Tichys Einblick
Weitere Details zum Schlepperwesen auf Lesbos

Erst Festnahmen bei NGOs, dann Freilassungen: Die griechische Justiz ermittelt

Die Affäre um vier NGOs, die mit Schleppern zusammenarbeiten, geht weiter: Erst wurde die Besatzung der »Mare Liberum« festgenommen, dann kamen sie nach Intervention der deutschen Botschaft schnell wieder frei. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft unter anderem wegen Gründung einer kriminellen Organisation.

imago Images /Zuma

Es war eine überraschende Durchsuchung der »Mare Liberum« Anfang September, die den Stein ins Rollen brachte. Seit Monaten war das Schiff in der Ägäis unterwegs, angeblich um Migranten in Seenot zu retten, wie die Betreiber als Stiftungszweck angeben und auf vielen Videos behaupten. Alle Besatzungsmitglieder wurden festgenommen und erkennungsdienstlich behandelt. Außerdem wurden die elektronischen Geräte, die sich auf dem Schiff fanden, zur späteren Auswertung beschlagnahmt.

Bei der »Mare Liberum« handelt es sich um die umbenannte »Sea-Watch 1«, die seit 2018 in die Hände der NGO Mare Liberum e. V. überging. Das berichtet Mare Liberum auf seiner Website. Photos zeigen die Identität der beiden Boote. Sea- Watch e. V. sei ein »starker Unterstützer« von Mare Liberum. Sea-Watch schreibt auf seiner Website (nebst Bild der ersten »Sea-Watch«), dass man sich seit 2016 und definitiv Ende 2017 aus der Ägäis zurückgezogen hat. Das Interessante ist nun, dass laut dem Nachrichtenportal Lesvos Post nicht Mare Liberum sondern Sea-Watch e. V. die deutsche Botschaft kontaktiert haben soll, so dass die festgenommenen NGO-Mitarbeiter nach acht Stunden Haft wieder freikamen. Das berichtete die Lesvos Post am 7. September. Von offizieller Stelle wurde der gesamte Vorgang freilich nie bestätigt.

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Offenbar konnten aber zumindest die Ermittlungen der Polizei, auch unter Mithilfe der Geheimdienste, fortgesetzt werden, so dass es dann Mitte September zu staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen 33 NGO-Mitglieder kam. Sieben der Verdächtigen gehören dabei der Leitungsebene an. Damit stellen die Deutschen die deutliche Mehrheit der Verdächtigen; daneben sind noch Schweizer, eine Französin, eine Bulgarin, ein Spanier sowie je eine Frau aus Österreich und Norwegen unter den nachgeordneten Helfern. Hinzu kommen zwei Verdächtige aus Drittstaaten, bei denen es sich um Migranten aus Afghanistan und Iran handelt.

Bei den Personen, gegen die ermittelt wird, handelt es sich offenbar genau um  Mitglieder der Besatzung der »Mare Liberum«. Ein Anruf bei der Polizeidirektion der Nordägäis ergab, dass die Ermittlungen gegen die NGO-Mitglieder nun bei der Staatsanwaltschaft liegen, derzeit aber noch keiner der Angeklagten inhaftiert wurde.

Dabei gelten die kriminellen Aktivitäten der vier NGOs, ihre Zusammenarbeit mit Schleppern vom türkischen Festland, als durch die Ermittlungsergebnisse eindeutig belegt, so die Behörden. Mare Liberum bestreitet illegale Tätigkeit. Unklar ist noch, ob sie auch Geldzahlungen der Schlepper angenommen haben. Laut euronews verspricht sich die Polizei weitere Erkenntnisse von einem beschlagnahmten Computer. Ermittelt wird wegen:

a) der Gründung einer kriminellen Organisation,
b) Spionage,
c) des Verrats von Staatsgeheimnissen,
d) der Verletzung des griechischen Migrationsgesetzes.

Als erste berichtete die Wochenzeitung To Vima. Die Zeitung zitierte dabei auch aus internen Polizeiakten. Unter dem Vorwand der humanitären Aktion hätten die NGOs mit Schleppern aus der Türkei konspiriert und so neue Wege für irreguläre Migration aus der Türkei in die EU eröffnet. Dazu teilten die NGO-Mitglieder den Schleppern in der Türkei die Bewegungen der griechischen Küstenwache mit, worin wohl der Geheimnisverrat der Prozessakten besteht. Außerdem informierten sie die Migranten darüber, wann diese in griechischen Gewässern waren und also einen Notruf absetzen konnten.

Daneben bedienten sich die NGOs der Website »Watch the Med« und des Rufdienstes »Alarm phone«, um Druck auf die griechische Küstenwache auszuüben – und deren Arbeit zu behindern, so zumindest die Sicht der griechischen Behörden.

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Die Website stellt eine ›Notrufnummer‹ bereit und erklärt den Migranten oder Schleppern das Verfahren: Zuerst müssen die Bootsinsassen die Küstenwache über die eigene Notsituation informieren, danach sollen sie das »Alarm Phone« anrufen. Die NGO-Mitarbeiter versuchen dann, auch über Medien und Politiker, Druck auf die Küstenwache auszuüben, damit die Migranten von der Küstenwache aufgelesen werden. Es gab mindestens 32 Schlepperfahrten, die so in die Wege geleitet und von den NGOs begleitet wurden. Laut der Zeitung To Ethnos sollen allerdings 27 der konspirativ geplanten Überfahrten misslungen sein, nur fünf Überfahrten gelangen.

Auf Nachrichtenseiten kursieren – neben Mare Liberum und Sea-Watch – auch die Namen weiterer NGOs, die von den Ermittlungen betroffen seien, darunter die Forschungsgesellschaft Flucht & Migration e.V., die auch Spenden für das »Alarm Phone« der Website »Watch the Med« annimmt. Und die ›Forschungsgesellschaft‹ gibt in ihrem Impressum dieselbe Berliner Adresse an wie Mare Liberum.

Unterdessen hat der Staatssekretär im Bürgerschutzministerium, Levteris Ikonomou, »NGOs und ausländische Netzwerke« dafür kritisiert, die Migration zu »instrumentalisieren«. Nach der jüngsten Enthüllung will man die Kontrollen in nächster Zeit noch verstärken. NGOs, die sich außerhalb des gesetzlichen Rahmens bewegen, müssen sich offenbar warm anziehen.

Die Finanzen vieler NGOs sind dabei schwer zu kontrollieren, da viele Geldflüsse über das Ausland geregelt werden. Angeblich hat aber die Wirtschaftspolizei und die Behörde für Transparenz mit umfassenden Kontrollen begonnen. An den griechischen Grenzen, so der Staatssekretär, schütze man sich auch gegen Spionage und die Verletzung der nationalen Sicherheit mit einem festen Panzer.

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