meint er die USA, natürlich.
Der neue US-Vizepräsident ist 40 Jahre alt. Das ist jung für einen Politiker außerhalb Deutschlands. Es besteht also die realistische Möglichkeit, dass Vance noch länger als die vier Jahre seiner gerade begonnenen Amtszeit eine bedeutende Rolle in den USA spielt. Immerhin 15 Vizepräsidenten wurden später selbst Präsident. Prominente Namen findet man da: Thomas Jefferson und Richard Nixon, George Bush und Joe Biden.
Vance nutzt seine erste Auslandsrede im neuen Amt für offene, aber fundierte Kritik an der EU. Die sei schlicht zu wenig „innovation-friendly“, und um das zu verstehen, braucht noch nicht einmal Gastgeber Emmanuel Macron einen Dolmetscher. KI müsse gefördert werden und nicht behindert. Die neue technologische Revolution brauche kein Zögern und keine „exzessiven Regulierungen“.
Unverblümt kritisiert Vance den ständigen Drang der EU nach immer mehr staatlicher Kontrolle und neuen vermeintlichen Sicherheitsvorschriften. „Das könnte sie (die KI, Red.) zerstören, während sie gerade boomt.“ In dieser Tonlage geht es weiter: „Wir sind besorgt, dass man uns stoppen will.“ Das würden die USA aber nicht hinnehmen, von niemanden. Seine Botschaft: auch nicht von der EU.
Der liest er, einmal in Fahrt, auch weiter die Leviten: Die neue US-Administration akzeptiere nicht, wenn – von wem auch immer – „aus ideologischen Gründen“ die freie Rede in den Sozialen Medien zensiert werde. Wenn Meinungen nicht zur Regierungsideologie passten, handele es sich deshalb noch lange nicht um Fake News oder Desinformation.
Dann wird Vance plötzlich versöhnlicher – jedenfalls, was die EU angeht. Er bittet die „internationalen Freunde“, sie sollten bei der KI auf die USA setzen und nicht auf „autoritäre Regime“. Letztere würden nur Daten und Expertise stehlen. Der US-Vizepräident musste China gar nicht ausdrücklich erwähnen – es wusste sowieso jeder, wer gemeint war.
Dass die Trump-Administration fest entschlossen ist, einen harten Kurs gegenüber Peking zu fahren, zeigte Vance schon am Vorabend seiner Rede. Da hatte Frankreichs Präsident Macron zu einem festlichen Bankett in den Élysée-Palast geladen, und dort hatte der chinesische Vize-Ministerpräsident zum Toast das Wort ergriffen. Dabei rief der Chinese zum freien Welthandel auf und kritisierte Importzölle.
Vance fasste das als Affront gegen Donald Trump auf und verließ demonstrativ den Saal.
Einen Tag später sollte Ursula von der Leyen nach J.D. Vance das Wort ergreifen. Die deutsche Präsidentin der EU-Kommission hatte sich erkennbar darauf vorbereitet, eine Art Gegenrede zum US-Vizepräsidenten zu halten. Darin wollte sie Brüssels Pläne zu einer umfangreichen KI-Regulierung verteidigen. Das tut sie dann auch.
Aber J.D. Vance hört das gar nicht mehr. Denn er verlässt die Veranstaltung – für jedermann sichtbar durch den Haupteingang – sofort nach seiner eigenen Rede, ohne von der Leyens Entgegnung abzuwarten. Der Gipfel endet mit einer blumigen Abschlusserklärung. 60 Staaten unterschreiben sie. Die USA tun es nicht.
Es wird ungemütlich für Brüssel.