Es war schon immer so, dass reiche Menschen, ob sie nun Aristokraten, Mitglieder des Politbüros oder Tech-Tycoons waren, ihren Geschäften nachgingen. Es war auch so, dass diese reichen Menschen nebenher ein wenig Geld ausgaben, um einer (vermeintlich) guten Sache zu dienen. Das war normal und nicht sonderlich bemerkenswert, auch wenn jeder, der von einem solchen Mäzen etwas bekam, sich natürlich artig bedankte. Was die reichen Leute wirklich mit diesen frommen Gaben bezwecken, steht auf einem ganz anderen Blatt. Misstrauisch muss man wohl werden, wenn die „Philanthropie“, also die Menschenfreundlichkeit, auf einmal ein ganzes Leben einnimmt, das vorher und daneben von ganz anderen, irdischeren Motiven beherrscht schien.
Oder man nehme Bridge. Bridge? Das ist doch etwas für alte Briten. Das denkt eigentlich jeder. Aber hat man auch gewusst, dass Bill Gates und Warren Buffett passionierte Fans dieses Kartenspiels sind? Das behauptet zumindest die Russin Mila Antonova in einem zwölf Jahre alten Video, in dem sie in einem etwas wilden Englisch – für die jungmachenden Kräfte des Spiels warb. Unter dem Video stapeln sich die aktuellen Kommentare der Marke „Ich hatte nie von Bridge gehört bis zum heutigen Tag, danke Bill“.
Angeblich lernte Gates das Spiel von seinen Eltern und machte eines seiner Lieblingshobbies daraus. In dem Video erzählt Antonova, dass sie Gates bei einem Bridge-Turnier in der Nähe von San Francisco traf, wo sie ihn zwar nicht im Kartenspiel schlug, aber „versuchte, ihn zu treten“. Man kann das nach allem, was wir heute wissen, durchaus als die Andeutung einer leidenschaftlichen Affäre verstehen. Antonova suchte damals nach Sponsoren für ihre geplante Website BridgePlanet. Konkret hielt sie Ausschau nach einem 500.000-Dollar-Mann. Es war wohl dank Gates, dass Antonova später Jeffrey Epstein kennenlernte: Der Gates-Berater Boris Nikolic stellte die Russin dem undurchsichtigen Investor und 2019 in Untersuchungshaft verstorbenen Betreiber eines Rings zur sexuellen Ausbeutung von Minderjährigen vor.
Treffen von rein „philanthropischer“ Natur
Nun bestehen Gates und Nikolic darauf, dass ihre jeweiligen Treffen mit Epstein rein „philanthropischer“ Natur waren. Im November 2013 trafen sich Antonova und Nikolic in Epsteins Stadthaus. Am Ende investierte Epstein nicht in ihr Projekt. Aber ein Jahr später wohnte die junge Russin für kurze Zeit in einer New Yorker Wohnung Epsteins, wo sie angeblich mit niemandem (!), auch nicht mit Epstein zu tun gehabt haben will. Schon eine seltsame Tätigkeit in einer schicken New Yorker Wohnung.
All das ist eher aus moralischer denn aus strafrechtlicher Sicht relevant, obwohl genau solches Verhalten für andere zum Karriere-Stolperstein wurde. Die öffentliche Wahrnehmung ist da manchmal selektiv. Nun könnte man auch Melinda French Gates vorwerfen, sie habe sich erst in dem Moment um eine Scheidung bemüht, als die Beziehung zwischen ihrem Gatten und Epstein öffentlich wurde. Auch so funktioniert die Moral manchmal, von außen nach innen.
Bill Gates ließ den Darstellungen seiner Ex-Frau öffentlich widersprechen, so laut der New York Times mit den Worten einer Sprecherin: „(Melindas) Charakterisierung seiner Treffen mit Epstein und anderen über Philanthropie ist ungenau, auch was die Teilnehmer betrifft. Auch die Behauptung, dass Mitarbeiter schlecht behandelt wurden, ist falsch. Die Gerüchte und Spekulationen über die Scheidung von (Bill) Gates werden immer absurder, und es ist bedauerlich, dass Leute, die wenig bis gar keine Kenntnis von der Situation haben, als ‚Quellen‘ bezeichnet werden.“ Auch die Beziehung von Bill Gates und Melinda French begann ja, als Bill noch Melindas Chef war, wie auch die NYT anmerkt. Heute sagt Melinda Gates, geborene French, sie stehe auf „freundschaftlichem“ Fuß mit Bill, ohne dass die beiden „Freunde“ wären.
