Die Migrationswelle, die Europa vor gut fünf Jahren erreichte und seitdem nie mehr ganz abgeebbt ist, hatte Folgen für das Zusammenleben von Bürgern und Eingewanderten. Dem wird wohl kaum einer widersprechen. Fragt man aber, welche Folgen genau, dann wird es schon schwieriger.
Die Silvesternacht von 2015 ist ein Ereignis, das hier häufig genannt wird, und sie rief tatsächlich vielfältige Reaktionen hervor: von Empörung über halb zur Schau getragene Ratlosigkeit (man denke an Bürgermeisterin Henriette Reker und ihren Rat einer »Armlänge Abstand«) bis zum offenen Achselzucken. Zumindest auf mittlere Sicht veränderte sie den Diskurs aber deutlich. Zugleich wuchs ein diffuses Gefühl der Veränderung. Nachrichten von weiteren »Einzelfällen« sorgten für Entsetzen, Terroranschläge und zerstörerische Raubzüge von Jugendlichen sind weitere Elemente eines veränderten Lebensgefühls. Seitdem bemühen sich Behörden und Wissenschaftler, die neue Lage in Statistiken zu fassen, ihr sozusagen einen Namen zu geben, der allgemein anerkannt ist.
Die Studie der vier schwedischen Forscher wurde im September 2020 fertiggestellt und erschien nun im Fachblatt Forensic Sciences Research. Ardavan Khoshnood (im Iran geboren), Henrik Ohlsson, Jan Sundquist und Kristina Sundquist von der Universität Malmö erfassten Daten zu Tätern zwischen 15 und 60 Jahren, die entweder wegen versuchter oder vollendeter Vergewaltigung verurteilt wurden.
Schweden hat demnach in den letzten Jahren eine Zunahme der Vergewaltigungsdelikte erlebt. Die Anzeigen stiegen von 2008 bis 2018 um 45 Prozent an. 99,7 Prozent der Täter waren Männer. Zugleich sank die Aufklärungsrate von 31 auf elf Prozent im Jahr 2016 ab – warum, bleibt unklar. Und auch wenn sich seit 2017 ein Rückgang der Anzeigen anzudeuten scheint, fragt sich, wie der rasante Anstieg zuvor zustande kam. War er nur eine Folge der größeren Bewusstmachung des Themas im Gefolge der #MeToo-Debatte, die etwa in diese Jahre fiel? Zweifel bleiben – vor allem, weil ein bestimmter Täterkreis zu dominieren scheint.
Zwei Gruppen sind überrepräsentiert
Von den 3.039 verurteilten Straftätern in den Jahren zwischen 2000 und 2015 waren eine Mehrheit von 59,3 Prozent Immigranten; knapp die Hälfte der Täter (47,7 Prozent) waren außerhalb Schwedens geboren. Dagegen waren nur 40,8 Prozent gebürtige Schweden mit Eltern aus Schweden.
Bei den Tätern mit ausländischem Geburtsort stechen wiederum zwei Gruppen besonders hervor: Wie Ayaan Hirsi Ali aus weiteren Statistiken errechnete, wurden nur 4,9 Prozent der heutigen schwedischen Bevölkerung im Nahen Osten oder in Nordafrika geboren. Doch der Anteil derselben Gruppe an den wegen Vergewaltigung oder dem Versuch dazu Verurteilten betrug laut der neuen Studie 16,4 Prozent. Das heißt, diese Gruppe ist um den Faktor 3,3 überrepräsentiert und ihre Mitglieder wurden also gut dreimal so oft wegen Vergewaltigungstatbeständen verurteilt, wie es ihrem Bevölkerungsanteil entspräche.
Bei den aus Afrika südlich der Sahara Stammenden steigt diese Überrepräsentation auf den Wert 4,7 an. Subsahara-Afrikaner liegen in dieser Frage also etwa um das Fünffache über der Normalverteilung. Man könnte auch formulieren: Es ist fünf mal so wahrscheinlich, dass einer von ihnen zum Vergewaltiger wird, als der Durchschnitt der Einwohner Schwedens.
Und wieder illustriert ein deutsches Beispiel die Lage ideal
Eine zweite Gefahr liegt Ali zufolge aber darin, die sexuelle Gewalt in der Gruppe der Einwanderer zu ignorieren und zu relativieren. Wieder ist es ein deutsches Beispiel – nach Silvester 2015 schon das zweite –, das eine Seite des Problems perfekt illustriert. Denn Hirsi Ali führt einen deutschen Kriminalitätsbericht an, der ausdrücklich davor warnte, eine publizierte Statistik zu betrachten und auszuwerten. Einwanderer seien nämlich im Vergleich zu den Einheimischen männlicher, ärmer und schlechter ausgebildet, und lebten häufiger in Städten, was bekanntlich alles Begleitfaktoren von Kriminalität sind.
Doch das sei nicht nur in der Sache naiv, so Ali, es ignoriere auch Beobachtungen an der Kriminalstatistik, die sich seit Jahrzehnten nicht verändert haben. Denn wie auch die vier Studienautoren feststellen: Die Ergebnisse ihrer Studie stimmen mit älteren Studien aus Schweden ebenso wie mit solchen aus der Schweiz und anderen Ländern überein (»The findings in our study are in line with previous Swedish studies [and] international studies from, among others, Switzerland«).
Und Ayaan Hirsi Ali ist zuletzt auch darin Recht zu geben: Eine so starke Überrepräsentation ausländischer sowie speziell nahöstlicher und afrikanischer Vergewaltiger muss man sicherlich mit anderem als nur ihrem sozioökonomischen Profil erklären. Weder Wohlstands- noch Bildungsmangel und am wenigsten sicher städtische Wohnorte taugen am Ende als Generalerklärung gegen den Generalverdacht. Fragen bleiben, aber Antworten lassen sich nur finden, wenn das Problem erkannt und – noch davor – wenn es als Problem anerkannt wird.