Gates: Schon die Nähe zu Epstein war ein Fehler
2011 also schrieb Gates an Kollegen, dass Epsteins „Lebensstil sehr anders und in gewisser Weise reizvoll“ sei, aber für Gates „nicht funktionieren würde“. Damit meinte Gates angeblich die „einzigartige Dekoration“ der Epstein-Wohnung (berichtet wird von mehreren Massageräumen und Seife in der Form von Körperteilen), oder auch die Angewohnheit Epsteins, Gates „in spontaner Weise Bekannte vorzustellen“.
In der CNN-Sendung von Anderson Cooper – ein modernes Äquivalent der Beichte mit dem Unterschied, dass Millionen ihm beiwohnen können – sagte Gates 2021, allein schon die Nähe zu Epstein sei ein Fehler gewesen. Angeblich hatte sich der Microsoft-Tycoon (damals im Besitz von 56 Milliarden Dollar) bei Abendessen mit Epstein seinerseits um Milliardenspenden für die „globale Gesundheit“ bemüht. Als er angeblich erkannt haben wollte, dass es diese Spenden nicht geben würde, endeten die Kontakte laut Gates. Und natürlich waren „zahllose andere in derselben Situation“, so Gates, aber seinen eigenen Fehler habe er schon selbst begangen. Allerdings: Epstein traf sich nicht nur mit Gates, sondern wie gesehen auch mit dessen Mitarbeitern, etwa auch Microsoft-Kollegen oder solchen von der Gates-Stiftung.
Zurück zu der jungen Bridge-Enthusiastin Mila Antonova: Epstein bezahlte ihr am Ende einen Programmierlehrgang, beziehungsweise er überwies das Geld direkt an die Schule. Sein Grund, wie gegenüber Antonova bekundet: Er sei wohlhabend und wollte den Menschen so gut helfen, wie er konnte.
Wie Gates fast den Friedensnobelpreis bekam und die letzte Schlinge vermied
Das Interessante ist nun, dass es laut Dokumenten, aus denen die Washington Post zitiert, bei diesem Fonds vor allem um eine Person ging: Bill Gates. Der Investitionsplan werde es Bill gestatten, „Zugang zu hochwertigen Mitarbeitern, Investitionen, Mittelzuweisungen und Regierungshandeln zu erhalten, ohne seine Ehe oder die Empfindlichkeiten der derzeitigen Stiftungsmitarbeiter zu stören“, schrieb Epstein am 16. August 2011 in recht fehlerhaftem Englisch an die JPMorgan-Leitung. Doch Gates war nicht zufrieden mit dem Plan, dabei war er doch laut Epstein „die einzige Person, die zählt“.
2017 schließlich kontaktierte Epstein Gates erneut. Es ging um die russische Bridge-Fanatikerin und Programmierschülerin Antonova, deren Ausbildungskosten Epstein nun angeblich von Gates ersetzt haben wollte. In Wahrheit sei es aber nicht um diese Kleckersumme gegangen, sondern um die Möglichkeit, dass Epstein die alte Affäre von Gates öffentlich machen könnte. Kurz vor seinem Tod änderte Epstein sein Testament und setzte Gates-Intimus Nikolic als Nachlassverwalter ein. Nikolic lehnte ab, sagte aber, das sei in Wahrheit ein Schachzug gegen Gates gewesen, eine letzte Rache für etwas, das geschehen war.
Das Verhältnis des ‚Philanthropen‘ Gates mit dem Mädchenhändler Epstein könnten also enger gewesen sein, als bisher bekannt. Die neuen Details zeigen im wesentlichen, wie Epstein versuchte, eine Schlinge zu legen, um den Big-Tech-Milliardär darin zu fangen und ihn zu jahrelangen Tributzahlungen abzurichten. Dass misslang. Doch bleibt Gates so auch mit dem Prostitutionsring Epsteins assoziiert, in dessen „verurteilende“ Nähe er offenbar über mehrere Jahre hinweg immer wieder geriet.